Komplexität agil bewältigen

Die Welt wird komplexer und die Anforderungen an Unternehmen steigen stetig. Woher soll die Energie für Veränderungen kommen? Und welchen Weg gilt es einzuschlagen? Zeitenvogel sprach mit Andreas Gottschalk, Leila Mousavi Takieh und Daniel Panetta von openTransformation über die Veränderung der Kommunikation, neue Formen des Lernens und welchen Vorteil agile Methoden haben.

 

Agile Methoden

Foto: openTransformation

ZV: Herr Gottschalk, wofür steht openTransformation?

AG: Wir stehen für Offenheit gegenüber Veränderung. Mit unserem Netzwerk initiieren und begleiten wir Transformationsprozesse in Unternehmen.

ZV: Herr Panetta, welcher Philosophie folgt der openTransformation-Ansatz?

DP: Wir verstehen openTransformation als ein agiles Netzwerk von Menschen, die daran glauben, dass sich Unternehmen zu jeder Zeit verändern können, wenn die Energie dafür in ihrem Inneren entsteht. Wir setzen diese Energie bei den Mitarbeitern und den Führungskräften unserer Kunden frei. So befähigen wir Menschen, das im Wandel Erlernte nachhaltig umzusetzen.

ZV: Ist openTransformation also eine Art Unternehmensberatung?

DP: Ja. Wir haben aber noch mehr zu bieten als eine klassische Unternehmensberatung. Wir bieten weitere Trainings und Coachings an. Wenn dies gewünscht ist, können wir zum Beispiel die Unternehmen mit Nudging-Konzepten im positiven Sinne so irritieren, wie es die Beratungen vielleicht nicht hinbekommen.

 

Neue Herausforderungen für Unternehmen

 

ZV: Frau Mousavi Takieh, weshalb ist es so wichtig, dass sich Unternehmen wandeln?

Leila Mousavi Takieh

Foto: openTransformation

LM: Unternehmen müssen sich dem gesellschaftlichen Wandel anpassen. In den letzten Jahren kamen neue Themen auf, entstanden neue Herausforderungen, die den Unternehmen in der Gestaltung ihrer internen Kultur und ihrer Außenkommunikation viel abverlangen. Erwähnt seien nur die Forderung nach einer besseren Work-Life-Balance mit der Möglichkeit des Homeoffice für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder der Fachkräftemangel.

ZV: Welche Anforderungen werden heute an die Kommunikationsformen innerhalb eines Unternehmens gestellt?

LM: Die klassische Hierarchie mit dem einseitigen Verhältnis von Chef und Angestelltem hat sich grundlegend gewandelt. Die Zusammenarbeit im Team wurde hinsichtlich der Bewältigung komplexer Aufgaben immer wichtiger. Es gibt viele neue Konzepte, die dazu führen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesünder sind, mehr Energie haben und mit mehr Freude an der Arbeit sind.

DP: An die Vorgesetzten werden heute hohe Anforderungen gestellt. Ein Problem ist, dass wir alle faktisch nie gelernt haben, Führungspositionen einzunehmen, sondern dass wir meist so führen, wie wir als Kind geführt wurden. Wir stehen jetzt vor der Herausforderung, zukunfts- und resonanzfähige Konzepte von Führung zu entwickeln.

Das betrifft auch den Sicherheitsbegriff. Der Sicherheitsbegriff der „alten Welt“ – dass man etwa lange beim gleichen Arbeitgeber bleibt – gilt für die „neue Welt“ nicht mehr. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der „neuen Welt“ bedeutet Sicherheit vor allem Flexibilität. Sie suchen sich Arbeitgeber, von deren Kultur sie überzeugt sind. Die Führung muss darauf eingehen und gut zuhören können.

 

Neue Formen des Lernens

 

ZV: Sind vor diesem Hintergrund auch neue Formen des Lernens notwendig?

Agile Methoden

Foto: openTransformation

DP: Frontale Beschulung und Beschallung sind noch weit verbreitet, sei es in der Schule, sei es auf Konferenzen und in Seminaren. Wir sind hingegen der Überzeugung, dass jeder Mensch seinen eigenen Zugang zu Informationen und seine ganz eigene Art zu lernen hat. Es ist wichtig, die Person nicht mehr nur mit Prüfungen und Angst zu konfrontieren, sondern auch positive Emotionen aufleben zu lassen: Freude am Lernen und Spaß dabei zu haben, Sachen in die Hand zu nehmen und zu formen. Das kann man beobachten, wenn man mit Menschen in Workshops arbeitet und dieser Aha-Effekt eintritt. Dann entsteht etwas Neues.

ZV: Herr Gottschalk, wie gehen Sie konkret vor?

AG: Das hängt natürlich sehr stark vom jeweiligen Kundenbedürfnis ab. Die großen Transformationsprozesse planen wir im Vorhinein. Wir kommen aber nicht mit einem Reißbrett und einem vorgefertigten Plan. Da sich die Welt verändert, werden wir immer mit Neuem konfrontiert. Wir wissen nicht, was kommt und müssen erstmal eine Grundlage schaffen. Deshalb erheben wir in einem ersten Schritt Daten, die ein Fundament für das weitere Vorgehen bieten.

In einem zweiten Schritt geht es dann darum, ein tieferes Verständnis für das zu entwickeln, was in dem jeweiligen Unternehmen passiert und wo Änderungsbedarf besteht. In einem dritten Schritt erfinden und erproben wir neue Tools und Prozesse und implementieren neue Instrumente, mit denen die Unternehmen ihren eigenen Erfolg besser überprüfen und gegebenenfalls nachsteuern können.

 

Agile Methoden

Die Strahlkraft der Agilität; Foto: openTransformation

 

ZV: Was ist Ihnen besonders wichtig?

AG: Der ständige Dialog mit dem Kunden. Entscheidend für den Erfolg einer Implementierung ist vor allem, dass das Ergebnis für den Kunden stimmt. Was der Kunde nicht sympathisch findet, was sich nicht gut anfühlt, was nicht in seine Welt hineinpasst, das wird er langfristig auch nicht integrieren.

Wichtig ist uns, dass die Menschen ins Tun und Erleben kommen und dass eine aktive Lernerfahrung entsteht, aus der heraus durch neue Verknüpfungen auch neue Haltungen und neue Verhaltensweisen nachhaltig aktiviert werden können. Deshalb wollen wir immer in Interaktion mit dem Kunden herausfinden, ob ein bestimmter Ansatz funktioniert. Agile Methoden eignen sich hierfür hervorragend.

 

Vorteil durch agile Methoden

 

ZV: Inwiefern?

AG: Agile Methoden wurden geschaffen, um Komplexität zu bewältigen. Vor 10 bis 15 Jahren begann mit der Digitalisierung ein Prozess, in dem sich die Kommunikationsnetzwerke extrem verdichteten. Heute vollziehen Menschen in kürzerer Zeit viel mehr Arbeits- und Kommunikationsschritte als in der Zeit vor dem Internet.

Diese neue Kommunikationsdichte führte auch zu einer erheblichen Komplexitätssteigerung unternehmerischen Handelns. Wir können Prozesse nicht mehr langwierig vorplanen und dann nach drei Jahren mal schauen, ob es funktioniert und – wenn die Prozesse nicht wie gewünscht angenommen werden – das Marketing intensivieren, um die Akzeptanz zu steigern. So viel Zeit lässt uns weder die Konkurrenz noch der Kunde. Der schaut sich in der Zwischenzeit nach Alternativen um.

Agile Methoden können hierbei eine Lösung sein. Sie funktionieren auf der Basis von Co-Kreation: Anwender und Experten schaffen über kurze Rückmeldungen – die sogenannten Iterationsschleifen – zusammen genau das, was die Anwender benötigen. So wird zum Beispiel ein Produkt oder eine Dienstleistung nach und nach verbessert, bis genau der Stand erreicht wird, den sich der Anwender wünscht. So stellen agile Methoden zum einen sicher, dass das jeweilige Produkt abgesetzt werden kann. Zum anderen ermöglichen die kurzen Horizonte, in denen die Produktentwicklung stattfindet, dass falsche Entwicklungen schnell bemerkt werden. So kann man ohne hohe Kosten einfach neu ansetzen, wenn man einmal leicht verrutscht ist.

 

Agile Methoden

Im ständigen Dialog; Foto: openTransformation

 

ZV: Können Sie ein Beispiel für ein Workshop-Format geben, in dem Sie agile Methoden anwenden?

DP: Ein Beispiel ist die Innoweek, ein spannendes Format, bei dem wir co-kreativ, beim Kunden – gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus unterschiedlichen Fachabteilungen sowie der Geschäftsführung – Probleme lösen.

Nachdem wir mit dem Kunden die primären Themen festgelegt haben, arbeiten wir über die Woche im Sprint-Format von Tag zu Tag die entsprechenden Fragen ab: Wer macht was wann wie wo wozu? Am Freitag gibt es dann eine Review, auf der sich der Kunde mit uns zusammensetzt und wir gehen die einzelnen Punkte zusammen durch. Wir schauen, wo wir noch nachschärfen müssen und wie sich die Zusammenarbeit mit dem Kunden gestaltet hat.

ZV: Welche Bedeutung haben für Sie agile Methoden, die sich dem Bereich der Gamification zuordnen lassen?

DP: Gamification ist ein tolles Konzept, das man in ganz unterschiedlichen Kontexten, etwa in Workshops, einfließen lassen kann. Es ist ein Gefühl, das man mit Gamification verbindet: Wenn man bei einem Videospiel eine bestimmte Belohnung erhält und dann diesen Sound hört, wird eine positive Emotion ausgelöst. Dieses positive Gefühl gilt es auf die aktuelle Tätigkeit zu übertragen.

LM: Gerade Lego® Serious Play® (LSP) verändert viel im eigenen Denken. Die Arbeit mit den Bausteinen erzeugt eine ganz andere Aufmerksamkeit als eine rein mündliche Diskussion. Man hat viel Spaß und erinnert sich dadurch und wegen Form und Farbe des Dargestellten sehr gut an einzelne Sachverhalte. Gerade heute, wo uns vieles ablenkt und es immer herausfordernder wird, in einem Seminar stundenlang zusammenzuarbeiten, sind solche Methoden genial. Wir können die Menschen abholen und mit ihnen für alte Probleme ganz neue Lösungen entwickeln.

 

Mit den Folgen der Digitalisierung umgehen

 

ZV: Helfen Sie Unternehmen beim Umgang mit Digitalisierungsprozessen?

AG: Wir sind keine IT-Beratung. Wir helfen den Unternehmen aber, mit den Folgen der Digitalisierung umzugehen. Überall, wo Software implementiert wird, werden Routinen, die zuvor von Menschen praktiziert wurden, von Maschinen übernommen. Das bedeutet aber nicht, dass die Menschen entlassen werden, sondern dass sich ihre Aufgaben ändern. Maschinen produzieren nämlich kontinuierlich Daten. Diese müssen interpretiert und folglich auch Maßnahmen abgeleitet werden. Und dazu braucht es weiterhin Menschen.

Die Neukonfiguration der Tätigkeitsbereiche schafft Freiräume. Wir zeigen den Unternehmen, wie sie diese Freiräume nutzen können. So könnte die Geschäftsführung etwa die Dienstleistung um ein bestimmtes Produkt verbessern, mehr Kundenfokus erzeugen oder die Beziehungen der Angestellten auf eine ganz andere Art zu gestalten.

ZV: Wie entstand openTransformation?

AG: Durch das günstige Aufeinandertreffen von Menschen mit bestimmten Fähigkeiten. Vor circa zwei Jahren lernte ich Thomas Pfohl im Umfeld der Stadtentwicklung kennen. Damals begegneten wir auch in einem Co-working Space Georg Schütz, Frieder Ittner und Daniel (Panetta).

Wir haben uns überlegt, was wir als Organisationsentwickler mit unterschiedlichen Spezialisierungen gemeinsam auf die Beine stellen können. Der Rest ging ganz schnell. Heute ist die openTransformation AG ein blühendes Unternehmen, das Mitarbeiter einstellt und sich in einer sehr günstigen Marktsituation befindet.

ZV: Weshalb haben Sie sich für die Unternehmensform AG entschieden?

DP: Wir sind fünf Gründer. Für uns war es wichtig, unsere Entscheidungen und Ideen nochmals extern begutachten zu lassen. Deshalb ist der Aufsichtsrat als regelmäßige Spiegelung von Personen, die aus anderen Bereichen der Wirtschaft stammen, für uns sehr gewinnbringend. Darüber hinaus möchten wir uns auch für Netzwerkpartner öffnen, die sich engagieren wollen. Über die Form einer AG haben wir die Möglichkeit, Anteile relativ zügig weiterzugeben. Diese Lösung fanden wir zielführend und elegant.

 

Gelebte Transformation in Bergheim

 

ZV: Weshalb haben Sie das Landfried-Gelände in Bergheim als Standort gewählt?

AG: Bergheim ist ein pulsierender Stadtteil. Man merkt, dass sich hier Innovationen bündeln. Hier sind erfolgreiche Start-ups vor Ort, mit denen wir uns leicht vernetzen können. Ein wichtiger Punkt war auch die Bahnhofsnähe: Die Kundinnen und Kunden, die wir beraten, kommen aus ganz Deutschland. Wir wollen vor Ort präsent sein und suchten deshalb eine verkehrstechnisch günstige Lage.

DP: Das Gebäude, in dem wir uns gerade befinden, die alte Zigarrenfabrik Landfried, ist sehr interessant. Wir sprachen ja gerade viel von Transformation und hier wird sie gelebt: Das Gebäude wandelte sich von einer Fabrik zu einem Zentrum, in dem heute Start-ups und viele andere interessante Mieter arbeiten. Das ist toll. Ein Schmelztiegel verschiedener Ideen, Kulturen und Unternehmen.

 

Agile Methoden

Grund zur Freude; Foto: openTransformation

 

ZV: Was treibt Sie an?

LM: Jeder von uns ist auf seine Art und Weise, über verschiedene Erfahrungen und soziale Aktivitäten am Puls der Zeit und an den Menschen dran. Wir können so sehr gut verstehen, wie sich die Gesellschaft gerade verändert und wo wichtige Themen liegen. Und daraus speist sich unsere Motivation, diese Dynamiken zu begleiten und voranzubringen.

AG: Wir wollen mit unserem Unternehmen wachsen und uns positiv verändern. Wachsen bedeutet für uns aber nicht quantitatives Wuchern, sondern qualitativ neue Stufen zu erreichen. So wie wir versuchen, morgen bessere Menschen zu sein als wir gestern gewesen sind, so versuchen wir auch, die Unternehmen unserer Kundinnen und Kunden besser zu machen.

DP: Wir sind sehr heterogene Köpfe und wir leben diese Diversität ganz bewusst. Das ist nicht immer einfach, aber wir sind für die Argumente der anderen offen. Das heißt auf der einen Seite, dass mein Argument, an das ich glaube, sich nicht immer durchsetzen kann. Auf der anderen Seite kommen wir aber zu sehr guten und nachhaltigen Entscheidungen – im Sinne unserer Kundinnen und Kunden.

ZV: Vielen Dank für das Gespräch.

 

 

Andreas Gottschalk

Mitglied des Vorstandes, Berater und Analyst

Leila Mousavi Takieh

Business Student, Projektassistenz

Daniel Panetta

Mitglied des Vorstandes, Berater, Trainer und Coach

oT – openTransformation AG

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Beitragsbild: openTransformation