Mehrheit der Expertinnen und Experten will Senkung der Unternehmenssteuern

Das kürzlich beschlossene Wachstumschancengesetz soll die Wettbewerbsfähigkeit stärken und Investitionsanreize erhöhen. Doch reichen die steuerlichen Maßnahmen des Gesetzes aus, um diese Ziele zu erreichen? Eine aktuelle Umfrage des German Business Panels (GBP) zeigt, dass dies nicht der Fall ist. Die GBP-Daten zeigen, dass sowohl Unternehmen als auch Steuerexpertinnen und Steuerexperten mit der Wirtschaftspolitik unzufrieden sind und wenig Hoffnung auf eine Kursänderung besteht. Einigkeit besteht jedoch darüber, was die Steuerpolitik tun könnte.

Im März 2024 haben Bundestag und Bundesrat nach zahlreichen Verhandlungen und Anpassungen das „Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness“ (kurz: Wachstumschancengesetz) verabschiedet. Es hat zum Ziel, die Liquidität von Unternehmen in Deutschland zu verbessern sowie wichtige Impulse für Investitionen und Innovationen zu setzen. Durch das Gesetz soll die stagnierende Wirtschaft in Deutschland wieder in Schwung gebracht werden. Das Gesetz beinhaltet Maßnahmen wie Steuervereinfachungen oder die Anhebung von Schwellenwerten und Pauschalen. Eine grundlegende Reform der Steuerpolitik ist jedoch nicht vorgesehen. Die aktuelle GBP-Expertinnen- bzw. Expertenbefragung sowie die GBP-Befragung unter Unternehmen geben nun Aufschluss darüber, welche Maßnahmen Steuerwissenschaftlerinnen und Steuerwissenschaftler und Entscheidungsträgerinnen und -träger in der Wirtschaft als notwendig erachten.

Die Befragung der Expertinnen und Experten ergibt ein klares Bild: 55,8 Prozent der mehr als 250 Expertinnen und Experten an Universitäten und Forschungseinrichtungen befürworten eine Reduzierung der Unternehmenssteuern, während nur 10,8 Prozent eine Erhöhung unterstützen würden. Wie könnte so eine Reduzierung aussehen? 72,5 Prozent der Befragten sprechen sich für eine vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags aus, den Kapitalgesellschaften (trotz Abschaffung für viele Lohnsteuerzahlerinnen, Lohnsteuerzahler und Personengesellschaften) weiterhin zahlen müssen.

Trotz der von den Expertinnen und Experten empfohlenen steuerlichen Entlastungen zeigen die Daten des GBP, dass kurz- bis mittelfristig nur geringfügige Veränderungen in der tariflichen Besteuerung erwartet werden können. Erst bis Ende 2026 rechnen die Befragten mit einer leichten Senkung der tariflichen Körperschaftsteuer, jedoch bei gleichzeitiger Erhöhung der Einkommensteuer. „Die Steuerexperten untereinander, aber auch die Einschätzungen aus der Wirtschaft zeigen überraschend große Einigkeit in der Forderung nach Steuersenkungen, erwarten aber nicht, dass diese in den nächsten Jahren kommen werden“, erklärt GBP-Projektleiter Prof. Dr. Davud Rostam-Afschar. „Die Diskrepanz zwischen Wunsch und Erwartung könnte ein Grund für die große Unzufriedenheit mit der Wirtschaftspolitik sowohl bei den Forschenden als auch bei den Unternehmen sein“, so Rostam-Afschar.

In der Tat ist die Mehrheit der Expertinnen und Experten (50,2 Prozent) unzufrieden mit der deutschen Wirtschaftspolitik und gibt zunehmende steuerliche und regulatorische Belastungen sowie mangelnder Investitionsanreize als Ursachen an. Auch hohe bürokratische Anforderungen sowie Unsicherheit über regulatorische Vorgaben sind Gründe, warum Unternehmen weniger investieren.

„Fehlende Impulse können dazu führen, dass die Attraktivität und die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland langfristig sinkt“, resümiert Rostam-Afschar. Die Unzufriedenheit mit der Wirtschaftspolitik spiegelt sich auch in der GBP-Firmenumfrage. Hier sind es sogar 68,9 Prozent der deutschen Unternehmen, die der Wirtschaftspolitik ein negatives Zeugnis ausstellen. Der Anteil an sehr unzufriedenen Unternehmen liegt bei 42,9 Prozent und ist damit fast viermal so hoch wie bei den Expertinnen und Experten.

Die Befragungen zeigen deutlich, dass sowohl Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als auch Unternehmen tiefgreifende Änderungen in der Steuerpolitik fordern, um die wirtschaftliche Dynamik in Deutschland zu stärken. Rostam-Afschar betont abschließend die Notwendigkeit eines fortgesetzten Dialogs zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik: „Dieses klare Bild zeigt, dass die Debatte über substantiellere Steuerreformen intensiver geführt werden muss.“

Der Bericht zeigt zudem eine positive Entwicklung der betriebswirtschaftlichen Indikatoren: Die erwartete Gewinnveränderung stieg um 0,76 Prozent. Zum ersten Mal seit dem ersten Quartal 2023 liegen die prognostizierten Gewinne damit aktuell – wenn auch nur leicht – auf Wachstumskurs.

 

Den „GBP-Monitor: Unternehmenstrends im April 2024“ finden Sie hier.

 

Weitere Informationen zum GBP-Monitor

 

Das German Business Panel befragt monatlich mehr als 800 Unternehmen und erstmalig um März 2024 mehr als 250 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zur Unternehmenslage in Deutschland und erhebt dabei Daten zu 1) erwarteten Umsatz-, Gewinn- und Investitionsänderungen, 2) unternehmerischen Entscheidungen, 3) der erwarteten Schließungsrate in der Branche und 4) der Zufriedenheit mit der Wirtschafspolitik. Zudem wird alle drei Monate zu besonders aktuellen Fragen berichtet.

 

Hintergrundinformationen zum German Business Panel

 

Das German Business Panel ist ein langfristiges Befragungspanel des DFG-geförderten überregionalen Projektes „Accounting for Transparency“ (www.accounting-for-transparency.de). Der Sonderforschungsbereich (SFB) „TRR 266 Accounting for Transparency“ startete im Juli 2019. Im Mai 2023 beschloss die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), den SFB um zunächst weitere vier Jahre zu verlängern. Er ist der erste SFB mit betriebswirtschaftlichem Schwerpunkt. Am SFB sind über 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von neun Universitäten beteiligt: Universität Paderborn (Sprecherhochschule), Humboldt-Universität zu Berlin und Universität Mannheim, zudem Forschende von der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie der Goethe-Universität Frankfurt am Main, der Frankfurt School of Finance & Management, der Universität zu Köln und der Leibniz Universität Hannover. Die Forschenden untersuchen, wie Rechnungswesen und Besteuerung die Transparenz von Unternehmen beeinflussen und wie sich Regulierungen und Unternehmenstransparenz auf Wirtschaft und Gesellschaft auswirken. Das Fördervolumen des SFBs beträgt rund 18 Millionen Euro.

 

Quelle: Universität Mannheim

 

 

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