Der Werbung Beine machen

Foto: RoadAds interactive

Die Digitalisierung hat nicht nur Einfluss auf die Werbung im Internet. Auch herkömmliche Formen der Werbung werden sich verändern. Zeitenvogel sprach mit Andreas Widmann von RoadAds interactive über ePaper, die Bewältigung technischer Herausforderungen und die Zukunft der Werbung.

ZV: Herr Widmann, was ist RoadAds interactive?

AW: Wir sind der weltweit erste Anbieter digitaler Fahrzeugwerbung. Mit RoadAds interactive haben Sie die Möglichkeit, genau zu bestimmen, wann und wo Ihre online gebuchte Werbung am Fahrzeug gezeigt wird. Sie können Echtzeitinhalte miteinbeziehen und Ihre Statistiken live verfolgen. Unser Werbemodell basiert auf ePaper-Displays, die am Fahrzeugheck angebracht sind. Momentan sind unsere Displays vor allem an LKWs montiert, wir planen aber auch, Module für Transporter, Busse und weiteren Fahrzeugtypen anzubieten.

ZV: Wann wurde Ihre Unternehmung gegründet?

AW: Wir haben das Unternehmen im November 2015 gegründet. Die letzten zwei Jahre investierten wir in die technische Umsetzung. Tatsächlich am Markt sind wir jetzt seit Anfang November 2017.

ZV: Was ist Ihr persönlicher Hintergrund?

AW: Ich komme sozusagen aus der Tekkie-Richtung (lacht), war schon immer Bastler und hatte kleinere Projekte für mich selbst – eines davon ist jetzt etwas größer geworden. Bereits während meines Bachelorstudiums der Biologie habe ich an der Uni Heidelberg einige Informatikveranstaltungen gehört. Nach meinem Bachelorabschluss schrieb ich mich dann in den Masterstudiengang Angewandte Informatik ein. Im Moment konzentriere ich mich aber voll auf RoadAds.

ZV: Wie kamen sie auf die Idee?

AW: Das war eigentlich eine „Schnapsidee“, die ich vor circa acht Jahren zusammen mit meinem Vater hatte. Mein Vater, der aus der Logistikbranche kommt, fragte sich damals, weshalb wir LKWs nicht werbetechnisch nutzen können. Wir kamen zu dem Schluss, dass ein LKW zwar eine große Oberfläche hat, diese aber nur schwer für Werbung nutzbar ist: Eine statische Werbung macht wenig Sinn, wenn ein LKW mit einer deutschen Werbung zum Beispiel wochenlang in Frankreich eingesetzt ist. Wir haben uns überlegt, wie wir Werbung schnell und einfach an den Standort anpassen können. Wir kamen rasch auf LCD-Displays, haben die Idee eines leuchtenden Displays aber aus Sicherheitsgründen wieder schnell verworfen. Als ich dann vor circa drei Jahren in meinem eBook-Reader las, fiel mir die Idee wieder ein und ich dachte: ePaper könnte die Lösung sein.

Foto: RoadAds interactive

ZV: Was ist das Besondere an ePaper-Displays?

AW: Strenggenommen hat ein ePaper-Display mit einem normalen Display nichts zu tun. EPaper besteht aus geladenen Tintenpartikeln, eigentlich dieselbe Tinte, mit der wir normalerweise auf Papier schreiben. Diese Partikel können über einen elektrischen Impuls ausgerichtet werden. Das führt zum einen dazu, dass das Display sehr wenig Strom verbraucht: Sobald das Bild einmal aufgebaut ist, wird kein Strom mehr benötigt. Zum anderen ist der Kontrast der ePaper-Displays sehr hoch und ich brauche keine Hintergrundbeleuchtung. EPaper ist somit im Straßenverkehr deutlich diskreter als beispielsweise beleuchtete LCD-Displays. Außerdem können wir rein technisch keine Bewegtbilder zeigen – somit ergibt sich kein Konflikt mit der Straßenverkehrsordnung.

ZV: Mit welchen Herausforderungen sahen Sie sich bei der Entwicklung Ihres Produkts konfrontiert?

AW: Man hat an einem LKW schon extreme Anforderungen. Der Diebstahlschutz der Displays ist nicht einmal das größte Problem. Die Displays sind groß und unhandlich: Pro Display hängen 56 Kilogramm auf Oberkante vier Meter Höhe. Die sind von innen verschraubt und gleichsam fester Bestandteil des Fahrzeugs. Aber ein LKW ist bei Wind und Wetter im Einsatz, die Türen werden zugeschlagen, man fährt durch Waschstraßen und so weiter. Für unsere Displays ist das allerdings kein Problem: Sie entsprechen nicht nur der Schutzart IP69K, das ist die höchste Schutzstufe gegen Staub- und Wassereintritt. Sie sind auch kondenswassergeschützt und haben natürlich einen UV- und einen IR-Filter, der das empfindliche ePaper zuverlässig schützt.

ZV: Jetzt ist ja das Format eines Ihrer Module ein anderes als das von eBook-Readern. Gab es Schwierigkeiten, an die von Ihnen benötigten Formate zu kommen?

AW: Ja. Wir fertigen die 32-Zoll-ePaper-Panels aus denen wir unsere Displays zusammensetzen natürlich nicht selbst, die Technologie ist auch von E-Ink patentiert. Als wir unsere Unternehmung gestartet haben, war die benötigte Größe aber schlichtweg noch nicht verfügbar. Ich hatte erfahren, dass es in nicht allzu ferner Zukunft größere ePaper-Panels geben sollte und bin den Leuten mit meinen Fragen, Mails und Anrufen solange „auf den Keks gegangen“, bis ich nähere Auskünfte bekam. Das erste 32-Zoll-Modul hatte ich dann noch vor dem offiziellen Marktstart in den Händen. Mittlerweile haben wir mit Visionect einen hervorragenden Partner und der Bezug der Displays ist kein Problem mehr.
Unsere insgesamt 64 Zoll großen LKW-Displays sind die bisher größten ePaper-Displays überhaupt und es war natürlich sehr viel Arbeit notwendig, bis wir die Erfahrungswerte in der Handhabung sowie für die nötige Präzision gesammelt hatten um diese Displays bauen zu können.

ZV: Wie kann man bei ihnen Werbung schalten?

AW: Die größte Besonderheit unseres Angebots ist, dass eine Werbeschaltung komplett online möglich ist. Wir haben die Außenwerbung vollständig digitalisiert. Unsere Displays haben eine SIM-Karte und kommunizieren ständig mit dem Server. Das ermöglicht es den Werbekunden, die Anzeigen nicht nur online zu erstellen und jederzeit zu aktualisieren, sondern auch, die Werbebedingungen sehr spezifisch festzulegen: Auf einer Kartenansicht kann bis auf fünf Meter genau definiert werden, wo die Werbung gezeigt werden soll. Wir können sogar Echtzeitdaten mit einbeziehen: Sie können als Kunde zum Beispiel festlegen, dass Ihre Werbung nur im Stau oder nur im Regen oder bei Sonnenschein gezeigt wird.

Diese Flexibilität ist in der Außenwerbung einmalig. Bislang wurden und werden digitale Werbeflächen häufig noch wie analoge Plakatflächen gebucht, etwa mit dreimonatiger Laufzeit. Wir sind flexibler: Sie buchen ein Paket, können Ihre Kampagnen schalten, verteilen und anpassen und bekommen eine Echtzeitstatistik. So können Sie kontrollieren, wann und wo Ihre Anzeige gezeigt wurde. Wir arbeiten im Moment auch an einer automatisierten Reichweitenmessung. Sie können wohl ab Anfang nächsten Jahres die ausgewiesenen Sichtkontakte kontrollieren.

ZV: Ergeben sich mittelfristig auch Anschlussmöglichkeiten an personalisierte Werbung für den Fahrer, der hinter dem jeweiligen, mit Ihren Displays ausgestatteten LKW fährt?

AW: Das ist natürlich technisch möglich. Wir müssen uns aber immer fragen, ob wir dies wirklich wollen. Es gibt auch ganz klare Einschränkungen durch den Datenschutz. Gerade in der Außenwerbung, die in den öffentlichen Raum wirkt, ist personalisierte Werbung meines Erachtens nicht angebracht.

ZV: Inwieweit profitieren die jeweiligen Fahrzeugbetreiber von Ihrem Modell?

AW: Der jeweilige Fahrzeugbetreiber bzw. der jeweilige Logistiker wird selbstverständlich dafür bezahlt, dass wir seine Fläche nutzen. Er erhält auch die Möglichkeit, eigene Inhalte auf die Displays zu spielen. Das betrifft nicht nur Nachrichten des Unternehmens wie zum Beispiel „Fahrer gesucht“, sondern auch die Anzeige, die auf dem Display erscheint, wenn der LKW ausgeschaltet wird. Das wird im Normalfall die Werbung des jeweiligen Logistikunternehmens sein.

ZV: Ist durch die LKW-Werbung nicht die Gefahr der Ablenkung anderer Verkehrsteilnehmer gegeben?

AW: Diese Gefahr war für uns von Anfang an ein Thema. Wir halten uns nicht nur sehr streng an die gesetzlichen Vorgaben. Aktuelle Studien zeigen auch, dass unsere Werbung kein erhöhtes Ablenkungspotenzial hat: Wie bereits erwähnt ist die Darstellung mit ePaper – ohne Beleuchtung und ohne Bewegtbilder – relativ diskret. Der Bildwechsel mit einer Sequenz von 30 Sekunden wird von den hinter dem LKW fahrenden Personen häufig nicht einmal wahrgenommen. Wir montieren unsere Displays ganz bewusst nur an der Heckfläche, es muss also niemand den Kopf drehen, um die Werbung zu sehen. Der Blick bleibt stets in Fahrtrichtung – das ist ein wesentlicher Unterschied zur Ablenkung durch Handy, Bordcomputer und Navigationsgerät. Ganz bewusst schränken wir auch die Motivwahl bei potenziell kritischen und ablenkenden Inhalten ein.

ZV: Was sind Ihre Ziele in den nächsten Jahren?

AW: Wir sind ja quasi gerade erst gestartet. Wir haben jetzt die ersten vier LKW auf der Straße und wollen uns im nächsten Jahr erst einmal anschauen, wie unser Geschäftsmodell beim Werbekunden ankommt. Es gibt ja noch keine Erfahrungswerte: Wir sind weltweit die ersten und einzigen, die eine solche Werbung anbieten. Darüber hinaus planen wir die Erweiterung unserer LKW-Flotte und der angebotenen Strecken. Ebenso schauen wir uns auch andere Fahrzeugtypen an. Wir werden ein Projekt mit Linienbussen in der Innenstadt starten und arbeiten an kleineren Displays für Kraftfahrzeuge, die bislang werbetechnisch noch wenig genutzt werden.

Foto: RoadAds interactive

Es ist auch durchaus denkbar, dass wir unser Plattformsystem, das bislang in der Außenwerbung einmalig ist, auf andere Werbemedien erweitern. Kleineren Werbetreibenden wird dadurch erstmals ermöglicht, Außenwerbung zu schalten ohne dass sie gleich an starre Paketpreise oder lange Laufzeiten gebunden sind.

In einem weiteren Projekt werden wir die Displays an den LKWs als zusätzlichen Informationskanal etablieren. Neben reiner Werbeschaltung sollen Informationen zur Verkehrslage, Wetterwarnungen, aber auch Benzinpreise und Sehenswürdigkeiten in der Region, durch die der LKW gerade fährt, gezeigt werden. Schon jetzt zeigen wir zum Beispiel den Hinweis „Rettungsgasse bilden“ wenn der LKW im Stau steht. Hierdurch entsteht ein zusätzlicher Nutzen für den Autofahrer.

ZV: Beschreiten Sie so den Weg in die Zukunft der Außenwerbung?

AW: Ja, auf jeden Fall. Über kurz oder lang wird die statische Plakatfläche verschwinden. Wir können die Entwicklung zu den Digitalscreens ja bereits nachvollziehen, zum Beispiel an Bahnhöfen. Wichtiger ist aber, dass sich die Art ändert, wie Werbung gebucht wird. Wir haben mit dem Self-Management einen ganz neuen Weg eingeschlagen. Mir scheint es nicht sinnvoll, eine Digitalfläche, die ich auf Knopfdruck ändern kann, über das Telefon zu buchen. Häufig muss ich mich dann auch gleich auf drei Monate verpflichten und mengenmäßig zum Beispiel einen ganzen Bahnhof auslasten. Bei Außenwerbung kommt man so im Moment schnell auf mehrere 1000 Euro. Durch diese gegenwärtigen Geschäftsmodelle werden sehr viele potenzielle Werbekunden ausgeschlossen.

Hier muss ein anderer Weg eingeschlagen werden. Onlinewerbung wurde ja dadurch attraktiv, dass jeder für zehn Euro eine Anzeige erstellen konnte. Unser kleinstes Paket kostet zum Beispiel 99 Euro mit zusätzlich 200 Freischaltungen. Das können wir nicht nur anbieten, weil unsere Flächen digital sind, sondern auch weil wir diese Flächen automatisiert online verwalten.

ZV: Was sind wichtige persönliche Eigenschaften, die man mitbringen muss, wenn man sich mit solch einer Idee selbstständig machen will?

AW: Sicherlich Leidensfähigkeit (lacht). Man verklärt das Gründerdasein ja manchmal gerne. Da ist aber sicherlich nicht alles rosig und ein Zuckerschlecken. Wir haben zum Beispiel zwei Jahre benötigt, um unser Produkt zu entwickeln. Rückschläge lassen sich nie vermeiden und man muss lernen, damit klarzukommen und weiterzumachen. Man muss Lösungen finden und darf den Kopf auch dann nicht in den Sand stecken, wenn bestimmte Dinge zwei oder drei Mal schieflaufen.

Für mich war es sicherlich auch von Vorteil, dass ich direkt aus dem Studium heraus gegründet habe und noch nicht daran gewöhnt war, Geld zu verdienen. Denn man darf nicht immer davon ausgehen, dass man in den ersten Jahren auch nur einen Cent verdient. Auf einen gut bezahlten Angestellten kann das abschreckend wirken. Insgesamt muss man sich klarmachen, was die Gründung zur Verwirklichung einer Idee bedeutet und man muss gewillt sein, das Projekt durchzuziehen.

ZV: Wir sind ja hier im Mafinex. Wie profitieren Sie von diesem Gründerzentrum?

AW: Das Mafinex Technologiezentrum ist eines von acht Gründungszentren in Mannheim. Man kann hier moderne Büroräume zu günstigen Konditionen mieten. Die Seminarräume und Gemeinschaftsflächen eignen sich sehr gut, um Kundenpräsentationen durchzuführen. Das Mafinex ist darüber hinaus in sehr viele Förderprogramme und Initiativen eingebunden, die von der Stadt ausgehen, etwa das KREATECH-Programm. Die Vermittlung dieser Programme und die Hilfe bei der Antragsstellung klappt hervorragend. Toll ist auch, dass es die Mannheimer Gründungszentren verschiedene Ausrichtungen haben. Der Austausch mit den verschiedenen Software-, Hardware- und Dienstleistungsunternehmen ist enorm wertvoll.

ZV: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Andreas Widmann

RoadAds interactive

MAFINEX-Technologiezentrum

Julius-Hatry-Straße 1

68163 Mannheim

www.roadads-interactive.de

andreas.widmann@roadads-interactive.de

 

Beitragsbild: RoadAds interactive