Erfahrung weitergeben

Günter Edelmann; Foto: Zeitenvogel

Es ist bedauerlich, wenn jahrzehnte Berufserfahrung nicht weitergegeben werden kann. Die Senioren der Wirtschaft wollen dem entgegenwirken. Zeitenvogel sprach mit Günter Edelmann, Hansheiner Lang und Reinhard Rohr über Beratung und Unterstützung bei Gründung, Unternehmensführung und Übergabe.

ZV: Herr Edelmann, wer sind die Senioren der Wirtschaft?

GE: Die Senioren der Wirtschaft sind eine gemeinnützige Organisation in Baden-Württemberg. Seit mehr als 25 Jahren beraten wir Unternehmensgründungen, aber auch laufende Unternehmen ehrenamtlich bei betriebswirtschaftlichen Problemen.

ZV: Wie sind die Senioren der Wirtschaft organisiert?

GE: Unsere 40 Berater sind regional gegliedert. Die Fälle, die uns erreichen, ordnen wir individuell einem unserer Repräsentanten zu – sowohl im Hinblick auf räumliche Nähe, als auch hinsichtlich der jeweiligen Berufserfahrung und der freien Kapazitäten unserer Berater. Einmal im Monat treffen wir uns auf einer Konferenz, auf der wir alle Fälle besprechen und uns gegenseitig durch Spezialwissen unterstützen.

ZV: Welche Branchen sind bei Ihnen vertreten?

GE: Wir Senioren der Wirtschaft sind nicht mehr berufstätig und führen keine selbständigen Tätigkeiten gegen Entgelt durch. Wir geraten so auch nicht in einen Konflikt zwischen unserer Beratung bei Senioren der Wirtschaft und irgendwelchen privaten Interessen als Berater.

Wir streben an, mit unserer Organisation alle Branchen vertreten zu können. Unsere Mitglieder stammen aus allen Bereichen, zum Beispiel Einzelhandel, Industrie, Steuerberater und Juristen. Auf unserer Homepage gibt es eine Erfahrungs- und Qualifikationsmatrix. Diese zeigt, wer in seiner beruflichen Laufbahn welche Schwerpunkte hatte.

ZV: Die erste Anlaufstelle für jemanden, der mit Ihm Kontakt aufnehmen will, ist also die Homepage der Senioren der Wirtschaft?

GE: Ja, denn auf der Homepage ist unser offizielles Anmeldeformular hinterlegt. Dieses Anmeldeformular ist ein zentraler Kontaktpunkt und dient der Ordnungsmäßigkeit unserer Beratertätigkeit. Es regelt zum Beispiel die Verschwiegenheitspflichten unserer Berater und Haftungsausschlüsse in der Beratung. Die Anfragen erreichen uns aber nicht nur über die Homepage, wir pflegen auch unsere Netzwerke und sind auf vielen Veranstaltungen präsent: Bei den IHKs führen wir Beratungstage durch, wir beraten auch Start-ups in den Jobcentern und sind Teil der Wirtschaftsförderungen in den jeweiligen Kommunen. Vielen andere Organisationen holen uns ebenso mit ins Boot.

ZV: In welchen Phasen beraten Sie die Unternehmen bzw. die Unternehmer?

GE: Wir beraten in allen Phasen, also angefangen bei der Gründung und den ersten Schritten, über Probleme bei der Unternehmensführung bis hin zu den Übergängen, also Verkauf und Kauf, von Unternehmen. Im Prinzip können wir das ganze Spektrum betriebswirtschaftliche Beratung abdecken. Wir sind aber besonders gefragt, wenn es um praktische Erfahrung geht. Die theoretischen Grundlagen können sich die Gründer mit den Informationsmaterialien der IHKs, der Startercenter und der Wirtschaftsförderungen aneignen. Wir helfen vor allem, wenn eine Idee auf ihre Plausibilität und Realisierbarkeit zu prüfen ist. Wir untersuchen dann, ob keine inneren Widersprüche bestehen und die Eigentümer eine geeignete Strategie verfolgen.

ZV: Rechtsberatung ist aber kein Teil Ihrer Beratertätigkeit?

GE: Nein, wir haben natürlich einen Überblick über juristische und steuerliche Sachverhalte. Wir sind aber keine Experten auf diesem Gebiet und bieten deshalb auch keine entsprechende Beratung an. Wir stellen aber, falls dies notwendig ist, Kontakt zu entsprechenden Spezialisten her und sorgen dafür, dass die wesentlichen Fragen dann mit deren Hilfe geklärt werden.

ZV: Was sind ihrer Meinung Grundvoraussetzungen für eine gelungene Beratung?

GE: Offenheit ist sehr wichtig. Einige unserer Mandanten wissen viel zu wenig über Betriebswirtschaft, sie verfolgen vielleicht auch etwas zu blauäugig eine Idee. Es ist dann an uns, sie auf den Boden der Tatsachen zu holen. Unser großer Vorteil ist unsere Neutralität: Wir können unseren Mandaten offen sagen, dass eine Idee eventuell keinen Sinn hat. Auch deshalb werden die sogenannten Tragfähigkeitsbescheinigungen durch die Jobcenter an uns delegiert. Wir müssen dann die Entscheidung treffen, ob etwas funktioniert oder auch nicht funktioniert.

ZV: Mit welchen Problemen sind Gründer konfrontiert?

GE: In allen Fällen geht es zunächst einmal um die Ausarbeitung eines aussagekräftigen Businessplans, der alle betriebswirtschaftlich notwendigen Elemente enthält. Die Hauptprobleme liegen aber nicht im Zahlenteil, sondern im Teil „Strategie und Marketing“: Wie kann ich meine Leistung verkaufen? Wie finde ich meine Kunden? Wie muss ich meine Preise kalkulieren? Wer sind meine Wettbewerber? Wie kann ich mich auf den Wettbewerb einstellen? Dieser sehr wichtige Teil des Businessplans wird bei den Gründungen oft vernachlässigt, weil sich die Gründer zu stark auf die einfachere Kostenplanung fokussieren.

Hansheiner Lang; Foto: Zeitenvogel

Die zweite, sehr häufige Schwachstelle ist die Finanzierung. Ohne einen guten Businessplan und eine überzeugende Story gibt es keine Finanzierung. Die Banken urteilen – mitunter im Gegensatz zu ihrer Werbung – sehr rigide und lehnen viele Finanzierungen ab. Hinzu kommt, dass in der Werbung auch die Förderbanken genannt werden. Das ist sicherlich richtig, oft wird aber nicht gesagt, dass diese Förderbanken ohne eine Hausbank nicht aktiv werden können. Somit gilt es immer wieder die Klippe der Hausbank zu umschiffen.

 

HL: Leider haben die einen oder anderen unserer Mandanten in der Vergangenheit bereits an diesen Klippen Schiffbruch erlitten – es ist bereits etwas vorgefallen und somit ist auch künftig keine Förderung durch eine Bank mehr möglich. Bei einer nicht tragbaren Vergangenheit können wir leider Gottes auch nichts machen.

ZV: Herr Rohr, was sind wichtige Eigenschaften eines Gründers?

Reinhard Rohr; Foto: Zeitenvogel

RR: Ich persönlich komme aus dem Bereich Einzelhandel. Die Eigenschaften, die hier gefordert waren, gelten auch für andere Selbständige: Einsatz zeigen, den Willen, selbständig sein zu wollen und nicht immer auf die Zeit schauen. Es gibt ja nicht ohne Grund die Formulierung „selbst“ und „ständig“. Das wird von sehr vielen Bewerbern verkannt. Wir hören in unseren Gesprächen sehr oft: „Ich habe alles probiert, ich versuche es jetzt einmal mit der Selbständigkeit“. Das geht schief.

ZV: Herr Edelmann, weshalb scheitern dann Gründer genau?

GE: Oft funktioniert das Geschäftsmodell nicht so, wie es nötig wäre, um die Miete einer bestimmten Immobilie zu erwirtschaften. Deswegen raten wir immer dazu, erst das Geschäftsmodell zu entwickeln und dann den Mietvertrag zu unterschreiben. Der zweite wichtige Punkt ist die Unterschätzung des Kapitalbedarfs: In der Anfangsphase werden vielleicht nur Verluste geschrieben, zugleich vernachlässigen die Gründer bei ihrer Kalkulation oft die eigenen Lebenshaltungskosten, insbesondere die laufenden Versicherungen, etwa Kranken- oder Kfz-Versicherung. Wir legen in der Phase der Gründung großen Wert auf eine private Ausgabenrechnung der Gründer. Nur so können wir sehen, wie sie über die Runden kommen und was Sie mindestens brauchen um mit Ihrem Unternehmen leben zu können.

ZV: Was sind Probleme, mit denen sich Ihre Mandanten in ihrer Unternehmensführung hauptsächlich konfrontiert sehen?

GE: Witzigerweise lösen wir auch ab und zu Eheprobleme, wenn beide Ehepartner in einem Unternehmen aktiv sind (lacht). Das aber nur am Rande. Sehr häufig sind Liquiditätsprobleme im Rahmen des Wachstums. Diese können auch dann entstehen, wenn Gesellschaften gut laufen. Wachstum kostet nämlich Liquidität und muss finanziert werden. Wir entwickeln dann spezielle Liquiditätsrechnungen, um den Kapitalbedarf für das Wachstum abzudecken. Hinzu tritt aber auch die Überzeugungsarbeit bei den Banken: Man muss den Banken klar kommunizieren, dass Wachstum da ist, aber auch Kapitalbedarf besteht.

ZV: Wenn wir jetzt noch einen Schritt weiter gehen: Welche Bedeutung hat die Übergabe eines Unternehmens? Gibt es einen guten Zeitpunkt dafür?

GE: Übernahmen und Übergaben sind für uns sehr wichtig. Wir können nicht allen Existenzgründern raten, von Null anzufangen. Die Übernahme eines Unternehmens kann für Gründer viele Vorteile haben. Deshalb unterstützen wir die Börse nexxt-change, die gemeinsam von der IHK und der Handwerkskammer betrieben wird. Diese Börse bietet sowohl Interessenten als auch Verkäufern einen guten Überblick mit kurzen Informationen.

Ein Problem bei Übernahmen und Übergaben ist die sehr ungewöhnliche Preisbildung. Sie erfolgt auf beiden Seiten immer erst einmal recht emotional. Es wird häufig viel Zeit damit verschwendet, die eigenen Wertvorstellungen zu interpretieren. Darauf kommt es aber eigentlich nicht an. Es wäre besser, man würde mit einer Unternehmensbewertung starten, wie sie etwa von der IHK oder der Handwerkskammer angeboten wird. So hat man einen Rahmen, in dem die Transaktion stattfinden kann. Eine Schätzung kann dann noch hinzutreten.

Ein zweites Problem, mit dem wir immer wieder konfrontiert werden, ist die zeitliche Planung. Eine Unternehmensübergabe dauert bis zu drei Jahre. Das ist ein langer Zeitraum. Wenn sich die Unternehmer erst zu spät entscheiden, ihr Unternehmen zu verkaufen, können nicht nur gesundheitliche Einschränkungen durch das Alter auftreten. Auch der Unwille gegenüber einem Verkauf kann so sehr zunehmen, dass die Übergabe zu scheitern droht. Das sind sehr menschliche Probleme. Wir können uns hier mit unserer Lebenserfahrung besonders gut einbringen, weil wir zunächst diese menschliche Dimension betrachten und nicht gleich die Zahlen und Verträge, wie es etwa Steuerberater oder Rechtsanwälte tun. Wir sind eher praktisch orientiert und versuchen so die Enden zusammenzubringen.

HL: Es ist leider oft so, dass ältere Unternehmer nicht loslassen können. Das erleben wir immer wieder bei den Beratungstagen: Sie wollen zwar verkaufen, bringen es dann aber nicht übers Herz. Es ist für sie sehr schwierig, diesen Schritt zu gehen und auch die Bücher aufzumachen. Viele scheuen den konsequenten Schnitt – sie wollen etwa als Berater im Unternehmen bleiben. Das ist aber für niemand förderlich: Der Senior ist dann nicht mit dem Nachfolger zufrieden, der Nachfolger will auch nicht ständig reingeredet bekommen. Wir von den Senioren der Wirtschaft können hier moderieren und helfen.

ZV: Empfiehlt sich also – gerade im Verhältnis der Generationen innerhalb einer Familie – eine klare Aussprache?

GE: Ja, in jedem Fall ist die Definition von Grundregeln über das weitere Vorgehen sinnvoll. Eine unserer wichtigsten Aufgaben ist es, in den Interessenlagen Ordnung zu schaffen. Beide Seiten sollten ihre jeweiligen Erwartungen in Bezug auf das Unternehmen artikulieren: Will die nächste Generation nachfolgen oder nicht? Es wird viel zu selten offen über diese Themen gesprochen. Mitunter können wir aber helfen, wenn konventionelle Berater scheitern. Eine Aussprache hilft auch dabei, ganz klar zu beschreiben, was das jeweilige Unternehmen zu etwas Besonderem macht und wo die jeweiligen Vorteile am Markt liegen.

HL: Ich selbst habe vor fünf Jahren ein Unternehmen verkauft. Ich weiß um den Stress, der damit verbunden ist, die Verhandlungen – auch mit mehreren Interessenten zugleich – möglichst diskret zu führen. Am schwierigsten war für mich, dass ich keinen neutralen Ansprechpartner hatte. Hier sehe ich einen großen Vorteil der Senioren der Wirtschaft: Mit uns als Sparringspartner können bestimmte Szenarien in einer ganzheitlichen Sicht durchgespielt werden. Das hat mir damals gefehlt.

ZV: Herr Lang, was war ihr persönlicher Antrieb, sich bei den Senioren der Wirtschaft einzubringen?

HL: Ganz einfach: die Erfahrung, die ich den über 30 Jahren meiner Selbständigkeit gesammelt habe, weiterzugeben.

ZV: Und Herr Rohr?

RR: Ich habe mir bereits zum Ausklang meines Berufslebens Gedanken macht: „Was kannst Du tun?“ Durch meine Verbindung im Einzelhandel bin über die IHK zu den Senioren der Wirtschaft gekommen. Ich glaube, ich kann für alle meine Kollegen sprechen: Wir wollen unsere vielfältigen Erfahrungen, die wir in einem erfolgreichen Berufsleben gesammelt haben, an junge Menschen weitergeben. Es macht Spaß, sie zu unterstützen.

ZV: Und Herr Edelmann?

GE: Ich sehe zwei Aspekte: Das Helfen steht im Vordergrund: Es bereitet sehr viel Freude, wenn man wirklich Unterstützung bieten kann. Zugleich ist man aber auch selbst gezwungen, sich betriebswirtschaftlich weiterzubilden. Wir tauschen uns in unserem Arbeitskreis rege mit großen Unternehmen wie IBM und SAP aus, um die neuesten Entwicklungen mitzubekommen. Wir koppeln uns nicht ab, sondern wir entwickeln uns weiter. So kennen wir uns zum Beispiel hinsichtlich des Businessplans mit der Canvas Methode gut aus. Außerdem haben wir das Coaching, das wir als Leistung anbieten, zum Sparring weiterentwickelt.

ZV: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Günter Edelmann – Hansheiner Lang – Reinhard Rohr

Senioren der Wirtschaft

Arbeitskreis e. V.

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71101 Schönaich

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