Die Zukunft gestalten

Auch Großkonzerne müssen sich heute mehr denn je immer wieder neu erfinden. Eine gute Möglichkeit bieten Innovationsprogramme, in denen Mitarbeiter und externe Start-ups zusammenarbeiten. Ein Gespräch mit Maja Malović (EnBW Energie Baden-Württemberg AG) über mehrstufige Innovationsprogramme, Mitarbeiter als Gründer und beschreibbare Wände.

 

Foto: EnBW AG

ZV: Frau Malović, welche Aufgabe haben Sie bei EnBW?

MM: Ich bin im Rahmen des Innovationsmanagements der EnBW dafür zuständig, Mitarbeiter, externe Start-ups und Studierende für die Innovationsprogramme der EnBW zu begeistern. Gemeinsam mit diesen Menschen generieren wir Ideen für neue Geschäftsmodelle.

ZV: Was ist das Besondere an den Innovationsprogrammen der EnBW?

MM: Die EnBW wandelt sich von einem traditionellen Energieunternehmen zu einem modernen Infrastrukturpartner. Sie entwickelt dabei neue Geschäftsfelder, die über Energie hinausgehen. Ein Teil dieser Strategie ist es, das Thema „Innovationen“ anders als bisher zu denken.

Wir sind nämlich davon überzeugt, dass Innovationen „innen“ beginnen: Wir wollen mit unseren Mitarbeitern neue, zukunftsfähige Geschäftsmodelle für die EnBW entwickeln und holen uns zur Unterstützung externe Start-ups hinzu. Bei der thematischen Gestaltung konzentrieren wir uns auf vier Geschäftsfelder: Urbane Infrastruktur, Vernetzte Mobilität, Connected Home und Virtuelles Kraftwerk. Diese Geschäftsfelder verantwortet das Innovationsmanagement. Das garantiert eine effiziente Bearbeitung.

 

Mitarbeiter als Unternehmer

 

ZV: Was bewegt die Mitarbeiter der EnBW, sich um eine Teilnahme an den Innovationsprogrammen zu bewerben?

MM: Ich glaube, da gibt es unterschiedliche Motivationen. Als wir 2014 damit begonnen haben, ein konzernweites Innovationsmanagement aufzubauen, war zunächst alles neu, sowohl die Programme als auch unser Innovationscampus. Das heißt, viele waren und sind auch heute noch einfach neugierig. Andere nutzen unsere Programme, um sich weiterzuentwickeln.. Denn es geht nicht nur um die Weitergabe von unternehmerischem Wissen. Persönliche Nachhaltigkeit und Zielfindung stehen bei uns ebenso auf dem Plan. Das Gute an unserem Programm ist, dass die Teilnehmer in mehreren Stufen feststellen können, ob die Unternehmerrolle wirklich etwas für sie ist. Je nachdem, wie sie sich entscheiden, haben sie die Möglichkeit, den Prozess weiterzubeschreiten oder in ihre vorherigen Funktionsbereiche bei der EnBW zurückzukehren.

ZV: Welche Innovationsprogramme gibt es?

MM: Grundsätzlich unterscheiden wir sechs Stufen: Jeder Mitarbeiter der EnBW hat erstens Zugang zu einer Ideation Box. So können Mitarbeiter aus ganz Deutschland ihre Ideen schnell und einfach online bei uns einreichen. Im Unterschied zu einem herkömmlichen KVP (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess) geben die Mitarbeiter ihre Ideen direkt in ein Business Model Canvas ein. Die Fragen motivieren dazu, die eigenen Geistesblitze bereits auszuarbeiten: Wer ist Ihr Kunde? Welche Zielgruppe haben Sie? Welchen Vorteil hat die EnBW von der Verwirklichung dieser Idee? Wie soll die neue Idee Geld einbringen? Der Mitarbeiter speichert also nicht nur eine Idee ab, sondern denkt bereits kundenzentriert und verfeinert Modelle.

ZV: Und danach?

MM: Danach haben die Mitarbeiter die Gelegenheit beispielsweise Design-Thinking-Workshops zu absolvieren. Design-Thinking eignet sich hervorragend dazu, innovative Ideen noch greifbarer zu machen. Und wenn die Mitarbeiter verstehen, dass etwas funktioniert, haben sie Lust auf mehr. Jeder Mitarbeiter kann darüber hinaus unsere Räumlichkeiten im Innovationscampus kostenlos anmieten und gemeinsam mit uns einen Tag verbringen.

 

Die Zukunft entfachen

 

ZV: Und wenn ein Mitarbeiter dann seine Idee weiterverfolgen will?

MM: Dann greift unser zentrales Innovationsprogramm „Spark the future“ oder auch „16hoch4“ genannt, das in vier Phasen eine Idee bis zur Skalierung bringen kann. Es beginnt mit dem „16 Stunden“-Programm: Dafür kommen wir an einen der EnBW-Standorte und führen zwei Tage lang Workshops mit den Mitarbeitern durch. Hier können alle mitmachen und Teil eines Teams werden – ob sie eine eigene Ideen haben oder nicht. Diese 16 Stunden sind ein guter Einstieg in das Thema Innovation. Denn die Idee wird sofort erprobt. Dafür schicken wir unsere Mitarbeiter raus zu potenziellen Kunden. Das trägt unglaublich zur Horizonterweiterung bei.

 

Im Team arbeiten; Foto: EnBW

 

ZV: Und was ist das 16-Tage-Format?

MM: Es ist die zweite der vier Phasen, in der die Mitarbeiter die Gelegenheit haben, für acht Wochen, an zwei Tagen pro Woche eine Idee kundenzentriert im Team zu bearbeiten. Vom Prototyping bis zum Pitch wird alles behandelt. Auch bei diesem Programm legen wir sehr viel Wert auf das Teambuilding. Wir haben festgestellt, dass es wichtig ist, schnell eine produktive Arbeitsatmosphäre zu haben, in der die Teams auch kritische Fragen diskutieren können.

Ein weiteres wichtiges Thema ist Nachhaltigkeit in Bezug auf die persönliche Entwicklung und den eigenen Körper. Die „16 Tage“ sind sehr stressig und für viele Mitarbeiter eine große Herausforderung. Sie arbeiten ja neben dem Programm auch weiterhin in ihren normalen Tätigkeitsbereichen im Konzern. Deshalb kann es wichtig sein, Meditationstechniken zu lernen um zur Ruhe zu kommen und Abstand zu gewinnen.

ZV: Bei den 16 Tagen bleibt es aber nicht?

MM: Nein. Als dritte Phase gibt es noch das 16-Wochen-Programm. Nach Ablauf der 16-Tage-Phase schauen wir gemeinsam mit den jeweiligen Teams, ob wir einen höheren Invest eingehen wollen. Wenn wir uns entscheiden, mit dem Team weiterzumachen, stellen wir ihm Geld für vier Monate zur Verfügung, um zu schauen, wie weit die Idee trägt. Es geht darum, die Märkte wirklich kennenzulernen und dafür brauchen die Teams Zeit. Deshalb findet das 16-Wochen-Programm in Vollzeit statt. Die Teams arbeiten die ganze Zeit mit professionellen Coaches und entwickeln so ihre Ideen weiter.

 

Erfolgreiche Ideen

 

ZV: Welche Ideen sind erfolgreich?

MM: Ein Beispiel im letzten 16-Wochen-Programm war Godspeed. Godspeed will die Dienstleistungen anderer Mobilitätsanbieter bündeln. Wenn Sie zum Beispiel von unserem Innovationscampus am Rheinhafen Karlsruhe nach Stuttgart fahren wollen, müssen Sie immer erst separat in verschiedenen Apps den Weg herausfinden und Ihre Fahrkarten buchen. Godspeed hat die Idee, dass Sie sich nur einmal anmelden und die App dann den für Sie idealen Weg zur Arbeit identifiziert und Ihnen die entsprechenden Tickets kauft. Das heißt, Sie haben nur noch eine App, die die Angebote der verschiedenen Dienstleister kombiniert.

ZV: Was passiert, wenn Sie nach den 16 Wochen von bestimmten Ideen des Teams nicht überzeugt sind?

MM: Dann stoppen wir das Projekt. Das gehört auch zum Innovationsprozess und ist die Bedingung dafür, Erfolg zu haben.

 

Auf dem Innovationscampus; Foto: EnBW AG

 

ZV: Und wenn Sie überzeugt sind?

MM: Dann geht es nach den 16 Wochen in die 16 Monate-Phase. Hier steht die Unterstützung der Start-ups bei der Skalierung im Mittelpunkt: Wachstum, Prototypen, Pilotierung. Die verschiedenen Phasen unseres Innovationsprogramm kann man sich so vorstellen, dass unsere Teams am Anfang mit einer Idee starten, die sie immer weiterentwickeln. Wir begleiten die Teams vor allem in den mittleren Phasen sehr intensiv. In den letzten Phasen stoßen dann Experten und Mentoren hinzu, um die Teams bestmöglich zu unterstützen.

ZV: Ist das Ziel dieser sechs Schritte die Ausgründung?

MM: Nein, nicht per se. Wir gründen nur aus, wenn das Geschäftsmodell wirtschaftlich tragfähig ist. Deshalb prüfen wir, ob das entsprechende Start-up schon so weit ist, am Markt alleine bestehen zu können und ob dadurch der richtige Rahmen für das Start-up geschaffen werden kann. Ab einer bestimmten Phase geht es nämlich nicht nur um Ideen und Kunden-Feedback. Dann geht es auch um die Zahlen.

Ein schönes Beispiel dafür ist SMIGHT. Das Team entwickelt digitale Lösungen für die Smart City, um die Lebensqualität im öffentlichen Raum nachhaltig zu steigern. Dazu gehören Themen wie Elektromobilität, Public WLAN, Verkehrs- und Parkraummanagement sowie Smart-Grid-Anwendungen.

 

Der Innovationscampus der EnBW

 

ZV: Bleiben die Start-ups hier am Innovationscampus?

MM: Nein. Es ist uns wichtig, dass die Mitarbeiter in frühen Phasen des Innovationsprozesses ihre gewohnte Umgebung verlassen. Sie sollen nicht zwischen zwei Welten hin und her pendeln müssen, sondern sich ganz auf ihre Arbeit fokussieren können. Das Design unserer Räume auf dem Innovationscampus unterstützt die Mitarbeiter dabei, anders zu denken, offener zu sein und die Scheuklappen abzulegen. In späteren Phasen – nach dem Ende der 16 Wochen-Phase – gehen die Mitarbeiter dann wieder an ihre jeweiligen Standorte zurück und arbeiten von dort aus. Eine andere Möglichkeit ist der Company Builder der EnBW in Stuttgart. Dieser unterstützt die Projekte in der Skalierungsphase, wenn es um Mentoring und Coaching geht.

ZV: Was bieten Sie hier am Innovationscampus an?

MM: Der Standort des Innovationscampus ist geschickt gewählt: in der Nähe des Konzernsitzes, aber nicht direkt daneben. So können die Mitarbeiter ihre gewohnte Umgebung verlassen und in eine andere, inspirierende Welt treten. Die gesamte Inneneinrichtung soll das widerspiegeln: Die Wände sind beschreibbar und motivieren dazu, visuell zu arbeiten: Man muss erst lernen, alles, was man an Ideen im Kopf hat, auch aufs Papier oder an die Wände zu bringen. Wir haben hier am Campus regelmäßige Events, nicht nur zu Fachthemen, sondern auch gemeinsame Grillabende, Challenges und Ähnliches. Das ist für einen gelingenden Innovationsprozess sehr wichtig.

 

EnBW

Die Wände beschreiben; Foto: EnBW AG

 

ZV: Kann man auch als externes Start-up an diesen Veranstaltungen teilnehmen?

MM: Ja, das ist seit letztem Jahr möglich. Wir haben bisher viel mit EnBW-Mitarbeitern gearbeitet. Für manche Themen kann es aber sinnvoll sein, auch externe Start-ups oder Studierende zu integrieren. Wir haben gesehen, dass wir so das Beste aus zwei Welten kombinieren: Die internen Mitarbeiter mit ihrer Expertise und die externen Start-ups oder Studierenden, die einen anderen Schwung reinbringen und viele neue Ansätze mitbringen. Deshalb können externe Bewerber vom ersten Tag an in unsere Programme einsteigen und gemeinsam mit uns neue Ideen entwickeln. Wir haben einige Projekte, die genau durch diese Mischung erfolgreich sind.

ZV: Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

MM: Ein Beispiel ist LIV-T. Ein EnBW-Mitarbeiter begann zusammen mit einem externen Start-up, den Stand von Heizöltanks in Privathaushalten zu tracken und mit entsprechenden Angeboten zu verknüpfen. Das ist eine tolle Erfolgsgeschichte: Wir haben LIV-T ausgegründet und der ehemalige EnBW-Mitarbeiter hat sich Anteile gekauft und ist jetzt Geschäftsführer seines eigenen Unternehmens.

ZV: Können die Mitarbeiter auch in den EnBW-Konzern zurückkehren?

MM: Ja. Die Mitarbeiter sind bis zu der 16-Monate-Phase abgeordnet, das heißt, sie werden für die vorherigen Phasen meist zu 50 Prozent freigestellt. Das ist sowohl für den Mitarbeiter gut, der sehen kann, ob der gesamte Innovationsprozess etwas für ihn ist. Es ist aber auch gut für uns, weil wir nicht im Voraus wissen, ob die Geschäftsidee durchführbar ist. Wenn wir aber nach den 16 Wochen eine Idee geprüft haben, wissen wir genau, ob ein Markt vorhanden ist und ob wir mit dem Team weitergehen und auch investieren wollen.

 

Alt und neu am Rheinhafen Karlsruhe; Foto: EnBW

 

ZV: Wie kamen Sie zum Innovationsmanagement?

MM: Vor meiner Zeit im Innovationsmanagement war ich bereits bei der EnBW, im Controlling, der Strategieabteilung und den Operations tätig. Ich kannte also die Strukturen des Konzerns recht gut. Dann kam das Innovationsmanagement. Als ich sah, dass hier etwas Neues entsteht, wurde ich neugierig. Für mich war klar, dass ich das kennenlernen und mich weiterentwickeln wollte. Jetzt habe ich die Freiheit, an Themen zu arbeiten, die es vorher nicht gab.

ZV: Vielen Dank für das Gespräch.

 

 

Maja Malović

Inkubation & Geschäftsmodellentwicklung

Innovationsmanagement

EnBW Energie Baden-Württemberg AG

InnovationsCampus 2

Fettweisstraße 42 C

76189 Karlsruhe

https://www.enbw.com

m.malovic@enbw.com

 

 

Beitragsbild: EnBW AG