Ein neues Flugkonzept

Foto: Hybrid-Airplane GmbH

Auch in der Luft werden neue Formen der Mobilität entwickelt. Elektromobilität und autonomes Fliegen sind kommende Megatrends. Der h-aero geht noch weiter: Das neue Flugkonzept vereint die Vorteile von Hubschrauber, Flugzeug und Ballon. Zeitenvogel sprach mit Csaba Singer (Hybrid-Airplane GmbH) über terrestrische Satelliten, ultraleichte Solarzellen und Umweltschutz.

ZV: Herr Singer, was ist der h-aero?

CS: Der h-aero ist ein Hybridflugzeug, das aus einer mit Helium gefüllten linsenförmige Hülle besteht, an deren Seiten drehbare Flügel angebracht sind. Dieses neue Flugkonzept kombiniert die Vorteile von Hubschrauber, Flugzeug und Ballon.

ZV: Wie unterscheidet sich der h-aero von diesen traditionellen Flugkonzepten?

CS: Anders als ein Flugzeug kann der h-aero senkrecht starten, auf der Stelle drehen und schweben. Er benötigt keine Start- und Landebahn. Von einem Hubschrauber unterscheidet sich der h-aero vor allem durch seinen Energieverbrauch. Die heutigen Drohnen nutzen eigentlich eine Hubschraubertechnologie mit vier Rotoren. Dem h-aero verleiht hingegen eine Gaszelle Auftrieb, so reduziert sich sein Energieverbrauch signifikant. Im Vergleich zu einem Ballon ist die Hülle des h-aero wesentlich aerodynamischer und somit weniger windempfindlich. Außerdem kann der h-aero dank seiner Flügel manövrieren.

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Unser Flugkonzept unterscheidet sich aber nicht nur hinsichtlich dieser technischen Fragen, sondern auch hinsichtlich der Entwicklungszeit und des Entwicklungsaufwands. Die Flugkonzepte der Vergangenheit mussten faktisch sofort Personen transportieren können. Wir haben heute Fernbedienungen zur Verfügung und können deshalb mit kleineren Modellen beginnen und diese schrittweise zu größeren Modellen fortentwickeln. So minimieren wir Risiken technischer und finanzieller Art bei einer zugleich steilen Lernkurve.

ZV: Was kann der h-aero leisten?

CS: Unsere drei aktuellen Prototypen können 500 Gramm, 900 Gramm oder drei Kilo tragen. Ihre Höchstgeschwindigkeit beträgt 15 Kilometer pro Stunde. Unser größter Prototyp kann bis zu fünf Stunden in der Luft bleiben. Die Reichweite ergibt sich bei der Verwendung des h-aero als terrestrischer Satellit oder Sonde vor allem durch die Windstärke: Wenn man mit einem Wind von 30 Kilometer pro Stunde zum Beispiel fünf Stunden reist, kann man bis zu 150 Kilometer weit fliegen.

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ZV: Sie planen ja auch, den h-aero mit Solarzellen auszustatten.

CS: Ja, wir haben gemeinsam mit dem Institut für Photovoltaik an der Universität Stuttgart ultraleichte Solarzellen produziert. Wir wollen sie dieses Jahr auf unseren Träger montieren um einen Nonstop-Flug zu realisieren. Hierfür erhielten wir das EXIST-Gründerstipendium des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und den Innovationsgutschein des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg. Wir hoffen, dass wir mit einer weiteren Förderung durch einen Innovationsgutschein nun die Solarzellen testen können.

ZV: Ausgestattet mit Solarzellen ist die Reichweite des h-aero ja primär durch das Gas limitiert. Wie lange hält sich das Gas in der Zelle?

CS: Die von uns verwendeten Heliumgaszellen sind hochdicht. Wir verwenden eine spezielle Folie, die von unseren Partnern verarbeitet wird. Ein Vergleich kann illustrieren, wie dicht unsere Folie ist: Ein normaler Kinderballon kommt nach etwa sieben Tagen von der Decke, ein Ballon aus unserer Folie aber erst nach circa einem Monat.

ZV: Wie lange dauert der Aufbau des h-aero?

CS: Der Aufbau des h-aero dauert für routinierte Mitarbeiter 15 bis 20 Minuten, wenn alle Komponenten bereitstehen. Wir transportieren den h-aero aber oft auch faktisch flugbereit mit einem Sprinter. Dann sind wir in fünf Minuten flugbereit. Wir haben doch eine hochdichte Gaszelle. Warum sollten wir dann jedes Mal das Gas ablassen?

ZV: Wie steuert man den h-aero?

CS: Aktuell fliegen wir noch manuell, obwohl wir bereits autonome Flugsequenzen getestet haben. Das Fluggerät ist eine linsenförmige Hülle mit zwei Flügeln an den Seiten. Diese Flügel können wir um 180 Grad drehen. In der Neutralstellung weisen sie nach oben und entwickeln über die Rotoren Schub nach unten, ähnlich wie bei Quadrocoptern oder Multikoptern.

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Wir können die Flügel aber auch rotationssymmetrisch zur Gesamtkonfiguration verstellen oder eben spiegelsymmetrisch, dadurch entsteht eine hubschrauberartige Rotations- bzw. Translationsbewegung. So kann man mit dem h-aero je nach Bedarf aus einer Vielzahl möglicher Flugmanöver wählen, vom Schweben auf der Stelle bis zum längeren Vorwärtsflug. Der h-aero ist sehr agil, wir könnten zum Beispiel hier ohne weiteres eine Flasche auf einem Kaffeetischchen absetzen.

ZV: Welche Anwendungsmöglichkeiten bietet der h-aero?

CS: Wir haben uns mit dem h-aero jene Nischen ausgesucht, in denen andere Fluggeräte keine Anwendung finden können. Im Gegensatz zum h-aero dürfen normale Drohnen zum Beispiel über Menschenmengen und indoor nicht eingesetzt werden. Der h-aero ermöglicht hingegen die Sicherung und Überwachung dieser Events.

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Hinzu treten dann noch die industriellen Anwendungen wie die Inspektion von Tunnel- und Schachtanlagen, Kraftwerken oder Schornsteinen. Im outdoor-Bereich kann der h-aero zum Beispiel große Agrarflächen wie in den USA und Australien vermessen und so bemannte Messflüge überflüssig machen. Ähnliches gilt für den Umweltschutz oder die biologische Erforschung ausgedehnter Urwaldgebiete. Künftig kann der h-aero auch als terrestrischer Satellit in der Stratosphäre eingesetzt werden und Telekommunikations-Satelliten ersetzen. So würde auch die Menge künftigen Weltraumschrotts reduziert – unsere Geräte sind wiederverwendbar.

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ZV: Welche Materialien verwenden Sie?

CS: Unser Spezialgebiet ist der Ultraleichtbau. Die von uns verwendeten ultraleichten Materialien stammen ursprünglich aus der Luft- und Raumfahrttechnik. In den letzten Jahren wurden sie vor allem in den Extremsportarten weiterentwickelt. Deshalb sind sie heute recht günstig.

ZV: Ist der h-aero windempfindlich?

CS: Sicherlich ist der h-aero windempfindlicher als ein Multikopter, allerdings bietet die aerodynamische Hülle dem Wind nicht so viel Angriffsfläche wie dies etwa bei Wetterballons der Fall ist. Dennoch planen wir unsere Einsätze nach günstigen Wetterprognosen.

ZV: In welche Richtung wollen Sie den h-aero weiterentwickeln?

CS: Künftige Entwicklungsschritte werden wir möglichst konservativ angehen. Die Vergangenheit der Leichter-als-Luft-Technologie zeigt nämlich, dass hier größere technische und finanzielle Risiken bestehen, die wir minimieren wollen. Grundsätzlich entwickeln wir erst kleinere Exemplare des h-aero, die wir dann zu größeren weiterentwickeln. Unsere Strategie ist es, jährlich bis zweijährlich eine Größenordnung größer zu werden: 10 Kilogramm, dann 25, 50 und schließlich 75 Kilogramm. Somit ist es möglich, in drei bis fünf Jahren beim bemannten Flug zu sein.

ZV: Wie entstand Ihr Unternehmen?

CS: Unsere Geschichte reicht doch einige Jahre zurück. Wir konnten zuerst zusammen mit den Kollegen vom Institut für Statik und Dynamik der Luft- und Raumfahrtkonstruktionen (ISD) bei Professor Bernd-Helmut Kröplin und dann im Unternehmen Trans Atmospheric Operations bei Cargolifter Erfahrungen mit Höhenplattformen sammeln. Später hatte ich die Möglichkeit, mich beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) eingehender mit der technischen Seite der regenerativen Energien zu beschäftigen. Die Gründung unseres Unternehmens Ende 2016 führte diese beiden Stränge – die Fliegerei und die erneuerbaren Energien – zusammen.

ZV: Was sind Ihre Wünsche für die nähere Zukunft?

Foto: Hybrid-Airplane GmbH

CS: 2012 konnten wir mit der NASA Kooperationen diskutieren, letzte Woche konnten wir in Reutlingen die Eröffnung des neuen ESA Business Incubation Centre enthüllen. Jetzt gehen wir daran, den h-aero in der gegenwärtigen Größenordnung als terrestrischen Satelliten zu realisieren. Wir sind nicht nur für finanzielle Unterstützung durch Investoren, sondern auch für jede Form gesellschaftlichen und politischen Rückenwinds dankbar.

ZV: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Dr.-Ing. Csaba Singer

Hybrid-Airplane GmbH

Lichtentalerstr. 14

76530 Baden-Baden

http://www.hybrid-airplane.com

csaba.singer@hybrid-airplane.com

Beitragsbild: Hybrid-Airplane GmbH