Erneuter Dämpfer für die Konjunktur

Die konjunkturelle Belebung im Frühsommer machte noch Hoffnung auf einen selbsttragenden Aufschwung. Doch diese Erwartung wurde enttäuscht. Das ist das zentrale Ergebnis der aktuellen Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Darmstadt Rhein Main Neckar, für die sie rund 900 Unternehmen aus der Region befragt hat.

Insbesondere der Industrie geht es schlecht, sie verzeichnet zum wiederholten Mal weniger Aufträge aus dem In- und Ausland. Vor diesem Hintergrund sieht sich die Industrie zum Stellenabbau gezwungen. Dienstleister mit Unternehmenskunden in der Industrie sprechen ebenfalls von Auslastungsproblemen. Sehr unzufrieden mit der Geschäftslage ist auch der Einzelhandel. Zwar steigen die Reallöhne der Verbraucher, aber mit Konsumausgaben halten sich die Konsumenten weiter zurück. Auf die kommenden Monate blickt die große Mehrheit der Unternehmen weiterhin skeptisch.

 

Geschäftsklimaindex deutlich unter Wachstumsschwelle

 

Der IHK-Geschäftsklimaindex fasst Lage und Erwartung der Unternehmen zusammen. Gegenüber Frühsommer 2024 verliert der Index sieben Punkte, sodass er aktuell 89 Punkte beträgt. Ihre aktuelle Geschäftslage beurteilen noch ein Viertel (24 Prozent) der befragten Unternehmen als gut, 48 Prozent als befriedigend, 28 Prozent als schlecht. Im Vergleich zum Frühsommer gibt der Lagesaldo neun Punkte ab. Er liegt jetzt bei minus vier Prozentpunkten. „Die kurz anziehende Konjunktur im Frühsommer war leider nur ein Strohfeuer“, sagt Robert Lippmann, Hauptgeschäftsführer der IHK Darmstadt Rhein Main Neckar. „An den strukturellen Nachteilen des Standortes Deutschland, insbesondere für die Industrie, hat sich nichts geändert. Wachstumsimpulse bleiben aus“, mahnt Lippmann.

Die Erwartungen der Unternehmer an die nächsten Monate sind skeptisch bis negativ. Nur 13 Prozent der Unternehmen rechnen mit einer Verbesserung der Situation, 56 Prozent glauben, dass es so bleibt, wie es ist. Knapp jedes dritte Unternehmen (31 Prozent) geht davon aus, dass es noch schlechter wird. Damit verliert der Erwartungssaldo sechs Prozentpunkte. Mit minus 18 Prozentpunkten liegt er im tiefroten Bereich. „So viel Pessimismus hatten wir seit den Coronajahren nicht mehr. Es gibt weiter zu viele Risiken, die die Zukunftserwartungen der Unternehmen belasten“, sagt Lippmann.

Als größtes Risiko für die weitere wirtschaftliche Entwicklung sehen die Unternehmen die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. 61 Prozent der Unternehmen sind dieser Meinung, drei Prozentpunkte mehr als im Frühsommer. Selten stand die Wirtschaftspolitik so im Fokus. „Mit dem Bürokratieentlastungsgesetz bleibt die Politik deutlich hinter den Erwartungen zurück, was den angekündigten Bürokratieabbau angeht. Hier muss deutlich mehr kommen“, fordert Robert Lippmann und nennt als Beispiel nicht nur schleppende Genehmigungsverfahren, die es Unternehmen schwer machen, am Standort Deutschland zu investieren. Auch die schon seit Monaten nicht zu Ende gebrachte Diskussion um eine Aussetzung des deutschen Lieferkettengesetzes würde Zweifel an der Ernsthaftigkeit der politischen Bemühungen um Deregulierung mit sich bringen.

Am zweithäufigsten nennen die Unternehmen die Inlandsnachfrage als Risiko (58 Prozent der Nennungen, minus vier Prozentpunkte), Folge der zunehmenden Unsicherheit um die weitere wirtschaftliche Entwicklung. An dritter Stelle der Risikofaktoren steht der Fachkräftemangel (54 Prozent, minus ein Prozentpunkt). „Trotz deutlicher Verbesserungen im Fachkräfteeinwanderungsgesetz nehmen Unternehmen in der Praxis nach wie vor zu viele Hürden wahr. Wir müssen in der Breite zu Lösungen kommen, mit denen Unternehmen schnell und unbürokratisch Fachkräfte aus dem Ausland rekrutieren können, die hier nicht verfügbar sind.“

Bei Investitionen stehen die Unternehmen weiter auf der Bremse. Knapp jedes fünfte Unternehmen (18 Prozent) will mehr investieren, 38 Prozent planen Kürzungen. Damit gibt der Investitionssaldo ein weiteres Mal ab, diesmal um zwölf Punkte. „Das ist ein Trend, der ernsthafte Sorgen bereiten muss, auch auf politischer Ebene“, sagt Robert Lippmann. „Der Bürokratie- und Regulierungseifer ist für die Investitionsmisere mitverantwortlich. Bürokratie bindet bei Unternehmen Ressourcen, die dann für Zukunftsinvestitionen fehlen. Und sie macht Prozesse übermäßig lang, sodass Unternehmen der Planungshorizont verloren geht“, betont er. „Die Unternehmen brauchen ein deutliches Aufbruchssignal, um wieder durchstarten zu können: Bürokratieabbau, wettbewerbsfähige Energiepreise durch Begrenzung der Netzentgelte, schnellere Genehmigungen und niedrigere Steuern, wobei die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlages große Symbolkraft hätte.”

Skepsis und Unsicherheit ziehen auch die Beschäftigungspläne der Unternehmen in Mitleidenschaft. Nur elf Prozent der südhessischen Unternehmen sind auf Personalsuche, jedes vierte Unternehmen (26 Prozent) sieht sich gezwungen, Personal abzubauen. „Unter den Unternehmen mit Abbauplänen sind auch einige größere Unternehmen“, ergänzt IHK-Konjunkturexperte Dr. Peter Kühnl. „Bislang hatte die schwächelnde Konjunktur kaum Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, „das dürfte sich jetzt ändern“.

 

Standort vernachlässigt

 

Aufhorchen lässt eine Studie der deutschen Auslandshandelskammern. Laut AHK World Business Outlook blicken die deutschen Unternehmen im Ausland deutlich positiver und optimistischer auf die Entwicklung der Wirtschaft als die Firmen am Standort Deutschland. „Das ist ein weiteres Alarmsignal“, ordnet Robert Lippmann ein, und verdeutlicht: „Den deutschen Unternehmen geht es in der Substanz gut, und sie sind zuversichtlich – weltweit, nur eben zuhause nicht. Das zeigt: Unsere Produkte und unsere Dienstleistungen sind global gefragt und wettbewerbsfähig. Es sind die politisch zu beeinflussenden Standortfaktoren, die den Unterschied machen. Hier muss die Politik liefern, deutlich mehr und deutlich besser als in den vergangenen Jahren. Wir brauchen den großen Wurf, kein weiteres Klein-Klein.“

 

Quelle: IHK Darmstadt Rhein Main Neckar

 

 

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