Kritik am Mannheimer Klimaschutzaktionsplan

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar hat zum Klimaschutzaktionsplan (KSAP) 2030 der Stadt Mannheim eine umfangreiche Stellungnahme eingereicht. Der KSAP geht zur Diskussion in die verschiedenen Ausschüsse und anschließend zur Abstimmung in den Gemeinderat. „Die Gemeinderäte stehen vor schwierigen Beratungen und Entscheidungen mit möglicherweise langfristig gravierenden Folgen. Der vom Wuppertal-Institut vorgelegt Plan ist eher eine Ideensammlung als ein strategisches Konzept. So sind die Maßnahmen weder mit Blick auf die gewünschten Emissionseinsparungen, noch auf die Kosten durchgängig bewertet. Das verhindert dann die notwendige Priorisierung“, gibt IHK-Präsident Manfred Schnabel zu bedenken. So fehle auch die grundlegende Unterscheidung von Maßnahmen mit direktem Klimaeffekt im Sinne von CO2-Reduktionen und Maßnahmen zur Vorbeugung der Klimawandelfolgen.

 

Verlagerung von Produktion befürchtet

 

Als problematisch erachtet die IHK in ihrer Stellungnahme, dass der Plan sowohl die gesetzgeberisch nur sehr begrenzte Handlungsfähigkeit einer Kommune als auch die bestehende Regulatorik zum Abbau von CO2-Reduktionen weitgehend außer Acht lasse. „Der Klimaschutzaktionsplan formuliert Klimaneutralität bis 2030. Das sind 15 Jahre vor den national und europaweit abgestimmten Zielen“, mahnt Schnabel. Der kommunale Ansatz des KSAP blende dabei die Wirkung des Preismechanismus für Emissionszertifikate aus, für den die EU sich entschieden hat. Eine Tonne CO2, die in der Stadt eingespart wird, kann an anderer Stelle in Europa emittiert werden, weil die Gesamtemissionen allein durch die Zahl der Zertifikate bestimmt wird. „Der Klimaschutzaktionsplan nimmt auf solche Zusammenhänge kaum Rücksicht, im schlimmsten Fall könnte er zur Verlagerung von Produktion und damit Wertschöpfung aus Mannheim weg beitragen – ohne europaweit eine einzige Tonne CO2 einzusparen“, erklärt der IHK-Präsident. Er erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass insbesondere Industrieunternehmen in intensivem nationalem und internationalem Wettbewerb stehen, sodass kommunale Sonderlasten zum Verlust von Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen am Standort führen.

 

Umland nicht berücksichtigt

 

Problematisch sei auch, dass das Umland nicht berücksichtigt werde. „In unserer Stromstudie für die Metropolregion haben wir gerade gezeigt, dass in den Städten der Energiebedarf besonders groß ist, dort aber gleichzeitig die geringsten Potenziale für den Ausbau der Erneuerbaren Energien bestehen“, sagt Schnabel. Wichtiger als kommunale Ansätze sei daher ein regionaler Schulterschluss, um mehr Windkraft und Photovoltaik in die Region zu bringen. Die Stadt sollte auf das Umland zugehen. „Regionalpolitisch geht es um einen fairen Interessensausgleich hinsichtlich Entwicklungsflächen und Strukturmitteln. In einer neuen Form der Zusammenarbeit liegt für alle Teilregionen ein riesiges Potenzial“, so Schnabel.

 

Verfahren für Klimaschutzaktionsplan unzulänglich

 

Die Defizite an Strategie und Inhalt des vom Wuppertal-Institut erstellten Plans lassen sich laut IHK in Teilen auch durch das gewählte Verfahren erklären. Die Wirtschaft wurde – gemessen an ihrer Lösungskompetenz – nur unterdurchschnittlich am Verfahren beteiligt – und auch dies nur auf massiven Druck der IHK Rhein-Neckar. Umweltschutzgruppen hingegen weit überdurchschnittlich. „Das mag hilfreich sein, um ein hohes Ambitionsniveau in den KSAP hineinzuschreiben, nicht aber bei den Vorschlägen zur späteren Umsetzung“, so der IHK-Präsident. Irritierend sei auch, dass die sogenannten „Strategiegruppen“– zur Überraschung aller Teilnehmer – jeweils nur ein einziges Mal getagt haben. „Echte Strategiediskussionen, in denen der Wert einzelner Maßnahmen reflektiert und eine Priorisierung vorgenommen wurde, hat es nicht gegeben“, bilanziert Schnabel.

„Es ist unklar, wie der Gemeinderat mit dieser Vorlage nun umgehen wird. Unzulänglichkeiten im Verfahren und Defizite in den Ergebnissen werden sich kaum in einigen Sitzungen heilen lassen“, so der IHK-Präsident. Erschwerend für die Gemeinderäte kämen die mit dem KSAP verbundenen Risiken für den Haushalt hinzu. Es sei zu fragen, wie viele zusätzliche Stellen und Finanzmitteln notwendig sind, um den KSAP in vorliegender Form umzusetzen. „Die Gemeinderäte werden insgesamt zu bewerten haben, wie sich die ambitionierten Klimaschutzziele zu anderen legitimen Interessen der Stadtgesellschaft verhalten. Hier sind schwierige Ressourcenkonflikte mit anderen gleich wichtigen Zielen absehbar“, so Schnabel. Schattenhaushalte zur Finanzierung des KSAP dürfe es nicht geben. „Als IHK werden wir in jedem Fall darauf achten, dass die Transparenz in der Bewertung der Maßnahmen gewährleistet ist und wir werden genau verfolgen, wie die Verwaltung die Maßnahmen mit Wirtschaftsbezug umsetzt“, so der IHK-Präsident.

 

Krisenmodus nicht in Rechnung gestellt

 

Herausfordernd sei zudem die Frage, wie die Auswirkungen des russischen Überfalls auf die Ukraine berücksichtigt werden könnten. „Im Moment sind wir im absoluten Krisenmodus. Das gilt für die Bundes- und Landesregierungen genauso wie für die Wirtschaft. Im KSAP hingegen findet sich nichts von dieser neuen Welt. Das ist ein gravierender Punkt, da dessen Ziele das Jahr 2030 ins Auge fassen. Das ist in sieben Jahren und zweieinhalb Monaten“, sagt Schnabel. Wirtschaft und Politik würden aber noch mindestens zwei Jahre komplett mit Krisenbewältigung zu tun haben. Das heiße nicht, dass jetzt keine Klimaschutzpolitik stattfinde, ganz im Gegenteil: Der Ausbau der Erneuerbaren werde richtigerweise verstärkt. „Es verändert aber komplett bisherige Zeitpläne, beispielsweise was die Abschaltung von Kohlekraftwerken betrifft. Das ist aus Versorgungssicht richtig, führt aber kurzfristig zu höheren CO2-Emissionen“, so der IHK-Präsident abschließend.

 

Quelle: IHK Rhein-Neckar

 

 

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