Mobilität managen

Heidelberg ist Deutschlands Pendlerhauptstadt. Die schwierige Verkehrssituation in der Metropolregion Rhein-Neckar beeinträchtigt nicht nur die private Lebensgestaltung. Auch die wirtschaftliche Dynamik der größten Unternehmen beruht auf der Mobilität ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Staus führen zu Stress und wirtschaftlichen Schäden. Nun werden aber die großen Unternehmen der MRN zunehmend aktiv und experimentieren mit innovativen Lösungen.

 

Auf dem Weg zu einer verkehrstechnischen Modellregion

 

Wie kann es gelingen, eine verkehrstechnische Modellregion entstehen zu lassen, in der die Zukunft Gestalt annimmt? Diese Frage stellte sich ein Workshop, der am gestrigen Dienstag, 27.11.2018 von Manfred Grix (Wirtschaft in Bewegung) in Kooperation mit der IHK Rhein-Neckar stattfand. Über 30 große und mittelständische Unternehmen aus der Region tauschten sich im Hause der Heidelberger Druckmaschinen AG über ihre Möglichkeiten aus, die lokale Verkehrssituation zu verbessern.

Am Abend lud dann der Verein Urban Innovation – Stadt neu denken! e.V. zu einer Podiumsdiskussion „Pendeln in der Metropolregion neu denken! Was können Unternehmen beitragen?“ in das Urban Innovation Center Heidelberg. Unter der Moderation von Andreas Gottschalk (Mitglied des Vorstandes Urban Innovation e.V.) stellten ausgewiesene Experten des betrieblichen Mobilitätsmanagements ihre neuen Modelle vor und diskutierten die konkreten Auswirkungen auf die Heidelberger Verkehrssituation.

 

Der alltägliche Stauwahnsinn

 

In seinem Impulsvortrag „Der alltägliche Stauwahnsinn in der Metropolregion Rhein-Neckar. Gedanken zur Pendlerproblematik und zu Lösungsansätzen im Betrieblichen Mobilitätsmanagement“ verdeutlichte Matthias Nuessgen (Urban Alternatives in Heidelberg) die Dringlichkeit der Probleme: Heidelberg sei nicht nur Hauptstadt der Ein-, sondern auch der Auspendler. Die Stadt stehe aber bei weitem nicht alleine auf weiter Flur: Die längsten und intensivsten Pendelbewegungen fänden rund um die großen Metropolen und Metropolregionen sowie zwischen ihnen statt. Besonders problematisch sei die Art der gebrauchten Verkehrsmittel: 67 Prozent der Pendler nutzten den motorisierten Individualverkehr. Die entstehenden Staus beträfen allerdings sowohl den ÖPNV als auch den Individualverkehr. Lösungsoptionen seien jedoch nicht einfach auszumachen. Sicherlich gehe es nicht ohne ein verbessertes Angebot des ÖPNV in Bezug auf Qualität und Netzdichte. Auch Modelle der shared mobility würden in Zukunft wichtiger werden. Entscheidend für eine Verbesserung der Situation sei neben der Kooperation von Arbeitgebern und Arbeitnehmern im betrieblichen Mobilitätsmanagement aber letztlich doch der politische Wille.

 

Neue Angebote im betrieblichen Mobilitätsmanagement

 

Die Podiumsdiskussion konnte an diese Linien anschließen. Lukas Bonn (SAP SE), Dr. Barbara Endell (Heidelberger Druckmaschinen AG), Patrick Fierhauser (Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis) und Thomas Sillmann (Rhein-Neckar-Verkehr GmbH) stellten vielversprechende Ansätze zu einer Entspannung der Situation vor: etwa eine Entzerrung der Arbeitszeiten mit besser über die Woche verteilten Möglichkeiten für Homeoffice-Lösungen der Arbeitnehmer oder die verbesserte Integration von Fahrrädern in das Mobilitätsangebot. Diese Modelle könnten jedoch weder grenzenlos flexibel sein, noch könnten sie autoritativ verordnet werden: Auch die Belange des jeweiligen Unternehmens und die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Arbeitnehmer müssten Berücksichtigung finden. Eine gute Kommunikation und Moderation von Mobilitätsalternativen sei der Schlüssel zu tragfähigen Lösungen.

Der öffentliche Nahverkehr ist, das wurde in der Diskussion deutlich, im Großraum Heidelberg bereits recht gut ausgebaut. Auch erfolgten kontinuierliche Verbesserungen in Netzabdeckung und Qualität des Angebots. Dennoch stoße der ÖPNV an Grenzen: Mitunter seien Kapazitätsgrenzen erreicht und kurzfristige Lösungen nicht immer möglich. Eine enge Kooperation von Verkehrsunternehmen, Arbeitgebern und Arbeitnehmern sei deshalb unumgänglich. Der Mobilitätspakt biete hierfür zumindest einen Rahmen. Angebote der shared mobility seien hingegen zweischneidig: auf der einen Seite böten sie zwar sinnvolle Ergänzungen, man dürfe auf der anderen Seite jedoch nicht vergessen, dass diese Anbieter letztlich gewinnorientiert und eben nicht per se dem Gemeinwohl verpflichtet seien.

 

Wiesloch-Walldorf und die ICEs

 

An zwei Punkten wurde in der Diskussion sehr konkret erkennbar, wo „der Schuh drückt“: Erstens scheint ein Brennpunkt der Pendlerproblematik nach Meinung aller Diskussionsteilnehmer in der Tat der Raum Schwetzingen-Wiesloch-Walldorf zu sein. Hier seien weitere Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur dringend notwendig. Zweitens habe die Umstellung der IC-Verbindungen nach Wiesloch-Walldorf auf ICEs dazu geführt, dass diese Züge nicht mehr durch das Jobticket abgedeckt seien. Hier seien politische Lösungen gefordert.

Der Workshop und die Abendveranstaltung boten, das machten nicht zuletzt die Schlussworte von Lutz Hager (Zweiter Vorsitzender von Urban Innovation e.V.) deutlich, nicht nur die Möglichkeit eines Austausches zwischen Politik, ÖPNV und Unternehmen, sondern könnten auch dauerhafte Netzwerke begründen, um Lösungen für das betriebliche Mobilitätsmanagement der Zukunft zu finden.

 

Weitere Informationen zur Veranstaltung unter https://www.facebook.com/urbaninnovationev/

 

Ansprechpartner:

Andreas Gottschalk, Mitglied des Vorstandes von Urban Innovation e.V.

andreas.gottschalk@urbaninnovation.de

 

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