Mobilität neu denken

Heidelberg ist Deutschlands Pendlerhauptstadt. Die schwierige Verkehrssituation prägt die Diskussionen der städtischen Politik. Lösungen können jedoch nur unter Einbeziehung der regionalen Pendler- und Verkehrsflüsse gelingen. Es sind nicht nur infrastrukturelle Maßnahmen gefragt, sondern auch neue Formen der Mobilität.

Am gestrigen Dienstagabend (20.2.2018) lud der Verein URBAN INNOVATION – STADT NEU DENKEN! e.V. zu einer Podiumsdiskussion „Mobilität in der Region neu denken!” in das Urban Innovation Center Heidelberg. Ingolf Gürtler (Verkehrsclub Deutschland e.V.), Nils Herbstrieth (Architekt und Stadtplaner), Dr. Benedikt Krams (MatchRiderGO), Michael Bering (Mitfahrer-Initiative „Husch“) und Albrecht Kern (Urban Innovation e.V.) diskutierten über neue Modelle regionaler Mobilität und deren Auswirkungen auf die Heidelberger Verkehrssituation.

Dr. Stephanie Sommer (KulturBroker) stellte in ihrer Einführung die bewusst überspitzte Frage, ob der häufig angeführte Wertewandel hin zur Vorstellung von Mobilität als „geteilter“ Dienstleistung oder ein intensiviertes Umweltbewusstsein vor dem Hintergrund steigender Zulassungszahlen für SUVs nicht Mythen seien. Damit war der Zugang zu den bestimmenden Fragen des Abends eröffnet: Wie ändert sich der Umgang mit Mobilität im Zeitalter der Digitalisierung? Welche neuen Formen von Mobilität sind möglich und notwendig? Wie ist das Verhältnis von alten und neuen Formen der Mobilität zu gestalten? Welche Bedeutung kommt dem Spannungsfeld von individueller Freiheit und städtischer Planung zu? Und wie sind die Verwirklichungschancen von Änderungen zu beurteilen, die zwischen lokalen Problemlagen und gesetzlichen Regelungen auf Bundesebene verwirklicht werden müssen?

Die Diskussion machte deutlich, dass Probleme städtischer Mobilität durch Pendlerströme „von außen“ verursacht würden, das Problem sei folglich in und mit der Region zu lösen. Allerdings bestünden in Stadt und Land höchst unterschiedliche Mobilitätsprobleme und -vorstellungen: Der Stellenwert des eigenen Autos sei auf dem Land – auch aufgrund eines ausgedünnten ÖPNV – noch weitaus höher als in der Stadt. Mitfahrmöglichkeiten seien nicht immer akzeptiert.

Eine weitere Linie der Diskussion zeichnete sich in der Frage ab, wie Pendler dazu bewegt werden können, ihr Auto stehen zu lassen. Verkehrsplanung werde stets infrastrukturzentriert betrachtet, wichtig sei jedoch, dass Mobilität im Kopf beginne – die Verhaltensweisen der Menschen müssten sich ändern. Die offene Frage war aber: Anreiz oder Zwang? Diskutiert wurden die unterschiedlichen Konzepte von Mobilität vor allem an der Lage im Neuenheimer Feld: Welche Rolle spielen persönliche Präferenzen bei deren Nutzung des Pkw? Sollen die Parkplätze im Feld stark reduziert werden, um die Anreize für Kfz-gebundene Pendler zu verringern? Welcher Stellenwert kommt Park-and-Ride-Plätzen zu?

Neue Formen der Mobilität, so eine dritte Linie der Diskussion, sollten in Synergie, nicht in unmittelbarer Konkurrenz zu bestehenden Formen gedacht werden. Der Wandel müsse langfristig erfolgen – neue Formen der Mobilität setzten sich nicht sofort durch. In diesem Teil der Diskussion kam der ganze Ideenreichtum einer sehr regen Gemeinschaft von Mobilitätsexperten zum Ausdruck, die bereit sind, Mobilität neu zu denken: Welche Rolle kommt einem kostenlosen Nahverkehr zu? Welche Bedeutung wollen wir Fahrrädern und E-Bikes als Ersatz für Kraftfahrzeuge einräumen? Bietet eine kreuzungsfreie Hochbahn als Ergänzung des bestehenden ÖPNV eine Lösung? Können autonom fahrende Taxis mittelfristig realisiert werden?

Abschließend stellte sich die Frage, ob die Politik bereit sei, die Anregungen auch wirklich umzusetzen. Wichtig sei, so ein Fazit, die Bündelung der Vorschläge: Statt einer fragmentierten Betrachtung der Verkehrsmittel sei ein integriertes Mobilitätskonzept notwendig. So könne die Mobilität von der Zukunft aus gedacht werden und möglicherweise auch der Parkraum wieder zum wahrhaft öffentlichen Raum werden.

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