Sprachwandel im Visier

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert ein neues Projekt unter der Federführung der Mannheimer Sprachwissenschaftlerin Prof. Dr. Carola Trips mit insgesamt 3,5 Millionen Euro. Ziel des Projekts ist es, den Sprachwandel nicht nur aus historischer, sondern auch aus psychologischer Perspektive zu untersuchen und damit eine neue Disziplin der Linguistik zu begründen.

 

Psycholinguistik und historische Linguistik

 

Unterschiedlicher könnten die Arbeitsmethoden nicht sein: Während die Psycholinguistik vorwiegend mit Technologien wie Eye-Tracking – also Blickbewegungsmessung – im Labor experimentiert, untersucht die historische Linguistik die Veränderungen von Sprachen über längere Zeiträume hinweg – meist mit Hilfe von alten Texten und historischen Daten. Die neue Forschungsgruppe SILPAC unter der Leitung von Professorin Carola Trips hat das Ziel, beide Sichtweisen zu verbinden, um neue Erkenntnisse über den Sprachwandel zu gewinnen. Am Freitag hat die DFG die Förderung für das Projekt in Höhe von 3,5 Millionen Euro für zunächst vier Jahre bekanntgegeben.

 

Untersuchung des Zusammenhangs von Sprachverarbeitung, Spracherwerb und Sprachwandel

 

SILPAC steht für Structuring the Input in Language Processing, Acquisition, and Change. Acht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus fünf Universitäten kommen in dieser Gruppe zusammen. Ihre Aufgabe ist es, eine empirisch und theoretisch fundierte Erklärung der Zusammenhänge zwischen der Sprachverarbeitung, dem Spracherwerb und dem Sprachwandel zu liefern. Sprecheruniversität ist die Universität Mannheim, die auch den renommierten Mercator Fellow des Projekts, Charles Yang von der University of Pennsylvania, als Gastprofessor aufnimmt.

Der Wandel der Sprache, ihrer Struktur und ihrer Grammatik ist ein Thema, dem sich die historische Linguistin Trips schon längere Zeit widmet. Sie hat in der Vergangenheit unter anderem in einem DFG-Projekt die Entwicklung des Englischen und Französischen im Mittelalter erforscht. In ihrer Arbeit stellte sie jedoch immer wieder fest, dass ihr eine neue Perspektive fehlte, um Sprachwandel erklären zu können. Aus diesem Grund wollte sie die bislang nur punktuelle Zusammenarbeit mit Psycholinguisten vertiefen. „Dass wir den Zuschlag für unser Projekt erhalten haben, ist ein großer Erfolg. Diese Art von Zusammenarbeit gibt es so bislang nicht“, so Trips.

 

Brückenprojekte untersuchen Priming

 

Eine Besonderheit der Zusammenarbeit sind so genannte Brückenprojekte. Hier untersuchen die Forschenden zum Beispiel das so genannte Priming. Priming ist eine Methode aus der Psycholinguistik und bezeichnet eine subtile Beeinflussung des Denkens, Handelns oder Sprechens. Die psycholinguistische Methode machen sich nun auch die historischen Linguisten bei der Arbeit an alten Manuskripten zu Eigen. Denn so können sie besser nachweisen, dass die Schreiber von historischen Texten auch geprimt wurden, etwa weil sie bilingual waren und Strukturen aus dem Englischen ins Französische übertrugen – oder umgekehrt.

 

Begründung einer neuen Disziplin

 

Warum verändert sich eine Sprache? Und was muss geschehen, damit sie sich verändert? Sprachen wandeln sich nicht gerne in ihrer Struktur. Linguisten sprechen in dem Zusammenhang von der Stabilität der Sprache. Sie verändern sich vor allem, wenn sie in Kontakt mit anderen Sprachen kommen – was man am Beispiel des Mittelalters, in dem neben dem Lateinischen eine Vielzahl von romanischen und germanischen Volkssprachen gesprochen wurde, gut nachvollziehen kann. „Unsere Forschung hilft zu verstehen, wie Mehrsprachigkeit Sprachwandel auslösen kann“, erklärt die Anglistin.

Nicht weniger als die Begründung einer neuen Disziplin, der psycho-historischen Linguistik, schwebt der neuen Forschungsgruppe vor. Dafür haben die Projektleiterinnen und Projektleiter ein spezielles Programm für den wissenschaftlichen Nachwuchs entwickelt und ein breit gefächertes Ausbildungsprogramm für Masterstudierende, Doktoranden und Postdoktoranden konzipiert – eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die im Rahmen von SILPAC geschaffenen Strukturen von Dauer sein werden.

 

Quelle: Universität Mannheim

 

 

 

Beitragsbild: Prof. Dr. Carola Trips; Foto: Achim Stein/Universität Mannheim.