Steuer-Mehreinnahmen und Sozialpolitik
Die Bundesregierung möchte die Steuer-Mehreinnahmen aus der sogenannten kalten Progression durch Anpassungen beim Einkommensteuertarif an die Bürgerinnen und Bürger zurückgeben. Außerdem sollen Kindergeld und Kinderfreibeträge steigen sowie Steuerzahlerinnen und Steuerzahler Rentenbeiträge schon ab 2023 – und nicht wie ursprünglich geplant erst ab 2025 – voll von der Steuer absetzen können. Aktuelle ZEW-Berechnungen zeigen nun, wie sich die geplanten Maßnahmen einer Verteilung der Steuer-Mehreinnahmen auf die Haushaltseinkommen auswirken: Gutverdiener, die in der Regel stärker von der kalten Progression betroffen sind, profitieren mehr von den geplanten Entlastungen – nicht nur in absoluten, sondern auch in relativen Zahlen.
Die reichsten zehn Prozent sparen 691 Euro pro Jahr durch die vorgeschlagenen Anpassungen beim Einkommensteuertarif und beim Kindergeld sowie den Kinderfreibeträgen, während bei den unteren zehn Prozent die Entlastung nur 19 Euro beträgt. In der Gesamtschau drückt sich die Verteilung dieser Mittel so aus: Etwa 30 Prozent der gesamten Entlastung von etwa 10 Milliarden Euro gehen an die oberen 10 Prozent. Der Anteil, der an die ärmsten 10 Prozent geht, ist vernachlässigbar. Durch die volle steuerliche Absetzbarkeit der Rentenbeiträge wird das reichste Zehntel ab 2023 um 180 Euro pro Jahr entlastet; den unteren zehn Prozent bringt diese Maßnahme drei Euro.
Unterschiedliche Herangehensweise
Nimmt man hier nur die Prozentzahlen, sieht es dennoch ähnlich aus: „Die prozentuale Betrachtung reduziert zwar die Unterschiede in der Entlastungswirkung zwischen den Einkommensschichten gegenüber der Betrachtung in Euro, die reicheren Haushalte profitieren aber auch relativ betrachtet stärker“, so Prof. Dr. Holger Stichnoth, Leiter der ZEW-Forschungsgruppe „Ungleichheit und Verteilungspolitik“. Die ZEW-Studie zeigt damit ein anderes Ergebnis als die Berechnung des Bundesfinanzministeriums: Prozentual werden dort Menschen mit geringem Einkommen stärker entlastet. Diese Unterschiede ergeben sich aus einer anderen Herangehensweise: Während das Bundesfinanzministerium die bisherige Steuerlast mit der geplanten neuen Steuerlast vergleicht, um die Entlastungswirkung der Haushalte zu berechnen, liegen den ZEW-Berechnungen die prozentualen Veränderungen im verfügbaren Einkommen zugrunde.
„Die stärkere Entlastung der oberen Einkommen ist verteilungspolitisch unpopulär, der Ausgleich der kalten Progression ist in Zeiten hoher Inflation aber dennoch geboten, weil dadurch ungeplante Steuer-Mehreinnahmen an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben werden. Die ebenfalls erforderliche Entlastung unterer Einkommensgruppen angesichts steigender Preise steht auf einem anderen Blatt. Ihre Finanzierung sollte nicht aus den Mehreinnahmen durch die kalte Progression erfolgen, auch wenn dies kurzfristig verlockend erscheint“, so Stichnoth.
Quelle: ZEW
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