Trüber Herbst ohne greifbare Wachstumsperspektive

Die Sorgen in der regionalen Wirtschaft nehmen wieder zu. Nachdem sich die Betriebe aus dem Tief des Vorjahres herausgearbeitet hatten, liegt der Konjunkturklimaindex nun wieder unter seinem Wert zu Jahresanfang. „Wir erleben einen konjunkturell trüben Herbst ohne greifbare Wachstumsperspektive“, fasst IHK-Hauptgeschäftsführer Axel Nitschke die derzeitige Situation der Wirtschaft der Region zusammen. „Gestiegene Zinsen, eine schwache Weltkonjunktur und inflationsbedingte Kaufkraftverluste der Konsumenten bescheren den Unternehmen einen spürbaren Nachfragerückgang. Verstärkt wird dieser Effekt durch volle Lager in Industrie und Handel. Hinzu kommt weithin ein Abwarten mit Blick auf Weichenstellungen in der Wirtschaftspolitik. Das alles wirkt in Summe wie Sand im Getriebe“, erläutert Nitschke.

Der IHK-Konjunkturklimaindex, Gradmesser für die wirtschaftliche Entwicklung in der Rhein-Neckar-Region, beträgt aktuell 104 Punkte. „Zwar liegen wir damit noch knapp über der Wachstumsschwelle von 100 Punkten und besser als der bundesweite Durchschnitt (92 Punkte). Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Lage und die Erwartungen der Unternehmen seit dem Frühjahr in fast allen Branchen schlechter geworden sind“, so Nitschke. Im Frühjahr hatte sich der Index nach einem Tiefpunkt im vergangenen Herbst auf immerhin 112 Punkte erholt. Per saldo melden knapp 19 Prozent der Unternehmen eine gute Geschäftslage, was im Vergleich zur vergangenen Umfrage einen Rückgang von 6 Prozentpunkten bedeutet. Auch die Geschäftsaussichten zeigen einen Abwärtstrend, knapp 10 Prozent der Unternehmen gehen per saldo von schlechter laufenden Geschäften in den nächsten 12 Monaten aus (minus 8 Prozentpunkte). Das sind die wichtigsten Ergebnisse der IHK-Konjunkturumfrage im Herbst 2023, an der sich 444 Unternehmen der Region aus allen Wirtschaftszweigen beteiligt haben.

Immer mehr Unternehmen in der Region müssen aufgrund akuter Personalknappheit ihre Geschäfte einschränken. 45 Prozent der Unternehmen geben an, offene Stellen nicht besetzen zu können, weil sie die passenden Fachkräfte nicht finden. Dies führt zu einer Mehrbelastung der vorhandenen Beschäftigten, steigenden Arbeitskosten und zu einem Verlust von Wettbewerbsfähigkeit. Der Mangel an Fach- und Arbeitskräften ist für mehr als 6 von 10 Unternehmen das größte Risiko für ihre wirtschaftliche Entwicklung (Mehrfachnennungen möglich). Ein deutlicher Zuwachs zeigt sich bei der Sorge vor einem Rückgang der Inlandsnachfrage, aktuell treibt dies 58 Prozent der Unternehmen um. Die Sorgen im Hinblick auf Energiepreise und Arbeitskosten bewegen sich in etwa auf dem Niveau vom Frühsommer. Aktuell sehen 49 Prozent der Betriebe in hohen Energie- und 46 Prozent in hohen Arbeitskosten ein Risiko. „Der Blick auf die vielen hoch bewerteten Risiken zeigt, dass den Unternehmen an sehr vielen Stellen gleichzeitig der Schuh drückt. Und damit lässt es sich nicht gut laufen“, sagt der IHK-Hauptgeschäftsführer.

Die Exporterwartungen der Betriebe gehen deutlich zurück. Der Export-Saldo liegt aktuell bei minus 9 Punkten und damit 25 Punkte unterhalb des langjährigen Durchschnitts von 16 Punkten. Noch im Frühsommer lag der Wert mit 5 Punkten im positiven Bereich. „Produkte ‚Made in Germany‘ verlieren international an Kundschaft“, so Nitschke. Dabei leide die Nachfrage nicht nur unter externen Faktoren wie der schwächelnden chinesischen Wirtschaft, sondern auch an einer gesunkenen Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts. „Es ist daher umso wichtiger, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen hierzulande etwa durch geringere Energiekosten, ein verbessertes steuerliches Umfeld und Bürokratieabbau zu stärken“, so Nitschke. Der nordamerikanische Markt ist der einzige, für den die Ausfuhrpläne der regional ansässigen Unternehmen unter dem Strich positiv sind. Aktuell rechnen hier per saldo 8 Prozent der Unternehmen mit steigenden Exporten in den nächsten 12 Monaten. Bei den Exporterwartungen in die Länder innerhalb der Eurozone sinkt der Saldo aktuell um 20 Prozentpunkte auf minus 12 Punkte. Ähnlich sieht es bei den Exportabsichten nach Asien aus. Hier gehen die Exportabsichten per saldo um 18 Prozentpunkte auf aktuell minus 9 Punkte zurück.

In der Industrie gehen die Lagebeurteilungen im Vergleich zum Frühsommer um 9 Prozentpunkte zurück, per saldo melden noch 14 Prozent der Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe eine gute Geschäftslage. Der Wert liegt deutlich unterhalb des langfristigen Durchschnittswerts in Höhe von 31 Punkten. Mit Blick in die einzelnen Industriebereiche zeigen sich Investitionsgüterproduzenten am robustesten, während die Stimmung bei den Vorleistungsgüterproduzenten spürbar nachlässt. Vor allem bei den Auftragseingängen aus dem In- und Ausland zeigt sich bei den Industriebetrieben ein deutlicher Rückgang. Der Saldo liegt aktuell bei minus 32 Punkten, 38 Punkte unterhalb des langfristigen Durchschnitts. Diese Entwicklung hat auch spürbare Auswirkungen auf die Geschäftserwartungen der Industrie. Im Vergleich zur Mai-Umfrage sinkt der Saldo um 19 Prozentpunkte und liegt aktuell bei minus 12 Punkten.

Im Großhandel lassen die Lagebeurteilungen im Gleichklang mit der Gesamtwirtschaft seit Mai nach. Der Saldo sinkt um 6 Prozentpunkte auf aktuell 17 Punkte. Die Aufträge und Umsatzerwartungen lassen spürbar nach, die Geschäftserwartungen zeigen dementsprechend einen deutlichen Abwärtstrend. Knapp jeder fünfte Großhändler rechnet daher per saldo mit schlechter laufenden Geschäften in den nächsten 12 Monaten.

Im Vergleich zum Frühsommer gehen die Lagebeurteilungen im Einzelhandel weiter zurück. Der Lage-Saldo sinkt im Vergleich zum Mai von 2 auf minus 4 Punkte. Der Wert ist damit erstmals seit über zwei Jahren wieder im negativen Bereich. Gründe hierfür seien vor allem die hohen Energie- und Arbeitskosten, eine zurückhaltende Kauflaune sowie fehlendes Personal. Der Saldo bei den Geschäftserwartungen liegt mit minus 20 Punkten klar im negativen Bereich, hat sich gegenüber Frühsommer allerdings um 8 Punkte verbessert. Vor einem Jahr lag dieser Wert noch bei minus 50 Punkten. „Die Monate vor Weihnachten sind die umsatzstärkste und daher die wichtigste Zeit des Jahres für Einzelhändler. Mit Blick darauf sieht die Branche einen Hoffnungsschimmer“, so Nitschke.

Im Vergleich zu den anderen Branchen zeigen sich die Lageeinschätzungen im Dienstleistungssektor robust. Der Lagesaldo geht zwar im Vergleich zum Frühsommer um 5 Punkte zurück, er liegt mit 26 Punkten aber noch deutlich im positiven Bereich. Dabei zeigen sich insbesondere die Unternehmensdienstleister stabil. Die Geschäftserwartungen im Dienstleistungssektor insgesamt lassen im Vergleich zum Mai um 8 Prozentpunkte nach und liegen nun per saldo mit minus 2 Punkten im negativen Bereich.

Die Investitionsabsichten der Unternehmen zeigen sich aktuell ausgeglichen. Zu- und abnehmende Investitionen halten sich insgesamt also in etwa die Waage. Während in der Industrie tendenziell mit einem Rückgang der Investitionen zu rechnen ist, plant der Handel sogar mit einem leichten Zuwachs bei den Investitionen. Wenn investiert wird, dann bleibt der Ersatzbedarf mit 63 Prozent das vorherrschende Investitionsmotiv (Mehrfachnennungen möglich). 46 Prozent der Betriebe planen Digitalisierungsinvestitionen und ein Drittel der Unternehmen möchte verstärkt in Innovationsprojekte investieren. Nur mehr 17 Prozent der Unternehmen planen zu expandieren und ihre Kapazitäten zu erweitern.

Die Unternehmen der Region melden aktuell abflauende Beschäftigungserwartungen. Per saldo plant jeder zehnte Betrieb mit weniger Personal. Die Zahl der offenen Arbeitsstellen lag im September bei 7.553; das sind 491 weniger als im September 2022. Die Arbeitslosenquote im IHK-Bezirk beträgt aktuell, wie zum selben Zeitpunkt im Vorjahr, 5,0 Prozent.

 

Der aktuelle IHK-Konjunkturbericht ist hier abrufbar.

 

Quelle: IHK Rhein-Neckar

 

 

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