Einfach genial

Geniale Ideen sind häufig einfache und klare Problemlösungen. AUCTEQ Biosystems liefert eine solche Problemlösung für die Biotech. Zeitenvogel sprach mit Valentin Kramer und Frederik Gertz über wachsende Bioreaktoren, Zellkulturen im Urlaub und Mannheim als Zentrum der Biotechnologie.

Bioreaktor

Foto: AUCTEQ

ZV: Herr Kramer, was entwickeln Sie bei AUCTEQ Biosystems?

VK: Wir entwickeln einen Bioreaktor. Ein Bioreaktor ist ein Gefäß, in dem Zellen ungestört wachsen können. Diese Zellen produzieren einen Wirkstoff oder ein Medikament.

ZV: Was ist das Besondere an Ihrem Bioreaktor?

VK: Im Gegensatz zu herkömmlichen Reaktoren wächst unser Bioreaktor mit, da er über eine extrem elastische Wand verfügt. Bislang muss man mehrere Bioreaktoren ansteigender Größe verwenden, wenn man große Mengen an Zellen herstellen möchte. Die bei diesem Verfahren notwendige Vielzahl manueller Arbeitsschritte führt zu einem gewissen Risiko, den Prozess zu verunreinigen. Unser Reaktor wächst hingegen mit, er ist zu Beginn des Prozesses klein und am Ende groß. Man muss seltener eingreifen, somit ist die Gefahr der Verunreinigung geringer.

 

Ein wachsender Bioreaktor

 

ZV: Welche Herausforderungen bestanden bei der Entwicklung Ihres Produktes?

VK: Die eigentliche Herausforderung war die Formfindung: Wir hatten eine Idee, wussten aber nicht, wie wir diese umsetzen sollten: Welches Material sollten wir verwenden? Wie sollten wir unsere Anschlüsse einbauen? Wie sollten wir die notwendigen Kontrollen durchführen?

Zu den Grundlagen der Arbeit mit Zellkulturen gehört nämlich die Kenntnis der wichtigsten Parameter und das Wissen um die Entwicklungsbedingungen der Zellkulturen. Es ist notwendig, den Prozess immer wieder zu kontrollieren und Proben zu nehmen, pH-Wert und Temperatur müssen stimmen.

ZV: Über welche Anschlüsse verfügt Ihr Bioreaktor?

VK: Im Moment verfügt der Reaktor über vier Anschlüsse: für die Zuführung von Nährlösung, für die sterile Entnahme von Proben, und für die Zu- und Abführung von Luft. Langfristig wollen wir jedoch den Anschluss für die Probenentnahme durch Sensoren ersetzen, die den Prozess durchgehend überwachen. Im Prinzip kann man jedoch beliebig viele Anschlüsse anbringen. Unser Reaktor ist auch hier hochflexibel.

ZV: An wen wenden Sie sich mit Ihrem Produkt?

VK: Unsere potenziellen Kunden sind all jene, die mit Zellkulturen mit einem Volumen von 10 Millilitern bis 20 Litern – oder auch mehr – arbeiten. Das können Institute sein, aber auch kleine Unternehmen, Mittelständler oder Konzerne mit einer globalen Aufstellung.

 

Smart arbeiten

 

ZV: Wie kamen Sie auf die Idee, einen flexiblen Bioreaktor zu entwickeln?

VK: Auf die Idee kam ich bereits im dritten Semester meines Bachelor-Studiums. Wir haben damals große Mengen an Zellkultur angesetzt. Das Umsetzen der Zellkulturen aus kleineren in größere Reaktoren war eine sehr mühsame Aufgabe. Ich dachte mir: „Wäre cool, wenn der Reaktor einfach mitwachsen und das Umtopfen entfallen würde“.

Dann sah ich im Fernsehen einen Bericht über die Qualitätsprüfung von Kondomen, die ein Volumen von 20 Litern und mehr ohne Schaden überstehen müssen. Mit 20 Litern Zellkultur kann man einen Reaktor von 200 bis 400 Litern starten. Das war die Lösung. Ich baute deshalb die erste Version. Dazu kaufte ich im Baumarkt verschiedene Rohre und Anschlüsse. Außerdem bestellte ich eine größere Menge Kondome. Dann versuchte ich, alles zusammenzubauen und abzudichten.

ZV: Wie ging es dann weiter?

VK: Ich habe schnell festgestellt, dass Latex kein optimales Material ist. Wir fanden aber einen sehr guten Ersatz auf Silikonbasis, der für eine Vielzahl medizinischer Anwendungen zertifiziert ist. Dieses Material entspricht der USP-Klasse VI, die für Einwegbioreaktoren vorgeschrieben ist. Mit diesem Material wurden auch DIN- und ISO-genormte Zytotoxizitätstest durchgeführt. Es ist BSE-frei. Aus diesem Material fertigen wir unsere Reaktoren. Jetzt arbeiten wir gerade an einem automatisierten Herstellungsprozess.

 

Eine Zellkultur im Urlaub

 

ZV: Und dann fanden Sie auch als Team zusammen?

VK: Ja. Während meiner Masterarbeit kam ich auf die Idee, ein Start-up zu gründen. Also begann ich, einen Antrag für ein EXIST-Gründerstipendium zu schreiben. Für solch ein Stipendium braucht man ein Team. Ohne Team wäre aber auch unser Gründungsvorhaben nicht zu realisieren gewesen.

Während ich an meiner Masterarbeit saß, arbeitete Frederik im selben Labor an seiner Bachelor-Arbeit. Bei den wöchentlichen Meetings mit unserem Betreuer, Professor Philipp Wiedemann, bekam Frederik bereits viel mit. Als er sich dann auch noch um meine Zellkulturen kümmerte, während ich im Urlaub war, sah ich, dass er sehr genau arbeitet und gut mit Zellen umgehen kann. Als ich ihn fragte, ob er mitmachen wolle, war er sofort dabei.

Foto: AUCTEQ

FG: Die Entscheidung war für mich nicht schwierig. Ich war damals nämlich auf der Suche nach einer Stelle. Viel wichtiger war für mich aber: Ich fand das Projekt sehr spannend. Das konnte ich mir sehr gut für mich selbst vorstellen. Es ist toll, an immer neuen Herausforderungen zu wachsen. Und ich kann schon einmal etwas für Zukunft planen.

ZV: Welche Förderungen konnten Sie in Anspruch nehmen?

VK: Während der Laufzeit des EXIST-Gründerstipendiums konnten wir an dem Programm des Life Science Accelerators Baden-Württemberg teilnehmen. Dort erhielten wir intensive Beratung zu unserem Start-up-Vorhaben. Ab November können wir für die nächsten zwei Jahre eine weitere öffentliche Förderung an der Hochschule Mannheim in Anspruch nehmen.

 

Biotech in Mannheim

 

ZV: Weshalb haben Sie Mannheim als Standort für Ihr Unternehmen gewählt?

VK: Die Metropolregion Rhein-Neckar ist zusammen mit Frankfurt und Darmstadt ein wichtiges Zentrum der Biotechnologie. Mannheim liegt genau in der Mitte. Außerdem gibt es hier die ganze Bandbreite an Unternehmen, von kleinen bis zu sehr großen. Die Hochschule Mannheim hilft uns dabei, Kontakte in die Industrie herzustellen und von dem dortigen Fachwissen zu profitieren.

FG: Die Gründerszene ist in Mannheim sehr aktiv. Das ist für uns enorm wichtig. Wir entwickeln unseren Bioreaktor an der Schnittstelle von Medizintechnik und Biotechnologie und benötigen Informationen aus vielen Richtungen. In Mannheim gibt es acht Gründerzentren mit unterschiedlichen Schwerpunkten und vielen Beratungsangeboten und Veranstaltungen. Da ist sehr oft etwas Nützliches für uns dabei. Man trifft dort auch immer wieder neue Start-ups und lernt von deren Erfahrungen. Das ist für uns unbezahlbar. Und es ist schön, hier in Mannheim zu leben.

ZV: Was muss man mitbringen, um als Biotech-Start-up Erfolg zu haben?

VK: Es schadet nichts, eine Frohnatur zu sein (lacht). Allgemein muss man als Gründer die Motivation und Ausdauer haben, etwas selbst voranzubringen und immer weiterzugehen. Man hat nicht die Sicherheit einer Festanstellung. Es gibt nicht nur Höhen, sondern auch Tiefen und Durstrecken. Meiner Erfahrung nach hilft es dann auch, gute Freunde zu haben, die einem wieder auf die Beine helfen.

Darüber hinaus muss man wissen, dass die Biotech-Branche ein schwieriges Pflaster ist. Ein IT-Start-up kann recht schnell seine Software in einer Beta-Versionen auf den Markt bringen und dann Updates nachliefern. In der Biotech dauert der Prozess länger und benötigt auch ein bisschen mehr Geld.

FG: Die Teamfähigkeit ist sehr wichtig: Dass man zusammen arbeiten kann, dass man miteinander redet und sich versteht und dass man die erwähnten Durstrecken gemeinsam übersteht.

ZV: Sie haben ja in den letzten Jahren einige Preise gewonnen. Was sind nun Ihre weiteren Pläne?

VK: Wir freuen uns natürlich über die Preise selbst. Die Preise sind für uns aber auch wichtig, da wir Aufmerksamkeit und Feedback bekommen. So kommen wir ins Gespräch mit potenziellen Investoren und Kunden. Wir suchen nämlich im Moment aktiv nach Investments. Wenn sich ein Investor jetzt zum Abschluss bereitfindet, haben wir im besten Fall am Ende des Jahres ein fertiges Produkt, das wir dann auch schon ein Testkunden geben können. Dann kann es 2020 so richtig losgehen.

ZV: Vielen Dank für das Gespräch.

 

 

Valentin Kramer, Founder and CEO

Frederik Gertz, Research and Development

AUCTEQ BIOSYSTEMS

Eintrachtstraße 17

68259 Mannheim

https://aucteq.com

info@aucteq.com

 

Beitragsbild: bwcon