“Ein großer Schritt in Richtung eines europäischen Haftungsverbunds“

Das Bundesverfassungsgericht macht den Weg für den 750 Milliarden Euro schweren Corona-Wiederaufbaufonds der EU in Deutschland frei. Über die eigentliche Verfassungsklage ist damit noch nicht entschieden. Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Forschungsbereichsleiter und Experte für Öffentliche Finanzwirtschaft am ZEW Mannheim, kommentiert wie folgt:

„Der europäische Druck auf das Bundesverfassungsgericht, jetzt nicht der EU in ihrer Pandemie-Politik durch eine Blockade in den Rücken zu fallen, war offensichtlich zu groß. Damit wird die EU in Kürze erstmalig damit beginnen, europäische Ausgaben durch EU-Anleihen mit gemeinsamer wechselseitiger Haftung aller EU-Staaten zu emittieren. Damit sind Fakten geschaffen. Auch die vom Gericht in Aussicht gestellte genauere Prüfung wird daran nichts mehr ändern können. Diese Weichenstellung dürfte die EU auf Dauer verändern. Dies ist ein großer Schritt in Richtung eines europäischen Haftungsverbunds. Für die kurzfristige Aussicht auf eine rasche EU-Konjunkturerholung sind das gute Nachrichten. Ob Europa auf lange Sicht davon profitiert, ist ungewiss. Die Gefahr ist groß, dass die finanzielle Solidarität bei den neuen Finanzinstrumenten nicht ausreichend durch europäische Kontrolle begleitet wird. Es ist gut möglich, dass das geschenkte Geld aus Brüssel Reformprozesse sogar verlangsamt. Hier hätte man sich vom Deutschen Bundestag in seinem Zustimmungsgesetz deutlich mehr Engagement für verbindlichere Reformauflagen und enge Grenzen für künftige neue EU-Schulden gewünscht.“

 

Quelle: ZEW

 

 

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