In Onlineprüfungen schummeln Studierende häufiger

Die rasche Einführung der Corona-Infektionsschutzmaßnahmen im Frühjahr 2020 veränderte das Hochschulstudium von rund 2,9 Millionen Studierenden in Deutschland gravierend. Das zeigte sich auch bei Klausuren und Prüfungen, die vielerorts auf Onlineformate umgestellt wurden. Eine deutschlandweite Umfrage unter mehr als 1.600 Studierenden verdeutlicht nun, welche Konsequenzen diese Umstellung auf das Prüfungsverhalten der jungen Menschen hatte: Die Befragten berichten, im Sommersemester 2020 in Onlineprüfungen deutlich häufiger geschummelt zu haben als in Präsenz-Prüfungen.

 

Onlineprüfungen mit unerwünschten Nebenwirkungen

 

An der Studie wirkten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Mannheim, Augsburg und Landau mit. Die Ergebnisse der Studie wurden unter der Federführung von Dr. Stefan Janke (Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie der Universität Mannheim) in der Fachzeitschrift Computers and Education Open veröffentlicht und sind seit Anfang November frei zugänglich.

An der anonymen deutschlandweiten Umfrage nahmen Studierende verschiedener Hochschulen teil. Eine Vielfalt von Fächern war vertreten – von Medizin, Jura, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften bis hin zu Informatik und Technik. Das Ergebnis der Umfrage: 61,4 Prozent der Befragten, die in dem kritischen Zeitraum eine Onlineprüfung abgelegt hatten, gaben an, unerlaubte Hilfsmittel verwendet zu haben oder sich mit anderen Studierenden ausgetauscht zu haben. Nur 31,7 Prozent räumten dies hingegen in Bezug auf Klausuren ein, die in Präsenz stattfanden. „Dies deutet darauf hin, dass die hastige Umstellung auf Onlineprüfungen im Sommersemesters 2020 unerwünschte Nebenwirkungen für die akademische Redlichkeit an den Hochschulen hatte“, stellt Janke fest.

 

Alternative Prüfungsformate können helfen

 

„Besonders spannend sind die Ergebnisse in Bezug auf die Studierenden, die in dem kritischen Zeitraum sowohl Online- als auch Präsenzprüfungen abgelegt hatten“ so Janke weiter. „Zwar wurden diese Studierenden im Schnitt häufiger in Präsenz geprüft, sie gaben aber an, in den selteneren Onlineexamen häufiger betrogen zu haben.“

„Akademisches Betrugsverhalten ist kein Corona-spezifisches Problem“, konstatiert Janke. Die Ergebnisse der aktuellen Studie können jedoch grundsätzlich dazu anregen, sich über alternative Prüfungsformen Gedanken zu machen. Aus früheren Studien ist beispielsweise bekannt, dass Studierende eher betrügen, wenn geschlossene Frageformate gewählt werden (zum Beispiel Multiple-Choice), bei denen nur das korrekte Ergebnis angegeben werden muss. Besser seien daher womöglich offene Prüfungsformate, die nicht nur das Ergebnis, sondern auch den Lösungsweg berücksichtigen.

Es sei aber auch sinnvoll, grundsätzlich darüber nachzudenken, welche Verhaltensweisen in Prüfungen erwünscht und welche unerwünscht sind. „In Open-Book-Klausuren ist es beispielsweise erlaubt, Zusatzmaterialien zu verwenden“ so Janke. „Dieses Format fordert Prüfende und Prüflinge gleichermaßen, da die Fragen in stärkerem Ausmaß Tiefenwissen und Transferfähigkeit voraussetzen, als dies bei traditionellen Klausuren der Fall ist.“

Eine weitere Möglichkeit seien kollaborative Prüfungen, die den Austausch zwischen Studierenden sogar erlauben. „Eine solche Prüfungsform reflektiert besser die Anforderungen des späteren Berufslebens, in welchem Studierende häufig teamfähig sein und mit anderen gut zusammenarbeiten sollen,“ ergänzt Janke.

 

Die Originalpublikationen finden Sie hier.

 

Quelle: Universität Mannheim

 

 

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