Klimapolitik neben Preisstabilität dominierendes Thema in EZB-Reden

13. Okt 2022

Christine Lagarde und die anderen Mitglieder des EZB-Rats befassen sich in ihren öffentlichen Auftritten immer öfter mit Zielen abseits des geldpolitischen Hauptziels der Preisstabilität. Eine neue ZEW-Studie von den ZEW-Wissenschaftlern Friedrich Heinemann und Jan Kemper, unterstützt von der Brigitte Strube Stiftung, hat sich mit diesem Wandel in der EZB-Kommunikation seit der Euro-Einführung befasst. Dazu wurden über 3.800 Reden mithilfe von KI-unterstützter Textanalyse untersucht.

 

Klimapolitik neben Preisstabilität dominierendes Thema

 

Die Ergebnisse zeigen, dass die Aufmerksamkeit der Ratsmitglieder für ökonomische und gesellschaftliche Ziele jenseits der Preisstabilität seit der Euro-Einführung stark zugenommen hat. So gibt es seit der Finanz- und Schuldenkrise 2008/2009 ein deutlich gewachsenes Interesse für Finanzstabilität und Staatsanleihemärkte sowie Staatsverschuldung. Vor allem aber ist die Klimapolitik neben der Preisstabilität das dominierende Thema in den EZB-Reden der letzten fünf Jahre geworden. Während das Klima-Thema vorher kaum behandelt wurde, sprechen es die EZB-Vertreter heute bereits in jeder zweiten Rede an. Im EZB-Direktorium sticht Präsidentin Christine Lagarde durch eine besonders häufige Befassung mit dem Thema heraus, während ihr Vorgänger Mario Draghi sich in seinen Reden fast nie mit Klimapolitik befasst hat.

Die Aufmerksamkeit für das prioritäre Ziel der Preisstabilität schwankt im Zeitverlauf. Vor der Pandemie war das Thema gegenüber den Jahren nach der Euro-Einführung etwas in den Hintergrund getreten, aktuell wird es mit dem Inflationsanstieg wieder stärker thematisiert. Vertreter Südeuropas erwähnen das Thema Preisstabilität in ihren Reden im Vergleich zu den Kollegen aus Nord- und Westeuropa weniger oft.

 

Signal für die gesellschaftliche Verantwortung der Geldpolitik

 

„Die starke Öffnung des geldpolitischen Diskurses für ein breiteres Spektrum von Zielen reflektiert ganz offenkundig die Strategie, gesellschaftliche Verantwortung der Geldpolitik zu signalisieren“, ordnet ZEW-Ökonom Jan Kemper diese Ergebnisse ein. Dabei warnen die Autoren aber auch vor Gefahren, die sich im Hinblick auf den aktuellen massiven Inflationsschub ergeben können. „Wenn EZB-Vertreter zu viel über alle möglichen Ziele reden, kann dies geldpolitische Glaubwürdigkeit kosten. In der Öffentlichkeit entsteht dann der Eindruck, dass die EZB ihr Ziel der Preisstabilität relativiert“, betont Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“. „Die EZB muss jetzt auch in ihrer Kommunikation klarstellen, dass sie ihre Geldpolitik ganz am Ziel der Inflationsbekämpfung ausrichtet“, so Heinemanns Empfehlung.

Die beiden Autoren stützen ihre Analyse auf mehr als 3.800 Reden, die Mitglieder des EZB-Direktoriums oder die Präsidenten und Präsidentinnen der nationalen Zentralbanken seit der Euro-Einführung 1999 gehalten haben. Mit einer durch Verfahren der Künstlichen Intelligenz gestützten Textanalyse untersuchen sie, wie oft bestimmte traditionelle oder neue Ziele der Geldpolitik angesprochen werden. Neben dem klassischen Ziel der Preisstabilität werden die Themengebiete Fiskalpolitik, Finanzstabilität, Verteilung und Klimapolitik berücksichtigt.

Die Studie steht hier zum Download bereit.

 

Quelle: ZEW

 

 

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