Maschinen teilen

Nicht überall wo sharing economy drauf steht, ist auch sharing economy drin. V-INDUSTRY hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Grundgedanken der sharing economy auf einen für viele mittelständische Unternehmen interessanten Bereich anzuwenden: die Auslastung von Maschinenkapazitäten. Zeitenvogel sprach mit Thorsten Eller (V-INDUSTRY).

Thorsten Eller

Foto: Thorsten Eller

ZV: Herr Eller, was ist V-INDUSTRY?

TE: V-INDUSTRY bietet für produzierende Unternehmen die Möglichkeit, industrielle Ressourcen zu teilen und Maschinenkapazitäten zu handeln. Ein Unternehmen kann freie Kapazitäten anbieten, wenn eine Maschine nicht vollständig ausgelastet ist. Oder es kann bei entsprechendem Bedarf Fertigungsaufträge bei uns einlasten. Über unsere kollaborative Industrie-4.0-Plattform können Angebot und Nachfrage effizient zueinander finden.

ZV: Auf welche Art von Maschinen zielen Sie?

TE: Prinzipiell kann jede Maschine in unsere Plattform eingebunden werden. Wir konzentrieren uns aber nicht auf das Hauptgeschäft des jeweiligen Unternehmens, sondern auf ein sehr breites Spektrum sogenannter Beistellmaschinen wie etwa Drehmaschinen, Fräsmaschinen, Wasserstrahlschneidmaschinen oder Spritzgussmaschinen.

Kunden

ZV: An welche Kunden wenden Sie sich?

TE: Wir zielen auf zwei Kundensegmente: Das erste Kundensegment sind Maschinenbetreiber, also klassische Industrieunternehmen, die ihre Maschinen besser auslasten möchten. Unser zweiter Kundenkreis sind Unternehmen, die einen konkreten Fertigungsbedarf haben und diesen gerne bei uns einlasten würden.

ZV: Welchen Vorteil haben Ihre Kunden von einer Teilnahme an Ihrer Plattform?

TE: Die anbietenden Unternehmen können ihre Maschinenauslastung erhöhen und so wirtschaftlicher arbeiten. Unternehmen, die bei uns Aufträge einlasten, können bei uns schnell und agil den perfekten Fertigungsnehmer finden, da unsere Prozesse automatisiert sind. Die Kosten, die normalerweise entstehen um einen Fertigungsnummer zu finden, werden so verringert.

Hard- und Software

ZV: Wie muss man sich das technische Vorgehen vorstellen? Welche Hard- und Software ist notwendig?

TE: Hier muss man zwischen den beiden Kundengruppen unterscheiden: Derjenige, der bei uns Maschinen anbinden will, hat die Möglichkeit, uns eine Schnittstelle zur Verfügung zu stellen. Sollte die Maschine keine entsprechende Schnittstelle haben, bieten wir auch eine Hardware-Konnektierung an. Wir messen zunächst, wie hoch die Auslastung der Maschine ist. Das ist die Grundbedingung, bevor eine Maschine geteilt werden kann. Diese Auslastung kann über ein Dashboard, also eine Webplattform, visualisiert werden. Über unsere Geschäftsplattform findet das Matching statt. Hier melden sich das Unternehmen mit seiner Ressource und auch das Unternehmen, das auf diese Ressource zugreifen will, an.

ZV: Welche Schnittstellen sind für Ihr Geschäftsmodell besonders gut geeignet?

TE: Es geht uns eigentlich nur darum, zu messen, ob eine Maschine läuft oder nicht. Das kann im einfachsten Fall über einen Energiezähler passieren oder über eine Vibrationsmessung. Moderne Maschinen bieten mit der Industrie-4.0-Schnittstelle OPC UA gute Einbindungsmöglichkeiten.

Eine Einstiegsmöglichkeit in die Digitalisierung

ZV: Bieten Sie auch Beratungsleistungen an?

TE: Ja. Gegenwärtig befinden wir uns noch in der Pilotphase. Wir veranstalten zusammen mit unseren Partnern Workshops, in denen wir erarbeiten, welche Prozesse sich für eine Kooperation besonders gut eignen. Nicht jedes Unternehmen kann das sharing gleich in allen Prozessen anwenden. Wir überprüfen deshalb gemeinsam, wie zum Beispiel der Einkauf abläuft oder welche Maschinen vermittelt werden können. Dann schauen wir, ob wir das Vorhaben zusammen mit dem Kunden realisieren können oder ob wir unsere Idee damit ein Stück weit verbessern können.

ZV: Also könnte Ihr Geschäftsmodell auch für manche der Unternehmen der Einstieg in eine verstärkte Digitalisierung im Sinne der Vernetzung sein?

TE: Genau. Diese Intention stand hinter der Idee eine Hardware-Konnektierung mit anzubieten. Die Unternehmen sollen zunächst ein Gefühl dafür bekommen, wie gut die Maschinen ausgelastet sind. Sobald allerdings die Hardware-Konnektierung implementiert ist, bieten sich weitere Möglichkeiten. So können zum Beispiel Sensordaten ausgeleitet oder ein Energiemanagement integriert werden. Der Kunde kann mit den ausgelesenen Daten so auch weitere Perspektiven der Produktion von morgen überprüfen.

Datenschutz und Datensicherheit

ZV: Ein wichtiges Thema sind ja Datensicherheit und Datenschutz, gerade von Unternehmensdaten.

TE: Wir erheben keine personenbezogenen Daten, sondern betriebsinterne Daten. Bei größeren Unternehmen stellen wir unser Modell dem Betriebsrat vor. Wir wollen gegenüber der Belegschaft bei diesem sehr sensiblen Thema Transparenz schaffen. Auch technisch halten wir Datensicherheit und Datenschutz streng ein. Die Hardware-Konnektierung wird über einen eigenen VPN-Kanal mithilfe einer M2M-SIM-Karte erstellt, sodass wir nicht auf das eigene Netz zugreifen müssen. Wir leiten also nur Daten aus, es können aber keine Daten zurückgeleitet werden.

ZV: Wie funktioniert die Abrechnung?

TE: Die Abrechnung wird über unsere Geschäftsplattform abgewickelt. Hier werden alle vertragsrelevanten Informationen und alle Verträge einsehbar sein.

Sharing in Deutschland

ZV: Wie bewerten Sie die Lage der sharing economy in Deutschland?

TE: Da muss man unterscheiden: Es gibt die klassische sharing economy, die bereits vor einigen Jahren nach Deutschland gekommen ist. Man kennt Airbnb und Uber. Meine persönliche Meinung ist jedoch, dass sharing economy im B2C-Umfeld nicht nachhaltig funktionieren kann. Hier sind Privatpersonen mit eingebunden, die zum Teil als selbständige Unternehmer agieren. In Deutschland gibt es hierfür keinen richtigen Rechtsrahmen. Deshalb entstehen auch die Probleme, die wir im Moment beobachten können.

Vorteile der sharing economy sehe ich vor allem im B2B-Bereich, der in Deutschland noch eher in den Kinderschuhen steckt. Hier treten Unternehmen mit anderen Unternehmen in Geschäftsbeziehungen, die per se ja bereits eine Rechtsform haben und sich deshalb faktisch nie in rechtsfreien Räumen bewegen können. So wird auch niemand in dem Maße übervorteilt, wie dies im Moment vielen der Plattformen im B2C- Bereich vorgeworfen wird, insbesondere hinsichtlich der Art und Weise, wie Selbständige entlohnt werden. Das widerspricht nämlich der Kernidee der sharing economy, Ressourcen effizienter zu nutzen.

ZV: Wo werden Sie Ihr Modell anbieten?

TE: Wir werden unser Geschäftsmodell deutschlandweit anbieten. Zunächst wollen wir allerdings einen regionalen Schwerpunkt setzen. Baden-Württemberg ist Zentrum des Maschinenbaus. Hier lässt sich unser Geschäftsmodell gut realisieren. Die Wege sind so auch einfach kürzer. Wir haben festgestellt, dass trotz aller Digitalisierung Geschäfte immer noch zwischen Menschen gemacht werden. Im persönlichen Treffen kann man besser Vertrauen schaffen.

ZV: Wer steht hinter V-INDUSTRY?

TE: V-INDUSTRY wurde im Januar 2018 von Professor Oliver Mauroner, Olaf Krause und mir gegründet. Herr Krause ist Informatiker, Professor Mauroner ist Wirtschaftsinformatiker und ich bin Volkswirt. Unser Unternehmen entstand aus der Forschung. Seit knapp drei Jahren arbeite ich an meinem Promotionsprojekt über Geschäftsmodelle in der sharing economy im industriellen Sektor. Zuvor arbeitete ich im IoT-Unternehmen von Olaf Krause, eine Fraunhofer-Ausgründung für IT-Produktentwicklung.

ZV: Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

TE: Im Laufe des Jahres 2018 wollen wir weitere Pilotpartner finden, die mit uns kooperieren wollen. Dieses Jahr wollen wir auch den ersten Maschinen-share unter Beweis stellen. Das heißt, über unsere Plattform soll erstmals eine Maschine verliehen werden und ein anderes Unternehmen dann darauf zugreifen. 2019 wollen wir eine Anschlussfinanzierung einwerben um unser Modell zu skalieren.

ZV: Vielen Dank für das Gespräch.

Thorsten Eller

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