Start-ups im Quartier

Im Alten Volksbad in der Mannheimer Neckarstadt-West kann man nicht mehr baden gehen. Und das gleich im doppelten Sinne des Wortes: Das Kreativwirtschaftszentrum bietet ein vielfältiges Angebot um Start-ups im Quartier zu halten. Zeitenvogel sprach mit Julia Sattler (Zentrumsleitung Altes Volksbad) und Matthias Rauch (Cultural Innovation Officer, mg: mannheimer gründungszentren gmbh) über die Mannheimer Gründerlandschaft, die Wichtigkeit einer Stadtteilorientierung und die Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft für die Stadtentwicklung.

 

Das Alte Volksbad

 

Julia Sattler

Foto: Thommy Mardo

ZV: Frau Sattler, was ist das Alte Volksbad?

JS: Das Alte Volksbad creative business ist ein Kreativwirtschaftszentrum in der Neckarstadt-West mit Stadtteilorientierung. Wir bieten in erster Linie Büroflächen für Unternehmen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft an, darüber hinaus aber auch Seminar- und Besprechungsräume.

Das Alte Volksbad wurde in den 1930er Jahren gebaut. Ursprünglich war dort das Sozialamt mit angeschlossener Hygieneanstalt beheimatet. Von diesem Wannen- und Brausebad hat das Alte Volksbad seinen Namen.

ZV: Was ist Ihre Aufgabe?

JS: Als Zentrumsleitung bin ich Ansprechpartnerin für die Unternehmen im Haus. Das fängt bei der Paketannahme an und endet bei Existenzgründungsberatung und Hilfe bei der Vernetzung.

ZV: Wie unterstützen Sie die Unternehmen im Haus?

JS: Das kommt immer auf den Bedarf unserer Mieter an. Das Angebot ist sehr vielseitig. Neben der Fachberatung und der Vermittlung von Kontakten zu Behörden, Kreditinstituten und zu Netzwerken, können zum Beispiel die Beraterinnen in unserem Kompetenzzentrum gig7 mit dem exi-Gutschein eine gezielte, kostenfreie Erstberatung anbieten. Im Anschluss sind weiterführende Beratungsangebote möglich.

ZV: Wie lange kann ein Unternehmen die Räumlichkeiten bei Ihnen mieten?

JS: Die Existenzgründungszentren in Mannheim wurden mit Mitteln der EU, des Landes Baden-Württemberg und der Stadt Mannheim gebaut oder renoviert (Programm RWB-EFRE). Deshalb sind auch wir an gewisse Richtlinien gebunden. Die dort vorgeschriebene zeitliche Befristung bedeutet, dass wir unseren Mietern die Büroräume maximal fünf Jahre zur Verfügung stellen können. In Ausnahmefällen können wir diese Frist auf bis zu acht Jahre verlängern.

 

Platz für Wachstum

Platz für Wachstum; Foto: Altes Volksbad – creative business

Die Mannheimer Gründerlandschaft

 

ZV: Wie positioniert sich das Alte Volksbad in der Mannheimer Gründerlandschaft?

JS: Das Alte Volksbad besteht seit März 2012. Im Vergleich zu dem MAFINEX-Technologiezentrum sind wir ein eher kleineres Zentrum. Unsere 25 Büroräume umfassen Flächen von 17 bis maximal 42 Quadratmeter. Die Atmosphäre bei uns im Haus ist also eher familiär. Unser Fokus liegt auf der Kultur- und Kreativwirtschaft. Hier finden alle ein Zuhause, seien es App-Entwickler, Webdesigner, Grafiker, Dolmetscher oder Texter. Dieser breite Branchenmix sorgt für Synergieeffekte, von denen alle profitieren können.

Das Alte Volksbad zeichnet sich darüber hinaus durch seine Stadtteilorientierung aus. Wir haben nicht nur die Möglichkeit, Institutionen wie das Quartiermanagement Neckarstadt-West oder den freien Radiosender bermuda.funk bei uns zu beherbergen. Stadtteilorientierung bedeutet auch, dass wir versuchen, die Unternehmen, die aus unserem Haus herausgewachsen sind, im Stadtteil zu halten. Wir arbeiten sehr eng mit dem Quartiermanagement aber auch mit der MWSP (MWS Projektentwicklungsgesellschaft) zusammen um diesen Unternehmen Räumlichkeiten in der Neckarstadt-West zu vermitteln.

ZV: Organisiert das Alte Volksbad auch kulturelle Events?

JS: Ja. Bei uns im Foyer finden Kunstausstellungen, Comedy-Veranstaltungen und Poetry-Slams statt. In unserem Kellerbereich organisiert ein gemeinnütziger Verein ganz unterschiedliche Veranstaltungen von Live-Konzerten bis zu Kinder-Theateraufführung mit bulgarischen Kindern, die Deutsch lernen. Unsere Unternehmen bringen sich auch in die verschiedenen Feste im Quartier ein, sei es das Sommerfest Go West oder jetzt im November die Lichtmeile.

 

Strahlen in der Lichtermeile

Strahlen in der Lichtermeile; Foto: Altes Volksbad – creative business

 

Kreativwirtschaft und Stadtentwicklung

 

ZV: Welchen Stellenwert haben Gründerzentren wie das Alte Volksbad für die Stadtentwicklung?

Altes Volksbad

Foto: Ricardo Wiesinger

MR: Gründerzentren sind für die Stadtentwicklung von großer Bedeutung. Das zeigt sich in Mannheim gerade hier am Jungbusch, der sich in den letzten Jahren sehr stark verändert hat. Die Popakademie, der Musikpark und das C-HUB Mannheim haben zu einer positiven Entwicklung beigetragen: Ein strukturschwacher Stadtteil wurde aufgewertet und konsolidiert. In ähnlicher Weise wirkt das Alte Volksbad in der Neckarstadt-West. Wir bieten nicht nur den Gründerinnen und Gründern, sondern auch den Bürgerinnen und Bürgern ein Forum für vielfältige gemeinsame Aktivitäten. So kann das Alte Volksbad positive Impulse in den Stadtteil senden.

ZV: Welchen Stellenwert hat die Kultur- und Kreativwirtschaft für Mannheim?

MR: Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht ein wichtiger Standortfaktor für Mannheim. Mannheim ist seit 2014 UNESCO City of Music. Die Stadt wurde für ihre Förderung der Musikwirtschaft ausgezeichnet, die in Deutschland einzigartig ist. So verändert sich auch die Wahrnehmung Mannheims im In- und Ausland. Ich glaube, dass heute viele Menschen bei Mannheim an die Kultur- und Kreativwirtschaft denken. Mannheim und Musik gehören zusammen und der Jungbusch steht wie kein anderes Viertel für diese Entwicklung in den letzten Jahren.

Kulturelle Stadtentwicklung und Start-up-Ökosysteme sind generell eng miteinander verbunden. Atmosphären und Dynamiken in einer Stadt werden maßgeblich durch Kreative und kulturelle Akteure beeinflusst. Wir versuchen dieses Startup-Ökosystem ganzheitlich zu bespielen.

 

Flur im Alten Volksbad

Familiäre Atmosphäre; Foto: Altes Volksbad – creative business

 

ZV: Wie kamen Sie zu Ihren jetzigen Aufgabenbereichen?

JS: Ich arbeite seit mittlerweile elf Jahren bei der Mannheimer Gründungszentren GmbH, zunächst im Musikpark, dann als Projektmanagerin beim Clustermanagement Musikwirtschaft. Nach einem dualen Hochschulstudium der BWL mit Schwerpunkt Wirtschaftsförderung leite ich seit Anfang 2017 das Alte Volksbad.

MR: Ich bin seit 2013 bei der Mannheimer Gründungszentren GmbH. Zunächst war ich in der Kommunikation des Clustermanagements Musikwirtschaft tätig. Nachdem ich zwei Jahre das Clustermanagement leitete, arbeite ich seit Anfang 2017 bei der kulturellen Stadtentwicklung.

ZV: Was erhoffen Sie sich für die kommenden Jahre für Mannheim und seine Startup-Szene?

MR: Dass wir hier weiterhin spannende Gründungen haben, die auch international erfolgreich sind. Ich erhoffe mir auch, dass die Stadt Mannheim weiterhin Pionier der kulturellen und kreativen Stadtentwicklung ist und neue Akzente und innovative Ansätze fördert.

JS: Ich wünsche mir, dass in Mannheim der Gründergeist weiterhin genauso gelebt wird. Ich finde es klasse, wenn Gründerinnen und Gründer diesen Schritt in die Selbständigkeit mit tollen Ideen wagen. Wir haben in der Neckarstadt-West noch Platz für viele Start-ups.

ZV: Vielen Dank für das Gespräch.

 

 

Julia Sattler

Community Manager

Altes Volksbad – Creative Business

Mittelstr. 42

68169 Mannheim

www.altes-volksbad.com

sattler@startup-mannheim.de

 

 

Dr. Matthias Rauch

Head of CULTURAL URBAN DEVELOPMENT

Cultural Innovation Officer

mg: mannheimer gründungszentren gmbh

Hafenstr. 49

68159 Mannheim

www.startup-mannheim.de

rauch@startup-mannheim.de

 

Beitragsbild: Altes Volksbad – creative business