Wirtschaft stoppt Sinkflug, kein Durchstarten in Sicht
Die bayerische Wirtschaft bleibt zum Großteil im Stimmungstief, so das Ergebnis der Frühjahrs-Konjunkturumfrage des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK). Der Konjunkturindex schafft gegenüber dem Jahresbeginn zwar ein Plus von 6 Punkten, liegt aber mit 107 Zählern das dritte Mal in Folge unterhalb des langjährigen Durchschnitts von 112 Punkten. An der größten Konjunkturbefragung im Freistaat hatten sich 3.500 Unternehmen beteiligt.
„Der bayerischen Wirtschaft fehlt weiterhin der Aufwind unter den Flügeln. Hauptursachen sind hausgemachte Standortprobleme sowie immer mehr Handelshürden als Folge der geopolitischen Spannungen“, sagte BIHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl. „Die Stimmung der Betriebe im Freistaat ist weiterhin gedrückt, eine wesentliche Belebung in den kommenden Monaten ist nicht zu erwarten“, so Gößl weiter. Der Saldo der aktuellen Geschäftslage ist mit 15 Punkten gegenüber dem Jahresbeginn unverändert und liegt damit erneut unter dem 30-jährigen Durchschnitt von 18 Punkten.
Die Aussichten der Unternehmen hellen sich dagegen auf niedrigem Niveau etwas auf: Der Saldo der Erwartungen steigt gegenüber dem Jahresbeginn von minus 12 auf exakt 0 Punkte und erreicht damit wieder das Niveau des letztjährigen Frühjahrswerts. Nach BIHK-Einschätzung ist das ein Zeichen dafür, dass die Talsohle erreicht ist, zumal sich nur noch wenige Unternehmen eine weitere Verschlechterung vorstellen können. „Ein tragfähiger Aufschwung lässt sich aus den Zahlen allerdings nicht ableiten“, sagte Gößl. Vom langjährigen Durchschnitt der Geschäftserwartungen von 8 Punkten sei die bayerische Wirtschaft noch zu deutlich entfernt.
In der Branchenbetrachtung fällt auf, dass die Industrie und die Bauwirtschaft als Konjunkturtreiber weiterhin ausfallen. Der Einzelhandel hofft auf ein Ende der Durststrecke und setzt auf den langsam anziehenden privaten Konsum. Der Tourismus rechnet mit deutlich besseren Geschäften in der Sommersaison. Allein der Dienstleistungsbereich, und hier vor allem der Sektor der unternehmensnahen Dienstleister, bewertet sowohl die aktuelle Lage als auch die Erwartungen für die kommenden Monate deutlich besser als die Gesamtwirtschaft. Das mangelnde Vertrauen der Betriebe in einen Aufschwung zeigt sich auch in den Investitions- und Beschäftigungsplänen. Diese bleiben im langjährigen Vergleich äußerst zurückhaltend.
Dringende Forderung nach strukturellen Wachstumsimpulsen
Der BIHK leitet aus der andauernden Wirtschaftsschwäche die dringende Forderung ab, dass alle zentralen politischen Vorhaben nachweislich einen Beitrag zu einem höheren Wachstumspotenzial leisten. „Andernfalls wird der potenzielle Wachstumspfad unserer Wirtschaft drastisch abflachen, mit gravierenden Folgen für die öffentlichen Haushalte“, warnte Gößl. Der Kurs müsse glasklar gesetzt werden auf mehr Investitionstätigkeit, mehr Arbeitsvolumen und mehr Produktivität. Dies sei durch vielfältige Instrumente möglich, unter anderem eine international wettbewerbsfähige Unternehmensbesteuerung, mehr Anreize im Steuer- und Transfersystem für Arbeitsaufnahme und Arbeitszeitverlängerung sowie Bürokratieabbau, besseres E-Government und mehr Qualifizierung.
Europawahl 2024: Bürokratieabbau an erster Stelle
BIHK-Präsident Klaus Josef Lutz stellte die Ergebnisse der Unternehmensbefragung zur Europawahl am 9. Juni vor, die ein Teil der BIHK-Frühjahrs-Konjunkturumfrage war: „Unsere Unternehmen bekräftigen den Ruf nach einem Bürokratiestopp in Brüssel. 88 Prozent der bayerischen Unternehmen fordern, dass nach der Wahl auf europäischer Ebene am dringendsten die Bürokratie abgebaut sowie neue EU-Regulierungen verhindert werden müssen.“ Den Schutz vor digitalen und analogen Angriffen sehen 43 Prozent als Top-Thema der künftigen EU-Politik, gefolgt von der Stärkung des europäischen Energiemarktes (40 Prozent) und einer vereinfachten Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten (33 Prozent). Lutz betont: „Europa muss insgesamt einfacher, schneller und dadurch wieder schlagkräftiger werden.“
Dass Bürokratieabbau ein Wirtschaftsturbo wäre, belegt auch eine Studie des Münchner ifo-Instituts im Auftrag der IHK für München und Oberbayern: Würden ein Viertel der bestehenden EU-Bürokratievorgaben, zum Beispiel bei Berichts- und Nachweispflichten, abgeschafft, dann würde die Volkswirtschaft durch mehr Fokus auf produktivere Prozesse mittelfristig um gut zwei Prozent zulegen. Laut BIHK-Berechnung entspricht das EU-weit einer zusätzlichen Wertschöpfung von ungefähr 300 Milliarden Euro.
Quelle: IHK für München und Oberbayern
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