Wissen managen

In Zeiten des Fachkräftemangels wird Wissensmanagement in Unternehmen immer wichtiger. Wird Wissen nicht dokumentiert und verlassen wichtige Mitarbeiter den Betrieb, kann es zu Qualitätseinbrüchen und messbaren Verlusten im Unternehmensergebnis kommen. Zeitenvogel sprach mit Volker Engert und Adrian Lundquist (Zentrum für praxisorientiertes Wissensmanagement GmbH) über die Bedeutung der Ressource Wissen im 21. Jahrhundert und Methoden des Wissensmanagements.

 

Wissen im 21. Jahrhundert

 

Volker Engert

Volker Engert; Foto: ZfpW GmbH

ZV: Herr Engert, welche Bedeutung hat Wissen für Unternehmen im 21. Jahrhundert?

VE: Wissen trägt zur Wertschöpfung bei. Mitarbeiter müssen ihren Arbeitsplatz kennen und das für Ihre Arbeit notwendige Wissen abrufen können. Eine aktuelle Dokumentation der Prozesse am jeweiligen Arbeitsplatz erlaubt es aber auch, Personal aufzubauen und weiterzuentwickeln. Ein neuer Mitarbeiter kann über die Dokumentation einfach feststellen, wo sein vor- und nachgelagerter Arbeitsbereich liegt.

Umgekehrt gilt: Wenn Wissen nicht dokumentiert wird und wichtige Mitarbeiter das Unternehmen verlassen, können an diesen Arbeitsplätzen Probleme auftreten. Verzögerungen und Qualitätseinbrüche führen zu messbaren Verlusten im Unternehmensergebnis. Deshalb ist ein gutes Wissensmanagement gerade in Zeiten des Fachkräftemangels so wichtig.

ZV: Welche Arten von Wissen gilt es zu managen?

Adrian Lundquist

Adrian Lundquist; Foto: ZfpW GmbH

AL: Grundsätzlich kann man zwei Arten von Wissen unterscheiden: Explizites Wissen ist all das, was in irgendeiner Form niedergeschrieben wurde, seien es Bücher, Anleitungen oder Notizen. Implizites Wissen ist nicht verschriftlichtes, gleichsam informelles Wissen. Nur ungefähr 20 Prozent des Wissens sind explizites, 80 Prozent sind implizites Wissen.

 

Methoden der Wissensdokumentation

 

ZV: Welche Methoden bieten sich an, Wissen in Unternehmen zu dokumentieren?

VE: In einem ersten Schritt sollten für jeden Arbeitsplatz alle relevanten Tätigkeiten beschrieben werden. Hilfreich ist es, Fotos und Videos anzufertigen und so die entsprechenden Arbeitsprozesse zu visualisieren.

Ein zweiter Schritt sollte die Komplexität des dokumentierten Wissens weiter reduzieren. Wir haben eine spezielle Matrix entwickelt, mithilfe derer wir eine Art Wissenslandkarte eines Unternehmens erstellen können, mit allen Strukturen, Arbeitsplätzen Vorgängen und Tätigkeiten. Diese Wissenslandkarte kann zum Beispiel das komplexe Wissen einer Führungskraft oder eines Gebäudemanagers dokumentieren und abrufbar machen.

ZV: Wie kann man aber gewährleisten, dass das dokumentierte Wissen abrufbar ist?

AL: Das Wissen wird primär in ein Hauptwort und ein Tätigkeitswort zerlegt. So ergibt sich automatisch die Möglichkeit einer Schlagwortsuche. Durch eine entsprechende IT-Architektur wird das Wissen abrufbar: Das kann ein Worddokument sein, eine Excel-Liste, eine Datenbank oder eine Art Wikipedia. Wichtig ist ein Benutzerkonzept: Das Wissen sollte durch redaktionell qualifizierte Mitarbeiter eingepflegt und bearbeitet werden. Eine Art Chefredakteur überprüft die Daten nochmals und gibt sie anschließend frei. Schon mit einfachen Mitteln lässt sich eine große Wirkung erzielen.

 

Wissensmanagement im Unternehmen

 

ZV: Nun ist es ja aber mit einer einmaligen Wissensdokumentation nicht getan. Wissensmanagement muss dauerhaft betrieben werden. Welche Möglichkeiten bieten sich hierfür an?

VE: Ich empfehle, einen Wissensmanager zu qualifizieren, der die einschlägigen Methoden beherrscht. Dafür muss nicht gleich ein bestimmter Mitarbeiter dauerhaft abgestellt werden. Beim Wissensmanagement wechseln sich Phasen hoher Arbeitsbelastung – etwa bei der Schaffung neuer oder der Umstrukturierung bestehender Arbeitsplätze – ab mit Phasen erheblich geringeren Aufwands, etwa zur Pflege der vorhandenen Wissensdokumentation.

ZV: Das Controlling fragt ja häufig nach Kennzahlen, mit denen der Erfolg einer Maßnahme operationalisiert werden kann.

VE: Wir haben bereits einige Kennzahlen entwickelt und getestet. Mögliche KPIs (Key Performance Indicator) betreffen zum Beispiel Fluktuation, Einarbeitungszeiten, Qualität, die Anzahl der gelösten Störungen oder die Gesamtanlageneffektivität (OEE). Das sind die härtesten Kennzahlen, die es gibt.

ZV: Was gilt es bei der Einführung eines professionellen Wissensmanagements zu beachten?

VE: Ehrlichkeit und Offenheit sind unabdingbar. Zusammen mit dem Betriebsrat und über Betriebsvereinbarungen kann ein Unternehmer seine Mitarbeiter darüber informieren, was mit dem dokumentierten Wissen geschieht.

 

Die Genese der Idee

 

ZV: Wie kamen Sie auf die Idee, ein Zentrum für praxisorientiertes Wissensmanagement zu gründen?

VE: Ich habe mich bereits in den 1990er Jahren im Rahmen meiner beruflichen Aufgabenstellungen mit Wissensmanagement beschäftigt. Damals bemerkte ich, dass in den einschlägigen Fachbüchern immer nur festgestellt wurde, wie wichtig Wissensmanagement ist, das genaue Vorgehen wurde aber nicht beschrieben. Ich entwickelte ein entsprechendes Konzept und konnte es zusammen mit Studierenden an der Graduate School Rhein Neckar in Mannheim erproben. Eine unserer wesentlichen Erkenntnis war, dass für ein effektives Wissensmanagement Standards unabdingbar sind. Wir haben diese Standards entwickelt und können sie unseren Kunden anbieten.

ZV: Haben Sie sich auf bestimmte Branchen spezialisiert?

VE: Wir arbeiten im Moment mit Unternehmen aus dem Automotivbereich und der Chemiebranche zusammen, aber auch eine Personalagentur gehört zu unseren Kunden. Künftig tritt noch ein Biotech-Unternehmen hinzu. Sie sehen: Unser Konzept ist absolut branchenneutral. Es ist genauso gut in der Stadtverwaltung als auch im Gesundheitsbereich, etwa in einem Krankenhaus, anwendbar.

ZV: Vielen Dank für das Gespräch.

 

 

Dr. Volker Engert und M.Sc. Adrian Lundquist

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