Eine Seilbahn über den Neckar

Seilbahnen sind im Kommen. Viele von uns kennen sie aus dem Skiurlaub oder von Ausflügen in die Berge. Seilbahnen sind aber weitaus mehr als ein Transportmittel für Touristen. In Südamerika haben sich Seilbahnen zu einem respektablen Verkehrsmittel im Nahverkehr gemausert. So entsteht in den peruanischen Städten La Paz und El Alto ein ganzes Netz aus Seilbahnlinien und die 2004 eröffnete Bahn in Medellín, Kolumbien, kann als großer Erfolg verbucht werden. Auch in Europa und Asien wurden neue Anlagen realisiert: Während der Olympischen Spiele in London lernten viele Besucher die Seilbahn über die Themse schätzen. Lissabon, Ankara, Istanbul, Madrid, Singapur, Taipeh lassen sich der Liste von Seilbahnprojekten hinzufügen.

 

Eine Seilbahn über den Neckar

 

Warum sollte man dann nicht auch Heidelberg eine entsprechende Bahn bauen? Eine Seilbahn könnte zur Entspannung der Situation im und um das Neuenheimer Feld beitragen. Bislang wurde keine Lösung gefunden, wie sich der Autoverkehr ins Feld reduzieren bzw. besser verteilen lässt. Andreas Gottschalk von Urban Innovation. Stadt neu denken e.V. stellte deshalb im Open House am vergangenen Donnerstag (12.7.2018) an drei Referenten die Frage, wie sich eine Stadtseilbahn über den Neckar realisieren ließe.

Für Nils Herbstrieth, Architekt und Stadtplaner, wäre eine Seilbahn über den Neckar ein guter Kompromiss für die Heidelberger Streitigkeiten: „Sowohl eine fünfte Neckarquerung als auch eine Straßenbahnschleife durch das Neuenheimer Feld sind hochumstritten. Eine Seilbahn würde beide Ansätze kombinieren: Man kann weiterhin mit dem Auto anreisen, dann parken und mit der Seilbahn im ÖPNV das Neuenheimer Feld erreichen“.

Er skizzierte zwei mögliche Lösungen: Eine erste Lösung würde den Hauptbahnhof über das Areal am Ochsenkopf und den Gneisenauplatz mit dem Neuenheimer Feld verbinden. Durch Park-and-Ride-Plätze könnte so die Anzahl an Kraftfahrzeugen im innerstädtischen Verkehr reduziert werden. Eine zweite Lösung würde an einem Park-and-Ride-Platz am S-Bahnhof Pfaffengrund-Wieblingen starten und über das Naturschutzgebiet am Neckar bis ins Neuenheimer Feld führen. Diese Lösung sei allerdings aus Gründen des Naturschutzes problematischer.

 

Vorteile gegenüber anderen Verkehrsmitteln

 

Die Vorteile einer Seilbahnlösung sind jedoch beachtlich. Tino Imhäuser (CCD Cable Car Development Sagl) skizzierte das technische Potenzial. Dieses Verkehrsmittel habe sich, so Imhäuser, bei der Bewältigung großer Touristenströme als ausgesprochen leistungsfähiges und sicheres Transportmittel erwiesen. Die Gondeln könnten große Steigungen überwinden und straßenunabhängig zwei Punkte auf kürzestem und somit zeitsparendem Weg direkt miteinander verbinden. Das sei ein großer Vorteil: „Die Seilbahn fährt in der dritten Ebene. Sie wird nicht durch Ampeln oder Kreuzungen behindert“.

So ergebe sich eine dichte Folge der Bahnen: „Moderne Seilbahnsysteme funktionieren ähnlich wie ein Paternoster: Alle 10 bis 30 Sekunden kann eine Kabine mit rund einem Duzend Personen die Station verlassen. So ersetzt ein Seilbahnsystem bei maximaler Förderleistung einen Bus mit 80 Personen innerhalb einer Minute“. Und das alles barrierefrei: Vom Kinderwagen bis zum Fahrrad könne alles ohne Lücke von der Station in die Kabinen rollen.

Hinzu treten Vorteile bei Bau und Unterhalt einer entsprechenden Seilbahnanlage. Sie könne nämlich, so Imhäuser, in einem kurzen Zeitraum von 1,5 bis 2 Jahren errichtet werden. Und er kennt einen weiteren Vorteil: „Die Stationen und die Standorte für die Stützen haben im Vergleich zu allen anderen Verkehrssystemen nur einen sehr geringen Platzbedarf“. Darüber hinaus seien die Baukosten um die Hälfte geringer als die einer Straßenbahn. Und auch beim Energieverbrauch gebe es Vorteile: Der Motor einer Seilbahn laufe kontinuierlich und vermeide so die hohen Leistungsspitzen, die normalerweise bei der Anfahrt einer Straßenbahn auftreten.

 

Vorbilder für ähnliche Lösungen

 

Welche Vorbilder gibt es nun aber für Heidelberg? Matthias Nüßgen, Stadtplaner aus Heidelberg, nennt als Beispiel Toulouse. Dort werde eine Seilbahn geplant, die verschiedene Orte des Wissens innerhalb der Stadt verbinden soll. Eine solche Streckenführung biete auch für das Neuenheimer Feld die Möglichkeit, städtische Entwicklungspotenziale zu erschließen. Diese positiven Effekte könnten sich sogar – wie in Toulouse – bereits vor dem Bau, in Erwartung der neuen Verkehrsachsen, einstellen. Von großer Bedeutung sei jedoch die richtige Reihenfolge des planerischen Vorgehens: Als erstes solle stets eine Machtbarkeitsstudie erstellt werden, erst danach die Entscheidung für ein bestimmtes Verkehrsmittel getroffen werden.

Eine schwierige Frage sei allerdings die Integration einer Seilbahn in ein bereits bestehendes System des ÖPNV. Nüßgen stellt fest: „Wir haben hier in Heidelberg glücklicherweise einen gut funktionierenden Öffentlichen Nahverkehr. Eine Seilbahn darf kein Konkurrent sein, sondern sollte bereits bestehende Systeme ergänzen und zwar dort, wo sich keine anderen technischen Lösungen realisieren lassen oder – wie in Heidelberg – politische Diskussionen festgefahren sind“. Einen Ratschlag hat der Stadtplaner noch: „Wir sollten uns in unseren Städten die Freiheit nehmen, Verkehrssysteme so zu integrieren, dass die eingesetzten Verkehrsmittel ihre beste Wirkung entfalten können“.

 

Hindernisse auf dem Weg zur Seilbahn

 

Der Schluss der Veranstaltung zeigte allerdings auch, dass dem Bau von Seilbahnen in Deutschland viele Hindernisse im Weg stehen. Da ist erstens die Gewöhnung der Entscheidungsträger und Bürger an bestehende Systeme wie Bus und Straßenbahn. Zweitens haben die Eigentümer bei der Nutzung des Raums über ihren Grundstücken mitzubestimmen, ohne ihr Einverständnis kann faktisch keine Planung realisiert werden. Der Widerstand gegen neue Infrastrukturprojekte hat in den letzten Jahren grundsätzlich stark zugenommen. Menschen mögen es ganz besonders nicht, wenn ihnen von oben herab „in den Suppentopf geschaut wird“. Drittens ist wohl auch die Lobby der bestehenden Systeme recht stark und viertens wird von Seiten der Bürgerschaft häufig die Sorge geäußert, dass das Stadtbild gestört werde. Das größte Hindernis die Realisierung in Heidelberg dürfte jedoch der fehlende Bebauungsplan im Neuenheimer Feld sein, ohne den keine der diskutierten Lösung realisiert werden kann. An diese Stelle gilt es anzusetzen und den Vorschlag in die politische Diskussion einzubringen.

 

Beitragsbild: pixabay.com