Zur Frankfurter Buchmesse

Gute Tage beginnen golden. Der Frankfurter Hauptbahnhof sonnendurchflutet. Der eigenen Schatten eilt auf den welligen Bodenplatten der Friedrich-Ebert-Anlage um mehrfache Körperlängen voraus. Die Schlange am Eingang ist überschaubar. Ob Georgien wirklich zieht? Dem scheint so zu sein, mehr als 7.300 Aussteller aus über 100 Ländern haben sich in Frankfurt zur Buchmesse eingefunden.

 

Charakterköpfe

 

Georgien präsentiert sich dieses Jahr unter dem doppeldeutigen Motto „Made by Characters“. „Characters“ meint nicht nur die faszinierenden Charakterköpfe des kleinen Landes: Heilige, Dichter, Maler und Futuristen verbinden das Schwarze Meer mit dem Kaukasus, Russland mit Europa. „Characters“ sind auch die Buschstaben des georgischen Alphabets, das im Georgien-Pavillon dazu dient, die über 2000 Jahre alte Kulturgeschichte des Landes zu präsentieren.

 

Starke Konkurrenz

 

Auf dem roten Teppich schreiten wir Richtung Agora. Alles eigentlich wie immer. Aber die Buchbranche klagt seit Jahren. Die Umsätze im Buchhandel schrumpfen, im deutschen Markt schwanden zwischen 2013 und 2017 6,4 Millionen Käufer. Die Gründe sind wohl vielfältig, reichen von unterschiedlichen Lesegewohnheiten der jeweiligen Alterskohorten bis zur wachsenden Anzahl an Alternativangeboten: Nicht nur das Sortiment der Streamingdienste ist verlockend, auch die Gamification der Freizeitgestaltung – ob indoor oder outdoor –, eine neue Freude an communities jeglicher Art und die pausenlose Beschäftigung mit sozialen Medien oder sonstigen Onlinediensten halten vom Lesen eines Buches ab.

 

Kleine und große Gestalten auf der Buchmesse

 

Das Angebot an Neuerungen ist in Frankfurt dennoch wieder reich. Nur wenige Highlights können hier erwähnt werden: Prestel präsentiert in einem Band „Schaubilder und Schulkarten“ aus einer Zeit, als der OH-Projektor non plus ultra modernen Medieneinsatzes war. Kleine Gestalten hat wieder wunderschöne Kinderbücher im Angebot: In „Die Kinder und der Wal“ machen sich zwei Geschwister auf die Suche nach einem Blauwal. Die „Alphabetakrobaten“ versammelt Alliterationen mit detailverliebten Zeichnungen, etwa zum Buchstaben O: „Oswald der omnipotente Oktopus opfert der Obrigkeit auf offenem Ozean offenbar einen Öltanker“. Könnte so auch eine aktuelle Twittermeldung sein…

 

Geschichtliches

 

Geschichtliche Themen sind in großer Bandbreite vertreten: Der Siedler Verlag bietet mit „Jena 1800“ einen erfrischenden Einblick in die gelehrte „Republik der freien Geister“. Schöningh legt mit „Richelieu“ ein massives und nicht ganz kostengünstiges neues Standardwerk vor. Der Klartext Verlag steigt mit dem reich illustrierten Begleitband zur großen Ausstellung im Essener Ruhr Museum und dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum tief in „Das Zeitalter der Kohle“ ein.

 

Community gardening auf dem Archipel

 

Der Besuch beim Haupt Verlag lohnt in jedem Fall. Nicht nur präsentiert er zwei neue Bände seiner „50er“-Reihe: „50 Schiffe, die unsere Welt veränderten“ und „50 Maschinen, die unsere Welt veränderten“, sondern auch Bücher, mit denen die Berner den Nerv der Zeit treffen könnten: „Community Gardening“, „Bienen-Werkstatt“ und „Miniaturgärten“.

Wer hingegen das Werk der diesjährigen Gewinnerin des Deutschen Buchpreises, Inger-Maria Mahlke, lesen will, muss sich gedulden: „Archipel“ ist für die nächsten Tagen im normalen Buchhandel nicht erhältlich.

 

Beitragsbild: Stefan Burkhardt