3D-Scans und Virtual Reality in der Anthropologie

Dennis C. Dirkmaat, einer der weltweit führenden forensischen Anthropologen an der Mercyhurst University in Pennsylvania in den USA, hat bereits frühzeitig den Bedarf an 3D-Scan-Technologie erkannt. Der Forscher nutzte die Scanner von Artec 3D, um Hunderte von tierischen sowie menschlichen Knochen zu erfassen und in anatomisch präzise 3D-Modelle für einen Virtual-Reality-Kurs umzuwandeln. Die Scans kommen aber nicht nur in Kursen an medizinischen Hochschulen zum Einsatz, sondern helfen auch Kriminaltechnikern sowie Anthropologen bei ihrer Arbeit.
Ein osteologischer VR-Kurs mit 3D-Modellen
Nach zwei Jahren Entwicklungszeit entspricht der VR-Kurs Dirkmaats 15-wöchiger Präsenzausbildung für zukünftige Anthropologen. Sorgfältig aufeinander aufbauende Tests während und nach jeder Lektion stellen sicher, dass der Stoff fest im Langzeitgedächtnis verankert wird. Alle lebensechten 3D-Modelle, die im VR-Kurs gezeigt werden, wurden aus submillimetergenauen Scans echter menschlicher Knochen erstellt. Mit einem VR-Headset können die Teilnehmer mit jedem einzelnen der 206 Knochen des Körpers in hochauflösendem Farb-3D interagieren. Lektion für Lektion erweitert sich das osteologische Verständnis in einer sinnvollen Reihenfolge.
Im weiteren Verlauf des Kurses können Teilnehmer jeden Knochen virtuell in die Hand nehmen, hinein- und herauszoomen, ihn aus jedem möglichen Winkel untersuchen und in ihrem eigenen Tempo die Merkmale jedes einzelnen Knochens kennenlernen. „Dieser Kurs ist nicht nur für Personen von großem Nutzen, die in der Rechtsmedizin arbeiten, sondern auch für alle, die eine berufliche Laufbahn in der Medizin oder dem Gesundheitswesen anstreben“, so Dirkmaat. „Ein solides Fachwissen über die menschliche Osteologie ist auch für viele andere Disziplinen von entscheidender Bedeutung.“
3D-Scans übertreffen manuelle Messungen
„Die verwendeten 3D-Scanner erfassen alles detailgetreu – egal ob es sich um die langen, geschwungenen Oberflächen des Oberschenkels, die vielen fadenförmigen Nahtstellen und Vertiefungen des Schädels oder die wirklich winzigen Knochen der Hände und Füße handelt. In wenigen Minuten kann ich einem Studenten, der noch nie zuvor mit dieser Technologie in Berührung gekommen ist, beibringen, wie man jeden Knochen und jede anatomische Struktur scannt und präzise Messungen mit einer Genauigkeit von unter einem Millimeter vornimmt. Das gilt selbst dann, wenn man über mehrere gekrümmte Flächen misst. Manuelle Messungen kommen nicht einmal annähernd an das heran, was die 3D-Scans liefern können”, betont Anthony Lanfranchi, einer der Autoren des Kurses und Masterstudent für forensische Anthropologie an der Mercyhurst University.
Das Timing könnte dabei nicht besser sein. „Das ist zurzeit extrem vorteilhaft, nicht zuletzt aufgrund der Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen beim Zugriff auf menschliche Knochensammlungen“, so Lanfranchi. Und ohne die Scan-Technik von Artec 3D könnten die Forscher ihre umfangreiche Knochensammlungen nicht so schnell in VR-fähige 3D-Modelle verwandeln.
Zahlreiche Einsatzgebiete der 3D-Scans
Die angefertigten 3D-Scans dienen aber auch dazu, virtuelle Kurse zur Ausbildung von Medizin- und Zahnmedizinstudenten oder von forensischen und biologischen Anthropologen zu erstellen. Dirkmaat brachte sich bereits mehrfach in Identifizierung menschlicher Überreste ein nach Katastrophen wie dem Absturz des United-Fluges 93 in Somerset/Pennsylvania im September 2001, und des Colgan-Air-Absturzes in Buffalo im Jahr 2009 ein. Jetzt entwickelt er eine spezielle App für Strafverfolgungsbeamte, die diesen dabei helfen soll, Verwechslungen zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Überresten zu vermeiden. Die App wird lebensechte 3D-Modelle menschlicher Knochen enthalten, die mit maßstabsgetreuen 3D-Modellen nicht-menschlicher Überreste verglichen werden können.
Quelle: Artec 3D
Beitragsbild: Die Lektion „Feature Identification“ des VR-Kurses „Human Osteology”; Foto: Artec 3D