Arbeit und Einkommen

Widersprüchlich sind sie, die Wirtschaftsmeldungen, die uns in der letzten Zeit aus Deutschland erreichen. Der Arbeitsmarkt entwickelte sich in den vergangenen Monaten ausgesprochen positiv, die Wirtschaftsprognosen sind rosig. Nun meldete auch die deutsche Industrie einen Rekordwert: Die Zahl der Beschäftigten stieg im August 2017 im Vergleich zum Vormonat um 1,8% und übertraf nun die Marke von 5,5 Millionen. Dies ist der höchste Wert seit die Teilstatistik 2005 erstmals aufgestellt wurde.

Zunehmende Ungleichheit

Zugleich äußert sich jedoch der Internationale Währungsfonds auf seiner Frühjahrstagung in Washington zu den jüngsten Zahlen, die in vielen Ländern der Welt eine zunehmende Ungleichheit der Einkommensverteilung nahelegen. Der IWF mahnte: Wachsende Ungleichheit bedrohe die soziale Kohärenz und begünstige politische Radikalisierung. Wenn größere Teile der Bevölkerung nicht mehr von Wirtschaftswachstum, Internationalisierung und technischem Fortschritt profitierten, könne dies zu wachsenden Handelshemmnissen und Abschottungstendenzen führen. Auch in Deutschland werden diese Fragen in zunehmendem Maße drängend. So meldete der Spiegel unter der Überschrift „Arm trotz Arbeit“, dass 3,2 Millionen Menschen im März 2017 mehr als einer bezahlten Tätigkeit nachgingen. Dies ist die Schattenseite der sinkenden Arbeitslosenzahlen und der Zunahme sozialversicherungspflichtig Beschäftigter: Zusätzlich zur sozialversicherungspflichtigen Haupttätigkeit üben viele Menschen noch eine geringfügige Beschäftigung aus. Entsprechend stieg auch die absolute Zahl der geringfügig Beschäftigten auf rund 7,5 Millionen.

Immobilien

Zugleich boomt der Immobilienmarkt im Umfeld der Ballungszentren. Die Immobilienpreise und die Mieten erreichen neue Rekordhöhen – auch bedingt durch eine zunehmende Internationalisierung der Nachfrage. Selbst in Pirmasens sind die Auswirkungen in geradezu grotesker Weise spürbar: Investoren aus Saudi-Arabien und China suchen nach guten Anlagemöglichkeiten, der Markt kann die Nachfrage in der strukturschwachen Stadt kaum noch bedienen. Auf der anderen Seite geben Haushalte in Deutschland bis zu 30% und mehr der verfügbaren Einkommen für Miete aus.

Bedingungsloses Grundeinkommen

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens weitere Fürsprecher findet: Nachdem bereits Götz Werner seit einigen Jahren dieses Konzept propagiert, stellte nun auch Timotheus Höttges, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Telekom AG, die Frage, wie sich die Sozialsysteme entwickeln müssten, um auf die kommenden Änderungen der Unternehmens- und Arbeitswelt vorbereitet zu sein. Auch Joe Kaeser, der Vorstandsvorsitzende der Siemens AG, gilt nicht nur als Verfechter des Grundeinkommens, sondern forderte auch kürzlich eine „Grundversorgung im Alter“.

Anpassungsdruck

Diese Gedanken entspringen sicherlich nicht reiner Philanthropie, sondern sind als Reaktion auf die geschilderten Verwerfungen der gegenwärtigen Arbeitswelt und die künftigen Friktionen einer weitgehend digitalisierten Wirtschaft zu verstehen, in der es wohl noch schwieriger werden wird, dauerhaft die Anspruchszeiten zu erwerben, die für eine ausreichende Absicherung in traditionellen Sozialsystemen notwendigen sind. Man darf darauf gespannt sein, wie entsprechende Pilotversuche verlaufen werden, die in Schleswig-Holstein geplant sind.