Auf dem Weg zum Quantensprung

Quantencomputer versprechen eine gewaltige Steigerung der Rechenleistung und vielfältige neue Anwendungsmöglichkeiten. Wann Quantenrechner zum breiten Einsatz kommen, wie die technischen Lösungen dann aussehen und welche Anwendungen denkbar sind, bleibt jedoch häufig vage. Sebastian Zanker und Iris Schwenk von Heisenberg Quantum Simulations klären uns im Gespräch auf.

 

Funktionsweise und Vorteile

 

Sebastian Zanker

Foto: Heisenberg Quantum Simulations

ZV: Herr Zanker, was ist ein Quantencomputer?

SZ: Konventionelle Computer rechnen auf der Grundlage von Bits, also mit den beiden Zustände 0 und 1. Mehrere Bits werden zu Registern (direkt mit dem Prozessor verknüpften Speicherbereichen) zusammengeschlossen. Mit einem Register aus drei Bits lassen sich beispielsweise die Zahlen 0-7 darstellen. Bei einem Quantencomputer wird ein Bit durch ein Quantenbit (auch Qubit genannt) ersetzt: Es gibt nicht nur wie beim Bit die Zustände 0 oder 1, sondern auch jede beliebige Überlagerung dieser beiden Zustände (Superposition). Ein Quantencomputer rechnet also nicht nur mit einer Zahl aus dem Register, zum Beispiel 7, sondern gleichzeitig mit allen Zahlen, die er mit seinem Register darstellen kann. In unserem Beispiel aus drei Qubits wären dies also 8 Zahlen gleichzeitig. Ein Quantencomputer mit 70 Qubits kann bereits mehr Zahlen gleichzeitig speichern, als es Sterne im Universum gibt.

 

ZV: Was ist der Vorteil von Quantencomputern?

Foto: Heisenberg Quantum Simulations

IS: Quantencomputer bieten hinsichtlich ihrer Rechenleistung einen exponentiellen Mehrwert gegenüber herkömmlichen Computern. Das wurde für spezifische Probleme gezeigt, unter anderem für die Primfaktorzerlegung, die die Grundlage für eine im Moment weitverbreitete Verschlüsselungsmethode ist. Allerdings muss man auch sagen, dass Quantencomputer nicht in jedem Problemfeld angewendet werden können.

ZV: Wie muss man sich die technische Realisierung eines Quantencomputers vorstellen?

SZ: Es gibt vor allem zwei Ansätze der Implementierung: erstens die sogenannten Ionenfallen, in denen einzelne Atome und Ionen für Rechenoperationen Verwendung finden. Ein zweiter Ansatz sind supraleitende Schaltkreise, also supraleitende Qubits, die mit herkömmlichen Verfahren der Mikrotechnologie realisiert werden können. Das ist der Ansatz, der bei großen Hardware-Herstellern wie Google oder IBM stärker im Fokus steht.

 

Probleme

 

ZV: Welche Probleme ergeben sich hierbei?

IS: Im klassischen Computer, in dem die Bits nur zwei Zustände annehmen können, sind kleine Störungen leicht korrigierbar. Bei einem Quantencomputer, in dem auch alle Überlagerungen zwischen 0 und 1 dargestellt werden sollen, sieht die Sache schon schwieriger aus, Ein kleiner Fehler kann dazu führen, dass Informationen verloren gehen. Die Herausforderung besteht darin, Quantenbits in der Qualität herzustellen, die notwendig ist, um Quanteninformationen stabil zu halten, bis die Berechnungen durchgeführt wurden. Diese Stabilität muss man auch dann erhalten können, wenn man mehrere Quantenbits zusammenschaltet. Zurzeit gibt es nur kleine Chips mittlerer Qualität.

ZV: Supraleitung bedeutet ja wahrscheinlich auch, dass eine entsprechende Kühlung notwendig ist?

SZ: Ja. Man benötigt flüssiges Helium um die supraleitenden Schaltkreise auf die Temperatur zu bringen, bei der sie funktionieren. Diese sehr niedrige Temperatur liegt quasi beim absoluten Nullpunkt, also ungefähr -273°C

 

Zeithorizonte

 

ZV: Die große und schwierig zu beantwortende Frage ist ja, wann Quantencomputern regulär eingesetzt werden können.

IS: Wir denken, dass es in den nächsten Jahren möglich sein wird, mit den ersten kleinen Quantenchips Rechenoperationen durchzuführen, die auf einem klassischen Computer so kaum realisierbar sind. Für spezifische Probleme, zum Beispiel im Chemiebereich, wird man so einen Mehrwert erzielen können. Wann an einen ein allgemeinen Einsatz von Quantencomputern zu denken ist, lässt sich nur sehr schwer abschätzen. Das kann noch mehrere Jahrzehnte dauern.

ZV: Die Quantencomputer werden aber eher Service als Produkt sein?

SZ: Ja. Auf absehbare Zeit werden Quantencomputer bei den Herstellern stehen und die Nutzer nur online über eine API auf sie zugreifen. Entsprechend wird man sich Rechenzeit einkaufen müssen. Tatsächlich ist es so, dass IBM mit der Q Experience der Öffentlichkeit bereits einen kleinen Quantenchip zur Verfügung stellt. Man kann auf die entsprechende Webseite gehen, sich einen Account anlegen und einfache Quantenalgorithmen ausprobieren.

 

Anwendungsmöglichkeiten

 

ZV: Welche Anwendungsmöglichkeiten eröffnen Quantencomputer?

IS: Wir bei Heisenberg Quantum Simulations sind der Auffassung, dass vor allem Probleme quantenmechanischer Natur geeignet sind, durch quantenmechanische Systeme gelöst zu werden. Diese quantenmechanischen Probleme finden sich im Bereich von Molekülen und Materialien. Hier kann eine starke Wechselwirkung zu Effekten führen, die sich nicht mehr klassisch beschreiben lassen, die aber bei der Suche nach neuen Materialien oder Wirkstoffen von großer Relevanz sind. Unser Ziel ist es, die Entwicklungszeiten für unsere Kunden beschleunigen.

ZV: Auf welchen Branchen zielen Sie mit Ihrem Angebot?

SZ: Anwendungsmöglichkeiten finden sich zum einen in der Chemie- und Pharmaziebranche. Zum anderen können aber auch Automobilzulieferer und anderen Unternehmen, die stark auf Materialforschung setzen, von unserem Angebot profitieren. Wir helfen bei der Erforschung von allen Effekten, die eine stark quantenmechanische Natur haben und die man klassisch nicht mehr berechnen kann, zum Beispiel Magnetismus oder Hochtemperatursupraleitung.

ZV: Bieten Sie primär einen Service an oder programmieren Sie für die Unternehmen?

SZ: Das wird sich stufenweise entwickeln. Aktuell schauen wir uns gemeinsam mit unseren Kunden an, wie sich einzelne Probleme mit Hilfe eines Quantencomputers lösen lassen, also wie der Algorithmus beschaffen sein muss, welche Art Quantencomputer geeignet ist, und wann sich Realisierungsmöglichkeiten ergeben. In einem zweiten Schritt werden wir eine Software zur Verfügung stellen, die der Kunde nutzen kann, um sein Problem auf einem Quantencomputer abzubilden.

 

Gründen in Karlsruhe

 

ZV: Wie entstand Heisenberg Quantum Simulations?

IS: Unser Kernteam ging aus einer von Michael Marthaler am KIT geleiteten Arbeitsgruppe zu Quantencomputing und supraleitenden Systemen hervor. Als IBM und Google in dieses Feld eingestiegen sind, war uns klar, dass wir kommerziell relevante Anwendungen für Quantencomputer ermöglichen wollen. Deshalb entschieden wir uns, ein Unternehmen zu gründen und nahmen am upCAT, dem Start-up-Accelerator-Programm des KIT, teil. Wir lernten in diesem Programm unseren fünften Gründer, Tobias Grab, kennen, der bereits Gründungserfahrung mit Hochtechnologieunternehmen hatte.

ZV: Wie kamen Sie in das CyberLab?

IS: Wir waren auf der Suche nach einem Ort, an dem wir gemeinsam fokussiert an unserem Projekt arbeiten können. Wir schauten uns das CyberLab an, haben uns hier gleich beworben und bekamen eine Zusage. So fanden wir nicht nur einen Raum, an dem wir gut arbeiten können. Das Team des CyberLab und das CyberForum unterstützen und beraten uns auch und helfen uns bei der Suche nach wichtigen Kontakten.

ZV: Wie beurteilen Sie die Gründerstadt Karlsruhe?

IS: Wir fühlen uns hier in Karlsruhe gut aufgehoben. Ein Gründer kann aus einer Vielzahl an Programmen und Förderungen wählen. Das ist gerade dann besonders sinnvoll, wenn man aus der Wissenschaft kommt und keine Business-Erfahrung hat. Außerdem liegt Karlsruhe in einer Region, die sich von Basel und Frankfurt erstreckt, in der sich viele potenzielle Kunden für uns finden.

ZV: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Iris Schwenk und Dr. Sebastian Zanker

Heisenberg Quantum Simulations

Qorrection GmbH

Am Brurain 23

D-76187 Karlsruhe

www.heisenberg.xyz

info@heisenberg.xyz

 

Beitragsbild: Heisenberg Quantum Simulations