Die Pflege smart unterstützen

Foto: Thomas Link

Autonome Roboter werden künftig wichtige Aufgaben in der Pflege, aber auch in der Logistik, in der Produktion und der Gastronomie übernehmen. Zeitenvogel sprach mit Thomas Link (Varomo) über eine Möglichkeit, die Pflege smart zu unterstützen.

ZV: Herr Link, was macht Varomo?

TL: Varomo entwickelt mit CAREcules einen modular aufgebauten Transportroboter für eingeschränkte und ältere Menschen. CAREcules folgt seinem Anwender in einem festgelegten Abstand und transportiert erschütterungsarm Objekte bis zu 15 Kilogramm im häuslichen Umfeld und in Einrichtungen des Gesundheitswesens. Er hilft so Menschen, die auf Gehilfen angewiesen sind oder aber Alltagsgegenstände wie Tassen und Teller nur schlecht selbst tragen können.

ZV: Wie kamen Sie auf den Namen Varomo?

TL: Varomo steht für VAriable ROboter MOdule. Roboter kommen nicht nur in einem, sondern in einer Vielzahl von Bereichen zur Anwendung. Deshalb können wir unsere Roboter kurz- bis mittelfristig mit unterschiedlichen Modulen für verschiedene Einsatzzwecke ausrüsten, zum Beispiel in Krankenhäusern, in Reha-Zentren oder in Einrichtungen des betreuten Wohnens. Aber auch in der Produktion, der Logistik, im Catering und anderen Branchen, in denen Transportaufgaben übernommen werden müssen, sind unsere Roboter durch entsprechende Modularisierung einsetzbar.

Der CAREcules in der Reha; Abbildung: Varomo

ZV: Was ist das Besondere am CAREcules?

TL: Das Fahrwerk des CAREcules kann Absätze bis zu 1,5 Zentimeter überwinden, ohne dass auf ihm abgestellte Kaffeetassen oder Suppenteller überschwappen. Darüber hinaus findet CAREcules seinen Weg, ohne dass er auf ein Kamerasystem zurückgreifen muss. Es ist auch keinerlei Installationsaufwand im häuslichen Umfeld bzw. in einer sonstigen Einsatzumgebung notwendig. CAREcules folgt nämlich dem Nutzer mit Hilfe eines Senders. Da der Nutzer den Weg bereits beschritten hat, muss der Roboter keinen Hindernissen ausweichen: Wo ich als Mensch durchpasse, passt der Roboter im Umkehrschluss auch durch.

In Umfragen stellten wir allerdings fest, dass die Nutzer des CAREcules trotz aller Vorteile der automatischen Navigation eine zusätzliche, alternative Kontrollmöglichkeit wünschen. Deshalb kann der Anwender unseren Roboter auch über einen Joystick oder ein Steuerkreuz dorthin navigieren, wo er ihn haben möchte.

ZV: Können Sie etwas zur Akkulaufzeit des CAREcules sagen?

TL: Die genaue Akkulaufzeit des CAREcules ist natürlich abhängig von der Häufigkeit der Nutzung, von der Beladung sowie von der Distanz, die er zurücklegen muss. Wir werden den Akku aber so auslegen, dass der CAREcules bei normaler Benutzung mindestens zwei Tage ohne Aufladung nutzbar ist.

ZV: Wie kamen Sie auf die Idee für den CAREcules?

TL: Mein Mitgründer Phillip Pfundstein hatte vor einiger Zeit einen Kreuzbandriss. Sein Arzt machte ihn darauf aufmerksam, dass er durch die Krücken, auf die er angewiesen war, ein Transportproblem bekommen werde. Als ausgebildeter technischer Betriebswirt und Industriemeister Metall sah sich Philipp durch dieses Problem herausgefordert und suchte sofort nach einer Lösung. So entstand ein erster, noch sehr rudimentärer Prototyp, aus dem dann in mehreren Iterationsphasen die heutige Version von CAREcules entstand.

Der CAREcules im häuslichen Umfeld; Abbildung: Varomo

ZV: Und wie entstand Ihr Unternehmen Varomo?

TL: Ich traf Philipp, als er gerade an dem zweiten Prototyp arbeitete. Durch einen glücklichen Zufall war ein früherer Arbeitskollege von Philipp zwischenzeitlich Professor an der Hochschule Pforzheim geworden. Er brachte uns 2015 miteinander in Verbindung und ich fertigte als Abschlussarbeit in meinem Studiengang „Ressourceneffizienz-Management“ eine erste Marktuntersuchung für den CAREcules im Gesundheitswesen an. Das war der Startschuss für unsere gemeinsame Reise.

ZV: Wie kamen Sie zu dem Schluss, Varomo zu gründen?

TL: Meine Marktanalyse hatte gezeigt, dass das Marktpotenzial für unsere Roboter sehr groß ist: In der D-A-CH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) gibt es insgesamt circa 20 Millionen Menschen, die beim Transport von Alltagsgegenständen eingeschränkt sind. Davon sind circa 14 Millionen Menschen über 70 Jahre, deren Feinmotorik eingeschränkt ist. Circa zwei Millionen Menschen sind temporär geheingeschränkt. Das sind zum Beispiel Personen mit einem gebrochenen Bein oder Patienten, die eine Knie- oder Hüftoperation auskurieren. Darüber hinaus sind circa vier Millionen Menschen dauerhaft geheingeschränkt, etwa Schlaganfallpatienten oder Patienten mit Parkinson bzw. Multipler Sklerose.

Nachdem wir sicher sein konnten, dass ein Markt für unser Produkt vorhanden ist, schauten wir uns mit Hilfe eines Beraters nach einem talentierten Mechatroniker um und hatten das Glück, Karl-Bang Gottlebe zu finden und ihn von unserer Vision zu überzeugen. 2016 konnten wir im ersten Anlauf das EXIST-Gründerstipendium einwerben. Somit war die Grundfinanzierung gesichert und wir konnten den Prototypen zum CAREcules weiterentwickeln. Im Januar 2017 gründeten wir die Varomo UG.

Das Team von Varomo; Foto: Varomo

ZV: Hatten Sie bei Ihrer Gründung Unterstützung?

TL: Ja. Nach EXIST konnten wir das Stipendium Junge Innovatoren des Landes Baden-Württemberg einwerben. Somit ist für 2018 die Grundfinanzierung der drei Gründer gesichert. Des Weiteren nahm uns die innoWerft 2017 in ihren Breakthrough-Accelerator auf. Und seit Januar 2018 sind wir im SpinLab-Accelerator in Leipzig, welcher der HHL Leipzig nahesteht. Durch diese Programme haben wir Zugang zu einem exklusiven und für uns sehr wertvollen Partnernetzwerk. Wir können so auch über die Grenzen Baden-Württembergs hinaus bekannt werden.

ZV: In welche Richtung wollen Sie Varomo weiterentwickeln?

TL: Unseren Markteintritt wollen wir innerhalb der nächsten 18 Monate vollziehen. Wir werden im Gesundheitsbereich ansetzen, zum einen bei den Privatpersonen, zum anderen im B2B-Bereich, zum Beispiel bei Rehazentren oder Einrichtungen des betreuten Wohnens. Im B2B Bereich des Gesundheitswesens konnten wir bereits zwei Pilotkunden für uns gewinnen. Mit diesen Kunden werden wir verschiedene Projekte durchführen, in denen der CAREcules das Pflege- und Servicepersonal unterstützt und entlastet. Wir können uns aber auch vorstellen, die Einsatzgebiete unserer Roboter im Bereich der Produktion und Logistik weiterzuentwickeln. Wir freuen uns deshalb immer, unser System Krankenkassen, Reha-Zentren, Senioreneinrichtungen oder Unternehmen mit Erfahrung im Bereich der Hardware-Entwicklung oder Produktion vorzustellen.

Unsere große Vision ist es, mit CAREcules dem Begriff „Haushaltslogistik“ eine ganz neue Bedeutung zu geben, indem wir unser System zu einem essentiellen Bestandteil künftiger „smart homes“ aufwerten. Aktuell sind wir auf der Suche nach einer Seed-Finanzierung in Höhe von 500.000 Euro um die Entwicklung forcieren zu können.

ZV: Eine letzte Frage: Was sind wichtige Eigenschaften eines Gründers?

TL: Die wichtigste Eigenschaft ist Leidenschaft für das, was man tut. Wichtig ist ebenso Flexibilität bei der Verwirklichung der eigenen Vision. Man darf nicht immer mit dem Kopf durch die Wand. Hinzu kommen Durchhaltevermögen, Belastbarkeit, Offenheit gegenüber allem Neuen und fachliches Know-how. Sehr wichtig ist auch die Fähigkeit, sich ein starkes Team und Netzwerk aufzubauen – alleine kommt man vielleicht schnell voran, weit kommt man aber nur mit starken Partnern. Und zu guter Letzt: Den Spaß bei der Sache niemals vergessen!

ZV: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Thomas Link

Varomo UG

Schubertstraße 4

71065 Sindelfingen

www.varomo.de

t.link@varomo.de

Beitragsbild: Varomo