Die Gastronomie digitalisieren

Patrick Neulinger; Foto: Leaf Systems

Die Digitalisierung hat auch Auswirkungen auf die Gastronomie. Neue Methoden der Datenverarbeitung und des Kundenmanagements können die Arbeit der Gastronomen erleichtern. Zeitenvogel sprach mit Patrick Neulinger und Patrick Marksteiner (beide Leaf Systems) über die Herausforderungen digitaler Lösungen für die Gastronomie, Roboter als Kellner und eine digitale Branchenwährung.

ZV: Herr Neulinger, was ist Leaf Systems?

PN: Leaf Systems ist ein Unternehmen, das Restaurant-Softwarelösungen anbietet. Unsere Software soll den Gastronomen helfen, die Prozesse und Abläufe in ihren Betrieben zu optimieren. Wir bieten eine Reihe von Produkten an, mit denen man nicht nur Geld sparen, sondern auch die eigenen Umsätze steigern kann. Wir haben acht Mitarbeiter im Haus sowie mehrere Vertriebsmitarbeiter auf Provisionsbasis und kommen heute auf circa 400 Kunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

ZV: Wie groß sind die gastronomischen Betriebe Ihrer Kunden?

PN: Ein großer Vorteil unserer Software ist ihre Flexibilität. Sie läuft nicht nur plattformunabhängig auf IOS, Android oder Windows, sondern ist auch unabhängig von den Größen des jeweiligen Betriebs. Deshalb haben wir Kunden aller Größenordnungen: Von den Betreibern kleinerer Cafés und Bars bis hin zu Veranstaltern von Events, auf denen mehrere tausend Gäste in großen Festzelten von zahlreichen Kellnern bedient werden müssen. Gerade bei den großen Events können die Kellner häufig nur kurz angelernt werden. Hier zeigt sich ein weiterer Vorteil unseres Systems: Es ist sehr einfach zu bedienen. Man muss das Personal nicht aufwändig schulen.

ZV: Welche Module bieten Sie an?

PN: Die Module umfassen zunächst die Kellner-Geräte und digitale Speisekarten. So lassen sich auch außergewöhnliche Geschäftsmodelle verwirklichen. Helldone’s Burriteria in Feldkirch hat zum Beispiel ein Self-Kiosk-System entwickelt: Dort arbeitet eigentlich kein Kellner im klassischen Sinne mehr, der Gast bestellt sich sein Essen selbst auf einem Monitor, einem sogenannten Kiosk. Die Bestellung wird dann direkt auf einem Monitor in der Küche angezeigt. Wenn das Essen fertig ist, wird das Barpersonal durch die Küche informiert und bringt die Bestellung zum Kunden. Durch dieses System konnten erhebliche Optimierungspotenziale realisiert werden.

Die Geräte im Einsatz; Foto: Leaf Systems

Aber auch jeder andere gastronomische Betrieb kann durch unsere Kellner-Geräte und die digitalen Speisekarten Laufwege sparen und den Durchsatz steigern. Für den Gast bietet unser System nicht nur einen Zeitvorteil – das Warten auf Bestellung, Essen und Rechnung verkürzt sich erheblich. Der Gast fühlt sich in dem jeweiligen Restaurant auch besser aufgehoben, da der Kellner durch unsere Lösung unterstützt wird und keinen Stress mit Bestellzetteln und falschen Bestellungen mehr hat – er kann sich so ganz den Wünschen und Vorlieben der Kunden widmen.

Neben Kellner-Geräten und digitalen Speisekarten bieten wir auch ein Kassensystem mit Kassenbuch und ein Warenwirtschaftsmodul an. Dieses System ist voll DATEV-fähig, das heißt man kann beim Steuerberater Kosten sparen. Unser System entspricht nicht nur den strengen österreichischen Vorschriften, sondern unser System hat ebenso eine GoBD (Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff)-Schnittstelle, welche in Deutschland durch die Audicon GmbH zertifiziert wurde. Wir können also garantieren, dass unser System den gesetzlichen Auflagen des Bundesministeriums für Finanzen entspricht – auch den Vorschriften, die 2020 in Kraft treten werden.

Auf Wunsch bieten wir dem jeweiligen Gastronomen eine Plattform, auf der er nicht nur seinen Betrieb im Internet präsentieren, sondern auch Speisekarten online stellen, Vorbestellungen organisieren und Gutscheinaktionen schalten kann.

ZV: Wie funktioniert der Austausch zwischen den Modulen?

PN: Jeder unserer Kunden hat die Möglichkeit, sein System im Internet zu synchronisieren. So kann er von überall auf seine Daten zugreifen. Die einzelnen Geräte im Restaurant sind über Wifi vernetzt. Keines unserer Produkte ist von einer aktiven Internetverbindung abhängig. Wenn das Internet ausfällt, ist dies kein Problem, der Produktivbetrieb läuft weiter. Das ist ein großer Vorteil unseres Systems gegenüber ähnlichen Produkten.

Patrick Marksteiner; Foto: Leaf Systems

PM: Man darf niemals vergessen, dass ein System in der Gastronomie sehr stabil sein muss. Stellen Sie sich einen lebendigen Abend in einem Restaurant vor: Die Bestellungen müssen sofort auswertbar sein, da darf nichts ausfallen. Unser System ist einfach, stabil und erweiterbar.

ZV: Was meinen Sie beide als Wirtschaftsinformatiker: Wohin geht die Reise einer digitalisierten Gastronomie in den kommenden Jahren? Wird es in zehn Jahren noch menschliche Kellner geben oder werden diese durch Roboter ersetzt werden?

PN: (lacht) Natürlich wird man auch dann noch immer Kellner haben. Restaurants zeichnen sich ja gerade durch gute Mitarbeiter aus. Die Software soll ja nicht den Kellner ersetzen, sondern ihm bei seiner Arbeit helfen. Gerade beim derzeitigen Fachkräftemangel ist es gut, wenn Möglichkeiten bestehen, die beschränkte Arbeitskraft möglichst gut einzusetzen. Hier bietet die Digitalisierung Möglichkeiten, auf die man zurückgreifen kann. Als Wirtschaftsinformatiker können wir der Gastronomie dabei helfen, die Digitalisierung voranzutreiben.

PM: Die Gastronomen werden ihr Angebotsspektrum erweitern. Schon heute ist es gerade die Vielfalt der gastronomischen Betriebe, die unsere Tätigkeit so spannend macht. Insbesondere junge Gastronomen können an Innovationen aus ganz verschiedenen Bereichen andocken. Flexibilität und Offenheit sind für uns sehr wichtig. Genau so haben wir auch unser Softwaresystem konzipiert. Unser System ist ein offenes System, über dessen Schnittstellen man zahlreiche Partnerangebote integrieren kann. Durch unsere Ausbildung können wir ein komplexes Themenumfeld einfach darstellen und die grundlegenden Prozesse erklären. Deshalb können wir unsere Kunden sehr flexibel beraten und mit ihnen gemeinsam individuelle Lösungen suchen.

Umgekehrt konnten wir auch die in der Gastronomie gefundenen Lösungen bereits auf Probleme der gewerblichen Industrie anwenden. Das heißt wir können auch ohne größere Schwierigkeiten zwischen den Branchen übersetzen. Uns erreichen bereits zahlreiche Anfragen aus anderen Branchen.

ZV: Sie planen ja auch eine eigene Digitalwährung für Restaurantbetriebe. Welchen Vorteil hat eine solche Währung?

PM: Wir möchten mit dieser digitalen Branchenwährung ein ganzes Ökosystem aufbauen, das Vorteile für alle bringt. Die Gäste können mit dieser Währung einfach bezahlen. Die Gastronomen erhalten wiederum die Möglichkeit, Kosten bei Kartenzahlungen zu sparen und darüber hinaus auch Produkte bei ihren Lieferanten zu kaufen. Darüber hinaus können über dieses Bezahlmodell auch Rabattprogramme für besonders treue Kunden installiert werden. Unsere Währung soll aber kein Spekulationsobjekt sein. Wir wollen eine stabile Währung schaffen und orientieren uns an der Blockchain-Technologie nur deshalb, um die Sicherheit der Transaktionen zu gewährleisten.

ZV: Wie entstand Leaf Systems?

PN: Patrick [Marksteiner] und ich kennen uns aus der Schule und hatten bereits dort gemeinsame Projekte initiiert. Eines dieser Projekte hat sogar einen Preis beim Äquivalent von „Jugend forscht“ in Österreich gewonnen. Leaf Systems selbst entstand aus einem studentischen Projekt an der Universität Mannheim. 2013 gründeten wir zusammen mit Shenwei Ye noch während unseres Studiums die Leaf Systems GmbH. Für den Einstieg in unser erstes Projekt war es von großem Vorteil, dass Shenwei bereits Erfahrungen im gastronomischen Bereich hatte. In Kombination mit unserem technischen Hintergrund hatten wir eine gute Startposition. Nach unserem Studienabschluss bauten wir das Unternehmen ständig weiter aus. 2014 bekam Leaf Systems Zuwachs von Thomas Krisch, der unser Team verstärkt. Wir stellten im Laufe der Zeit weitere Mitarbeiter ein, bezogen neue Büroräumlichkeiten und Leaf Systems wuchs.

ZV: Was sind wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Gründung?

PM: Am wichtigsten ist sicherlich erstens, ein gutes Team zu haben. Man muss sich klar darüber sein, mit wem man zusammenarbeitet. Die Stimmung muss gut sein, jeder sollte das gleiche Ziel vor Augen haben und sich dafür voll einsetzen.

Zweitens muss man bei einem Produkt ganz genau wissen, was man macht und für wen man es macht. Die Wünsche des Kunden sollten stets im Vordergrund stehen. Man sollte in der frühen Phase immer erst mit dem Kunden sprechen und sich Feedback holen, um möglichst viel Erfahrung und Eindrücke sammeln zu können. Nur so kann man wissen, ob die eigene Geschäftsidee funktioniert.

ZV: Welche Rolle spielte die Universität Mannheim für Ihre Gründung?

PM: Neben den guten Studienbedingungen, die man in Mannheim hat, konnten wir viele Kontakte knüpfen. Wir hatten das Glück, dass gerade zum Zeitpunkt der Gründung von Leaf Systems das MCEI (Mannheim Center for Entrepreneurship and Innovation) gegründet wurde. Uns wurde dort ein Büro zur Verfügung gestellt, in dem wir unsere Ideen nicht nur planen, sondern auch gleich umsetzen konnten. Das ist ein weiterer Rat an Gründer: Im universitären Umfeld gibt es oft sehr viel Unterstützung. Wenn sich einem solche Möglichkeiten bieten, sollte man sie auch nutzen.

ZV: Und weshalb sind Sie hier in Mannheim geblieben?

PM: Die ganze Rhein-Neckar-Region ist wirtschaftlich sehr stark, innovativ und daher für uns sehr attraktiv. Wir konnten hier viele Erfahrungen und Anregungen sammeln, uns weiterentwickeln und entfalten. Wir blicken sehr positiv in die Zukunft.

ZV: Vielen Dank für das Gespräch.

Patrick Neulinger und Patrick Marksteiner

Geschäftsführer

Leaf Systems GmbH

Rheingoldplatz 1

68199 Mannheim

www.leaf-systems.eu

Patrick.Neulinger@leaf-systems.eu

Patrick.Marksteiner@leaf-systems.eu

Beitragsbild: Leaf Systems