Gedruckte Biologie

Foto: Roman Grasy

Digitalisierungsprozesse verändern auch die biologische Forschung grundlegend. Insbesondere der 3-D-Druck bietet vielfältige Anwendungsmöglichkeiten. Zeitenvogel sprach mit Roman Grasy (Intuity Media Lab GmbH) über den Stellenwert der Kreativität im Zeitalter der Digitalisierung, strategische Innovationsberatung und Organe aus dem 3-D-Drucker.

ZV: Herr Grasy, was ist für Sie Digitalisierung?

RG: Das verbindende Element der Digitalisierungsprozesse in der Wirtschaft ist, dass Produkte immer stärker untereinander vernetzt werden. Das Internet wird gleichsam in einzelnen Objekten platziert. So können zum einen Mehrwerte generiert werden. Zum anderen verschwimmt die Grenze zwischen Hardware und Software immer stärker. Das hat Auswirkungen auf Geschäftsmodelle und Unternehmensstrukturen.

Abhängig von Ländern und Produkten haben diese Digitalisierungsprozesse einen spezifischen Namen. Ein Beispiel: Industrie 4.0 ist eigentlich nichts anderes als Digitalisierung in der Industrie, in den USA spricht man vom Industrial Internet.

ZV: Welchen Stellenwert hat die Kreativität im Zeitalter der Digitalisierung?

RG: Das Schöne an der Digitalisierung ist, dass viele Bereiche noch ungestaltet sind und Kreativität erfordern. Für die traditionelle Industrie ist die Interaktion mit dieser neuen Welt aber mitunter eine große Herausforderung. Hier können wir von Intuity helfen. Für uns zeichnen sich Gestaltung und Design dadurch aus, dass wir das Morgen anders als das Heute machen wollen. Digitalisierung ist in dieser Sichtweise der Entwurf neuer Systeme: Wo platziert man neue Geschäftsmodelle? Wie digitalisiert man Prozesse innerhalb von Unternehmen? Wie sind Dienstleistungen zu planen? Wie lassen sich Kundenzugänge vereinfachen? Wie steigert man die Attraktivität von Produkten?

ZV: Was machen Sie bei Intuity genau?

RG: Wir sind eine strategische Innovationsberatung, die sich mitten in der digitalen Welt verortet. Zum einen beraten wir Unternehmen bei der Entwicklung von Visionen und Konzeptionen, zum anderen begleiten wir das konkrete unternehmerische Handeln im ersten Produktzyklus. Intuity ist aus dem User-Experience-Design geboren. Unsere Mitarbeiter stammen aber nicht nur aus den Bereichen Design, Konstruktion und Hardware-Entwicklung, es gibt ebenso Biologen, Physiker und Data Scientists. Mithilfe dieser Disziplinen können wir Vorhaben in vielen Kontexten gestalten und realisieren.

ZV: Im Moment verfolgen Sie mit Cellbricks ein Projekt aus dem Bereich der gedruckten Biologie. Um was handelt es sich dabei?

RG: Die Mitarbeiter von Cellbricks hatten eine spezifische Bio-ink entwickelt, eine synthetisch hergestellte extrazelluläre Matrixstruktur, in der Zellen leben können. Das langfristige Ziel der damit verbundenen Forschungen ist es, mit Hilfe dieser Bio-ink im 3-D-Druckverfahren Organe komplett künstlich herstellen zu können. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg.

In einem ersten Schritt hatte uns Cellbricks beauftragt, eine 3-D-Matrix nach einem digitalen Modell entstehen zu lassen. Wir entwickelten gemeinsam mit Cellbricks einen Drucker, mit dem Zellkulturen nach einem CAD/CAM-Modell dreidimensional gedruckt werden können.

ZV: Was zeichnet Ihren Drucker aus?

RG: Unser Drucker kann mehrere Materialien gleichzeitig drucken. Die Präzision des 3-D-Drucks ist so hoch, dass zum Beispiel die gedruckten Adern den körperlichen Vorbildern sehr nahekommen, ja fast identisch ist. Während des Drucks werden Zellen beigemischt, so erhält die Struktur lebenden Charakter. Sie entwickelt sich nach und nach, erweitert und verselbständigt sich.

ZV: Welche Anwendungsfelder für die gedruckten Objekte gibt es?

RG: Die wichtigsten Anwendungsbereiche sind direktmedizinische Tests, bei denen körperliche Modelle abstrahiert und Tierversuche ersetzt werden. Mit Hilfe der gedruckten Objekte wird aber auch erforscht, wie die Struktur beschaffen sein muss, um Organe – Leber oder Plazenta – im kleinsten Maßstab nachzubauen.

ZV: Wo würden Sie einen Konnex zur Digitalisierung sehen?

RG: Ein Kennzeichen der Digitalisierung ist, dass nicht mehr Maschinen die wichtigsten Werte in einem Unternehmen darstellen, sondern die Kombination aus Hard- und Software. Unser Produkt, für das wir mehrfach ausgezeichnet wurden, nennen wir deshalb „Organ as a service“. Wir wollen die Regelwerke des Körpers in 3-D-Programmen abbilden. So bieten wir einem Biologen zum Beispiel die Möglichkeit, Adern in einem CAD/CAM-Programm parametrisch zu entwerfen und zu erzeugen. Bislang musste hier die Hilfe eines Modellers hinzugezogen werden. Wir haben den Kundenzugang zu den Objekten stark vereinfacht.

ZV: Welche besonderen Herausforderungen mussten Sie bei der Entwicklung des Druckers überwinden?

RG: Sicherlich mussten wir einige elektro- und materialtechnische Hürden überwinden. Die größte Herausforderung war für uns jedoch, zugleich das technische Verfahren und die Software zu entwickeln. Die Softwaresysteme sollten nämlich die Prozesse soweit abstrahieren, dass der Anwender exakt das bekommt, was er will, ohne dass er alle dahinterstehenden technischen Vorgänge verstehen muss. Das ist uns sehr gut gelungen.

ZV: Welche Disziplinen waren an der Entwicklung Ihres Druckers beteiligt?

RG: Cellbricks selbst deckte die Bereiche Pharmakologie, Molekularmedizin und Biotechnologie ab. Wir bei Intuity sind zwar keine Hardware-Ingenieure, sondern Gestalter, verfügen aber über sehr fundiertes technisches Wissen. Die einzelnen technischen Komponenten für ein solches Projekt wie unseren Drucker sind heute soweit verfügbar, dass nicht immer ein Elektrotechniker oder ein Maschinenbauer dabei sein muss. Die Methodik des Zusammenbaus ähneln sich, mit der Erfahrung unserer bereits durchgeführten Projekte ist das keine „Raketenwissenschaft“ mehr.

ZV: Wie kamen Sie zu Intuity?

RG: Ich habe Interaction Design an der Hochschule Schwäbisch-Gmünd studiert, danach noch einen Masterstudiengang in Interface Design absolviert. Mein Arbeitsschwerpunkt in Projekten ist die Gestaltung der jeweiligen Mensch-Maschine-Schnittstelle. Das schließt viele Gebiete mit ein. Vielleicht beschreibt „Innovationstreiber“ meine Rolle und die Rolle der anderen Mitarbeiter von Intuity ganz gut.

ZV: Was schätzen Sie am Technologiestandort Stuttgart?

RG: Der Raum Stuttgart ist wirtschaftlich sehr stark. Hier sind viele Hightech-Unternehmen versammelt, man kann auch vom Silicon Valley des Maschinenbaus sprechen. Schon in der Vergangenheit waren in und um Stuttgart viele Visionäre tätig, das merkt man auch heute noch. Der große Sachverstand, der hier akkumuliert ist, ermöglicht es, komplexe Projekte durchzuführen.

ZV: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Roman Grasy

Konzepter & Creative Technologist

Intuity Media Lab GmbH

Feuerseeplatz 14

70176 Stuttgart

Germany

https://www.intuity.de

grasy@intuity.de

 

Beitragsbild: pixabay.com