Glyphosat

Spätestens seit auch das vermeintlich reinste aller reinen deutschen Lebensmittel, das Bier, betroffen war, geriet das Pflanzenschutzmittel Glyphosat in Verruf. Die Debatte über das Herbizid fällt in eine Zeit, in der sich Presseberichte über den Rückgang der Insektenpopulation – insbesondere das Bienensterben – häufen. Auch die Zahl der Vögel hat wohl in erheblichem Maße abgenommen. Hinzu treten Nachrichten über mögliche Belastungen des Trinkwassers. Im Glyphosat konzentriert sich gleichsam die Kritik an einer industriell geprägten Landwirtschaft, einer optimierten Lebensmittelindustrie, mächtigen Chemiekonzernen und an Behörden, die als Vertreter von Lobbygruppen wahrgenommen werden.

Der Stoff

Glyphosat ist ein chemischer Wirkstoff  in Pflanzenschutzmitteln zur Unkrautvernichtung. Er kommt weltweit zum Einsatz und wird unter verschiedenen Namen durch unterschiedliche Unternehmen vermarktet. Glyphosat blockiert ein Enzym, das Pflanzen zur Herstellung lebenswichtiger Aminosäuren benötigen. Als Total-Herbizid ist der Stoff hochwirksam gegen alle grünen Pflanzen. Andere Pestizide gelten zwar als toxischer oder unwirksamer. Die nahezu vollständige Vernichtung aller Kräuter und Gräser auf dem jeweiligen Acker entzieht jedoch Insekten oder Feldvögeln flächenhaft die Nahrungsgrundlage.

Krebsgefahr?

Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) erklärte, dass Glyphosat bei Menschen „wahrscheinlich krebserzeugend“ sei. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sieht in dem Stoff keine Gefahr für die Gesundheit von Menschen. Die Debatten um die Einschätzung des Herbizids wurden und werden mit harten Bandagen geführt.

Die Landwirtschaft

Glyphosat ist heute das mit Abstand am häufigsten eingesetzte Pestizid. Seine Verbreitung hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen, bei zuletzt generell sinkenden Umsätzen im deutschen Pflanzenschutzmarkt. In der Landwirtschaft wird das Pflanzenschutzmittel vor allem vor der Aussaat und nach der Ernte ausgebracht und erspart so häufig das Umpflügen der Äcker. Es kann aber auch nach der Aussaat eingesetzt werden – mittlerweile gibt es gentechnisch veränderte Pflanzen, die gegen Glyphosat resistent sind. Die Arbeitsgemeinschaft Glyphosat erklärte, dass sich ohne diesen Stoff die Erträge mancher Pflanzen in Deutschland um bis zu 40% verringern würden. Ein Verbot würde die deutschen Landwirte wohl hart treffen.

Die Chemiekonzerne

Der Name Glyphosat verbindet sich vor allem mit dem US-Konzern Monsanto, der den Wirkstoff in den 1970er Jahren zum Pestizit entwickelte. Der Verdacht steht im Raum, dass der Konzern Gutachten zum dem Pflanzengift manipulierte. Teile der deutschen chemischen Industrie kritisierten ihrerseits die Debatten in Deutschland und auf der EU-Ebene. Inwieweit die Diskussionen auch die Verhandlungen um die Übernahme von Monsanto durch den deutschen Bayer-Konzern beeinflussen, ist unklar.

Das EU-Parlament

Die Debatte um Glyphosat wird nun akut, da die Zulassung des Mittels in Europa am 15.12.2017 ausläuft und verlängert werden muss. Vor dem Europäischen Parlament warnten im Oktober 2017 namhafte Wissenschaftler vor der Krebsgefahr des Unkrautvernichtungsmittels. Sie kritisierten zugleich die zuständigen EU-Stellen, die geradezu leichtfertig die Daten der Industrie übernommen hätten. Mehr als eine Million EU-Bürger forderten ein Verbot von Glyphosat.

Die EU-Kommission

Am 24.10.2017 gab die EU-Kommission nach hitzigen Debatten im EU-Parlament bekannt, dass sie bei der weiteren Zulassung des Herbizids nur noch eine einen Zeitraum von fünf bis sieben Jahren anstrebe. Insbesondere Italien und Frankreich hatten Widerstand gegen eine zehnjährige Verlängerung der Zulassung geleistet. Nun wird weiterverhandelt. Die deutsche Haltung im Streit um die Zulassung ist auch von den Verhandlungen zum Abschluss der Jamaika-Koalition abhängig.

Digitalisierung als Lösung?

Die Debatte um das Herbizid legt auch den Finger in die Wunde, dass billige Lebensmittel nicht ohne erhebliche Rationalisierungen der Landwirtschaft sowie den daraus folgenden Konkurrenzdruck der Landwirte möglich sind: Glyphosat spart Arbeit und Zeit. Sind wir bereit, mehr Geld für Nahrungsmittel und Umweltschutz zu zahlen? Vielleicht kommt es aber auch im Rahmen der Digitalisierung der Landwirtschaft zu einer anderen Lösung: statt Bauer, Bäuerin, Knecht und Magd werden vielleicht bald Roboter und autonom agierende Landmaschinen ackernd und eggend agieren. Lindner etwa stellte gerade sein Modell eines fahrerlosen Traktors vor.