Mobilität gestalten

Der Jahreswechsel begann in Deutschland recht beschaulich. Die politischen Ansprachen bemühten sich, Zuversicht in die politische Gestaltungskompetenz einer unsicheren Zukunft zu verbreiten. Einen anderen Ton schlug UN-Genrealsekretär António Guterres an, der zunehmende Spannungen, eskalierende Konflikte, Klimawandel und wachsende Ungleichheit anmahnte. Die Zeit nahm diese unterschiedlichen Bewertungen zum Anlass, in einem kurzen Artikel einen Blick in eine Zukunft zu wagen, in der bis 2100 für circa 10 Milliarden Menschen Nahrung, soziale Gerechtigkeit und eine lebenswerte Umwelt bereitgestellt werden muss. Als kleine Schritte könne eine neue Regierung in Deutschland einen Braunkohleausstieg, eine Verkehrswende und eine Abkehr von exzessiver Fleischproduktion beschließen.

Byton als Herausforderung

Gerade in der Verkehrspolitik verbinden sich einige für die Zukunft entscheidende Entwicklungsstränge. Auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas stellte der neue chinesische Elektroautohersteller Byton einen SUV vor, mit dem das Unternehmen in den Worten des Byton-Chefs und ehemaligen BMW-Manns Carsten Breitfeld Mercedes, BMW und Audi herausfordern will. Und in der Tat verkörpert der Byton-SUV zwei miteinander verbundene Problemlagen, die deutsche Autohersteller unter Druck setzen: den Bedeutungsgewinn der Elektromobilität und die zunehmende weltweite Konkurrenz an Autobauern. Sicherlich sind die technischen Schwierigkeiten einer Konstruktion leistungsfähiger Elektroautos beachtlich und nicht jeder der neuen Anbieter wird am Markt präsent bleiben. Die veränderten Fertigungsprozesse und Marktstrukturen werden jedoch insbesondere vom Süden Deutschlands erhebliche Anpassungsfähigkeiten der Fertigungsketten erfordern.

Vernetzte Hightech

Byton steht jedoch auch für ein drittes Problemfeld, auf dem die etablierten Autobauer agieren müssen: Das Auto wandelt sich zu einem vernetzten, im Idealfall „smarten“ Produkt, vollgepackt mit Sensoren und Hightech. Ein solches Auto gleicht nicht mehr den traditionellen Kraftfahrzeugen. Es stellt ganz andere Anforderungen an Hard- und Software, die in der Mehrzahl nicht mehr im eigenen Haus, nicht mehr in der eigenen Region, ja nicht mehr auf dem eigenen Kontinent hergestellt wird. Man denke nur an die immer größer werdenden Touchscreens, hochauflösendes Kartenmaterial, Serverkapazitäten und KI-Lösungen. Diese Komponenten werden die Abhängigkeit deutscher Autobauer von weltweit dominierenden Anbietern bestimmter Produktpaletten verstärken. In einem vierten Bereich sind die deutschen Automobilhersteller aber bereits recht gut aufgestellt: Autonomes Fahren wird trotz noch vorhandener Probleme in einem recht überschaubaren Zeithorizont möglich, ja auch üblich sein.

Offene Fragen

Die Problemfelder der Automobilindustrie definieren künftige Herausforderungen staatlichen Handelns und gesellschaftlicher Diskussionen: Wie kann der Staat den Ausbau der notwendigen Elektro-Infrastruktur fördern? Welche Maßnahmen sind notwendig um die bisherigen Produktionsketten anzupassen und die Härten eines möglichen Strukturwandels abzufedern? Welche technischen Kooperationsmodelle zwischen den Automobilherstellern bieten sich an? Wie kann die Förderung einschlägig tätiger Start-ups in Deutschland besser koordiniert und gebündelt werden?

Mobilität in der Stadt

Zukunftsfähige Verkehrspolitik sollte jedoch nicht nur autonom fahrende Elektroautos im Blick haben. Sie muss vor allem die Frage beantworten, wie sich ein Infarkt des innerstädtischen Verkehrs vermeiden lässt. Geht man zum einen davon aus, dass der Lieferverkehr weiterhin rasant zunimmt und autonom fahrende Kraftfahrzeuge nicht zu einer Verminderung, sondern möglicherweise zu einer Vermehrung des Verkehrsaufkommens beitragen werden, wird man zwei Lösungsansätze nicht ignorieren können, die sich auch kombinieren lassen: die Förderung des Fahrradverkehrs und Modelle gemieteter oder geteilter Mobilität. Gerade auf den letzten Kilometern können Lastfahrräder – mit und ohne Elektromotor oder auch zum Dreirad ausgestaltet – den Lieferverkehr erheblich entlasten. China erweist sich insbesondere bei der massenhaften Verbreitung von Leihfahrrädern erneut als Vorreiter. Allerdings scheint ein regulierender Rahmen in diesem Bereich notwendig: nicht nur chinesischen sondern auch deutsche Städte – wie etwa München – könnten sonst auf Dauer an Leihfahrrädern ersticken.

Datenschutz

Dringend geboten ist auch mehr denn je eine gesellschaftliche Debatte über die Frage des Datenschutzes: Moderne Autos sammeln bereits heute erhebliche Mengen an Daten und geben diese auf nicht immer geklärte Art und Weise weiter. Künftig wird eine wahre Flut an Informationen aus zahllosen Sensoren und Kameras hinzutreten, die den öffentlichen Raum pausenlos zigfach erfassen: Autos, Fahrräder und die Infrastruktur „smarter“ Städte werden datenschutzrechtliche Regelungen zunehmend erschweren.

Nicht nur verkehrstechnisch bleibt viel zu tun im neuen Jahr.