Mythos Tesla

Lange Zeit galt Tesla als Paradigma eines modernen Automobilunternehmens, das sich anschickt, die etablierten Branchenvertreter das Fürchten zu lehren. Zwischenzeitlich hatte Tesla General Motors als wertvollsten US-Autokonzern abgelöst. Die innovative Durchschlagskraft des Herstellers aus Kalifornien liegt vor allem in der Vereinigung von Elektromobilität und (teil)autonomem Fahren. Diese Kombination serienreif auf den Markt gebracht zu haben, ließ die vom Dieselskandal gebeutelte deutsche Autoindustrie mit einem Mal alt aussehen.

Model 3

In den letzten Tagen mehrten sich jedoch die Anzeichen, dass sich Tesla in Schwierigkeiten befindet. Es scheint so, als ob dem Unternehmen die Massenfertigung des neuen Models 3 zunächst nicht recht gelingen mag. Dieses Modell sollte Tesla eigentlich in die Sphäre der ernstzunehmenden Automobilproduzenten katapultieren. Die Nachfrage ist enorm: Es gibt mehr als eine halbe Million Vorbestellungen. Ursprünglich war geplant, dass bereits heute über 1000 Autos in der Woche vom Band laufen sollten.

Verzögerungen und Verlust

Nun kam es zur Verschiebung der Produktionsziele um ein ganzes Quartal auf Ende März 2018. Zugleich sackte Tesla mit 619 Millionen Dollar Verlust tief in die roten Zahlen ab, der Aktienkurs sank nach dem Höhenflug der vergangenen Monate leicht. Kritiker monieren darüber hinaus die geringen Gewinnspannen bei den bisherigen Modellen.

Zwei Probleme und die Konkurrenz

Die Verzögerungen lassen sich wohl auf zwei Probleme zurückführen: Zum einen gibt es in der neuen Batteriefabrik in Nevada, der Gigafactory, Produktionsengpässe. Diese sollen laut Musk auf einen Lieferanten zurückzuführen sein. Zum anderen bereitet jedoch auch die eigentliche Produktion des Modells 3 Schwierigkeiten.

Diese Verzögerungen kann sich Tesla eigentlich nicht leisten. Die etablierten Autohersteller haben die Zeichen der Zeit erkannt: VW und General Motors sind Tesla auf dem US-amerikanischen Markt auf den Fersen. Daimler und BMW planen in den nächsten Jahren eine breite Flotte von Elektro- und Hybridmodellen. Darüber hinaus drängen auch andere Hersteller mit eigenen Konkurrenzmodellen auf den Markt.

Schwierigkeiten der Automatisierung

Gilt Tesla als das innovativere Unternehmen, haben die etablierten Autohersteller den Kaliforniern noch einen gewichtigen Vorteil voraus: die jahrzehntelange Erfahrung in der automatisierten Massenfertigung von Fahrzeugen. Hier greifen Logistik, Robotik und Ingenieurskönnen eng ineinander. Bei Tesla scheint es am Einbau der Karosserie, dem Verschweißen der Karosserie und der Montage von Karosserie und Fahrgestell zu haken. Hinweise deuten insbesondere auf Probleme bei den automatisierten Schweißarbeiten hin – möglicherweise bedingt durch die Verwendung von Stahl statt wie bisher Aluminium. Die letzten Fertigungsschritte – wie der Einbau von Displays und Sitzen – werden möglicherweise erst bei den Händlern erfolgen.

Angeschlagen, aber nicht geschlagen

Die an Tesla häufig gerühmten Eigenschaften könnten sich nun als Nachteil erweisen: Die Schnelligkeit auf dem Weg zur anvisierten Marktreife erschwert möglicherweise ausgiebige Tests. Die etablierten Hersteller können Massen an Ingenieuren aufbieten – mit dem dort akkumulierten Fachwissen kann Tesla noch nicht konkurrieren. Dennoch geht man in den Reihen der deutschen Automobilunternehmen eher von vorübergehenden Schwierigkeiten aus. Tesla bleibt ein harter Konkurrent.

Chinesische Perspektiven

In einem der wichtigsten künftigen Märkte für E-Mobilität verdichten sich die Hinweise auf eine dauerhafte Präsenz: Tesla bestätigte kürzlich die Einigung mit den chinesischen Behörden über den Bau einer Fabrik, die den chinesischen Markt und möglicherweise andere asiatischen Länder beliefern soll. Ab 2019 müssen zehn Prozent der verkauften Wagen ausländischer Autobauer Elektro- oder Hybridautos sein. Tesla ist hier klar im Vorteil.