Novemberhilfe benachteiligt einige Branchen

Ob die 75-Prozent-Pauschale der Novemberhilfe des Bundes das Überleben von Unternehmen sichern kann, ist in den stark betroffenen Branchen vielfach fraglich. Viele Unternehmen gerade in diesen Branchen haben wenig flexible Kostenstrukturen und werden durch eine Pauschalregel eher benachteiligt. Das zeigt die Corona-Befragung des German Business Panel (GBP) an der Universität Mannheim. An der repräsentativen Studie nahmen bundesweit über 10.000 Unternehmen teil. Die Studie zeigt zudem, dass der zweite Lockdown – der gemeinhin als „light“ bezeichnet wird – genau die Unternehmen trifft, die bereits während der ersten Welle am stärksten betroffen waren. Damit wird ihre Überlebenswahrscheinlichkeit erheblich gesenkt.

 

Eine Frage von Wirksamkeit und Zielgenauigkeit

 

Bereits die erste Corona-Welle hat viele Unternehmen in Deutschland stark belastet. Der zweite Lockdown stellt die Unternehmen nun erneut vor große Herausforderungen. Daher hat der Staat das Konjunkturprogramm verlängert und die Hilfsmaßnahmen erweitert. Entscheidend sind jedoch vor allem die Wirksamkeit und Zielgenauigkeit der staatlichen Hilfen. Die Studie des German Business Panel an der Universität Mannheim untersucht daher, wie wirksam die Maßnahmen tatsächlich sind: Wer profitiert am stärksten von Staatshilfen? Wie wirkt die 75-Prozent-Pauschale der Novemberhilfe? Wer reduziert seit der Mehrwertsteuersenkung die Preise?

In den am stärksten betroffenen Branchen haben die staatlichen Hilfsmaßnahmen zwar eine gewisse positive Wirkung entfaltet. Doch das reicht nicht in jedem Fall aus, um die Überlebenswahrscheinlichkeit der Unternehmen entscheidend zu erhöhen. Das zeigt die neue Studie. Bei Messe- und Kongressveranstaltern oder Reisebüros beispielsweise stieg die Überlebenswahrscheinlichkeit durch staatliche Hilfen zwar um gut 30 Prozentpunkte, selbst damit liegt sie jedoch weiterhin unterhalb der 60-Prozent-Marke.

In den weniger stark betroffenen Branchen haben die staatlichen Hilfen in einigen Bereichen (zum Beispiel Landwirtschaft, öffentliche Unternehmen) wiederum so gut wie keine Wirkung entfaltet – selbst wenn sie in Anspruch genommen wurden. „Für eine bessere Zielgenauigkeit der Maßnahmen ist es somit wichtig, auch über wirkungsvollere Zugangsvoraussetzungen zur Inanspruchnahme der Hilfen nachzudenken“, argumentiert Professor Dr. Jannis Bischof von der Universität Mannheim. Bischof ist Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensrechnung sowie Mitautor der Studie.

 

Novemberhilfe trifft auf unterschiedliche Kostenstrukturen

 

Anfang November wurden den Unternehmen nun neue Corona-Hilfen versprochen. So sollen Unternehmen beispielsweise pauschal bis zu 75 Prozent des Umsatzes erstattet werden, den sie im November 2019 erwirtschaftet haben. „Interessant ist, dass diese pauschale Regelung weniger Bürokratie und Verwaltungsaufwand verursacht. Genau das wurde an den Maßnahmen im Frühjahr noch deutlich kritisiert“, so Bischof.

„Allerdings zeigen sich in den Daten erhebliche Unterschiede in den Kostenstrukturen, selbst innerhalb der erneut betroffenen Branchen“, fügt er hinzu. „Einigen Unternehmen fällt es sehr leicht, Kosten kurzfristig und flexibel zu reduzieren. Sie profitieren stark von der Pauschalerstattung. Andere Unternehmen haben starre Kostenstrukturen, zum Beispiel aufgrund langfristiger Vertragsbindungen.“ Für diese Unternehmen könne, laut Bischof, die Pauschalerstattung nachteilig sein und mitunter nicht ausreichen, um das wirtschaftliche Überleben zu sichern. Gerade diese Unternehmen seien es aber typischerweise, die sich etwa gegenüber ihren Mitarbeitern durch besondere soziale Verantwortung auszeichnen.

 

Mehrwertsteuersenkung führt oft nicht zu Preissenkungen

 

Ein weiteres Ergebnis der Studie betrifft die Mehrwertsteuersenkung. Die Daten zeigen, dass die Senkung der Mehrwertsteuer in vielen schwer getroffenen Branchen nicht zu niedrigeren Konsumentenpreisen geführt hat. In vielen Branchen erhöhten Unternehmen die Preise sogar. „Nichtsdestotrotz könnte die temporäre Senkung der Mehrwertsteuer immer noch Wirkung entfalten“, bemerkt Professor Dr. Philipp Dörrenberg, ein weiterer Mitautor der Studie. Dörrenberg ist Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Universität Mannheim. „Die Unternehmen müssen den Kostendruck, der den aktuellen Umständen geschuldet ist, weitergeben. Das führt zu höheren Preisen. Durch die Mehrwertsteuersenkung fallen diese benötigten Preiserhöhungen möglicherweise kleiner aus, sodass der Verbraucher und letztlich auch die Unternehmen profitieren“.

 

Weitere Informationen

 

Die Studie „Empirische Erkenntnisse zum zweiten Lockdown: Wer trägt die Last und wie wirken die staatlichen Hilfsmaßnahmen?“ basiert auf den Umfragen des German Business Panel, das das langfristige Befragungspanel des DFG-geförderten überregionalen Sonderforschungsbereichs „Accounting for Transparency“ ist. Regelmäßige Folgestudien, unter anderem zu steuerpolitischen und regulatorischen Änderungen im Zuge der Corona-Krise, sind geplant.

Die Zusammenfassung der Studie ist abrufbar unter: https://www.accounting-for-transparency.de/wp-content/uploads/2020/11/gbp_ergebnisbericht_november_2020.pdf

Der Sonderforschungsbereich (SFB) „TRR 266 Accounting for Transparency“ startete im Juli 2019 und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für zunächst vier Jahre gefördert. Er ist der erste SFB mit betriebswirtschaftlichem Schwerpunkt. Am SFB sind rund 80 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von acht Universitäten beteiligt: Universität Paderborn (Sprecherhochschule), Humboldt-Universität zu Berlin und Universität Mannheim, zudem Forscherinnen und Forscher von der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie der European School of Management and Technology Berlin, Frankfurt School of Finance & Management, Goethe-Universität Frankfurt am Main und WHU – Otto Beisheim School of Management. Die Forscherinnen und Forscher untersuchen, wie Rechnungswesen und Besteuerung die Transparenz von Unternehmen beeinflussen und wie sich Regulierungen und Unternehmenstransparenz auf Wirtschaft und Gesellschaft auswirken. Das Fördervolumen des SFBs beträgt rund 12 Millionen Euro. Mehr Infos unter: http://www.accounting-for-transparency.de

 

Quelle: Universität Mannheim

 

 

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