Zur Finanzberichterstattung nachhaltiger Unternehmen

Seit diesem Jahr unterliegen die Nachhaltigkeitskennzahlen eines Unternehmens für zahlreiche Betriebe den gleichen Regeln zur Veröffentlichung wie dessen Finanzinformationen. Doch wie gehen Unternehmen mit den nichtfinanziellen, so genannten ESG-Kennzahlen um, die Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung betreffen? Der neueste Bericht des German Business Panel (GBP) zeigt: Mehr als ein Viertel von ihnen betreibt damit Bilanzpolitik – das heißt, sie nutzen legale Spielräume, um ihre Ergebnisse in einem besseren Licht erscheinen zu lassen.

Im Januar 2023 ist die neue EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung in Kraft getreten, seit diesem Jahr gilt sie in Deutschland. Diese legt Unternehmen Vorgaben zur Berichterstattung über Klima- und Umweltschutz sowie soziale Gerechtigkeit und Unternehmensführung (auf Englisch: Environmental, Social, Governance (ESG)) auf. Mit der Änderung sollen die Nachhaltigkeitsinformationen eines Unternehmens den gleichen Stellenwert wie die Finanzinformationen erhalten. Dass viele Unternehmen die Spielräume in der Finanzberichterstattung zur Bilanzpolitik ausnutzen, ist bekannt. Der Januar-Bericht des GBP gibt Aufschluss darüber, ob sich ein hohes unternehmerisches Bewusstsein für Nachhaltigkeit auch auf die Bilanzpolitik niederschlägt: Sind nachhaltige Unternehmen ehrlicher?

Die Ergebnisse der GBP-Umfrage legen nahe, dass dies nicht der Fall ist. Unternehmen mit ESG-Fokus betreiben genauso häufig Bilanzpolitik wie Unternehmen ohne eine solche Ausrichtung (27,7 Prozent respektive 25,5 Prozent). Konkret nutzen sie die Ermessensspielräume, um den Gewinn für steuerliche Zwecke zu mindern oder für Zwecke der Kommunikation mit Unternehmenspartnerinnen und Unternehmenspartnern zu erhöhen. „ESG-Vorgaben wirken sich auf die langfristige wirtschaftliche Performance und somit auch auf das Bilanzbild aus. Dass die Unternehmen ihre Ergebnisse im Rahmen des Erlaubten in einem besseren Licht erscheinen lassen, ist daher nicht verwunderlich“, erklärt Projektleiter Prof. Dr. Jannis Bischof.

Unternehmerisches Engagement für Nachhaltigkeit geht also nicht zwangsläufig mit einer ehrlicheren Berichterstattung einher. Im Gegenteil: Wenn ESG-Orientierung nur durch Marktdruck von Banken und Lieferantinnen und Lieferanten erzwungen wird und nicht integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie ist, greifen Unternehmen sogar überdurchschnittlich oft zu Bilanzpolitik. 43,6 Prozent der Unternehmen, die ESG-Maßnahmen aufgrund von externen Marktdruck umsetzen, nutzen bilanziellen Ermessensspielraum opportunistisch. Unter den Unternehmen, die ESG als Teil ihrer Unternehmenswerte ansehen, liegt dieser Anteil nur bei 25,2 Prozent.

„Auch die nicht-finanziellen Kennzahlen, beispielsweise zum CO2-Ausstoß oder zu sozialen Maßnahmen, sind keinesfalls alle objektiv nachprüfbar und auch sie unterliegen Wertungen und Schätzungen des Managements. Angesichts dieses hohen Anteils an nachhaltigen Unternehmen, die aktiv Bilanzpolitik betreiben, liegt es nahe, deren nun veröffentlichte ESG-Kennzahlen ebenfalls mit Vorsicht zu interpretieren und auf Verzerrungen zu prüfen“, so Bischof.

Auch in Hinblick auf die Größe der Unternehmen variiert die Neigung: Mit 36 Prozent ist der Anteil der mittleren und großen Unternehmen unter denen, die Bilanzpolitik betreiben, am höchsten. Nach Branchen betrachtet fällt auf, dass im Baugewerbe die Bereitschaft zu Bilanzpolitik bei überdurchschnittlichen 34,6 Prozent liegt.

Der Bericht zeigt zudem, dass die betriebswirtschaftlichen Indikatoren zu Jahresende entgegen den Prognosen erheblich gesunken sind. Im Mittel gehen die Unternehmerinnen und Unternehmer aktuell davon aus, dass ihre Gewinne im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 2,6 Prozent sinken werden.

 

Den „GBP-Monitor: Unternehmenstrends im Januar 2024“ finden Sie hier.

 

Quelle: Universität Mannheim

 

 

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