Alles neu

Die Hans-Martin-Schleyer-Halle liegt im Halbdunkel. Vor dem schwarzen Hintergrund der umlaufenden Vorhänge präsentieren sich die versammelten Start-ups in hellem Grün. Grobspanplatten, Baugerüste und grüne Absperrbänder verleihen der Örtlichkeit den Charme des Unfertigen, des Machens und Konstruierens. In der Mitte des großen Ovals legt ein DJ auf, in einem Glascontainer finden Workshops statt. Die Glasflächen der bodenhohen Fenster sind mit Postern und bunten Post-Its tapeziert. Kreativität im transparenten Raum.

Alles neu

In der Halle; Foto: Stefan Burkhardt

 

Start-ups aus aller Welt

 

Rund 200 Unternehmen aus der ganzen Welt, in unterschiedlichen Entwicklungsstadien und mehr oder minder starken Anbindung an die Großen der Branche, haben sich auf Einladung des IT-Dienstleisters GFT in Stuttgart beim new.New Festival versammelt. Das trifft sich gut mit den Intentionen der Landespolitik: Baden-Württemberg will eine digitale Innovationslandschaft aufbauen, die sich neben dem Sillicon Valley oder Tel Aviv behaupten kann.

 

Der Code_n-Wettbewerb

 

Im Zentrum des diesjährigen Festivals stehen Möglichkeiten und Perspektiven der Künstlichen Intelligenz. Auf der Hauptbühne erhält man einen guten Einblick, was die Start-ups bewegt. Hier findet der internationale Code_n-Wettbewerb statt. Jedes Start-up hat 2:30 Minuten Vortragszeit, dann stellt die Jury ebenso lange Fragen.

Xain aus Berlin stellt für das Internet der Dinge die notwendige Sicherheit bereit, um auf all die vernetzten „Dinge“, von Maschinen bis zu Autos, unbeschadet und unbesorgt zugreifen zu können. FuelSave aus Portugal will Logistikunternehmen ermöglichen, Treibstoff zu sparen, indem es die Fahrer zu Verhaltensänderungen motiviert. Die Münchner von Holo-Light beschleunigen und integrieren vor allem im fertigenden Bereich eine Vielzahl von 3D-Modellen für VR- und AR-Anwendungen. Actyx aus München will Mitarbeiter, Rechner und IT-Software auf eine einfache und effektive Art integrieren. Rosey aus den USA unterstützt Lehrer bei der Korrektur ihrer Klausuren.

 

Die Preisträger

 

ThingsTHINKING aus Karlsruhe ermöglicht KI-gestützte semantische Analysen großer Datenmengen. Welches Potenzial in diesem Unternehmen steckt, erkannte auch die Jury. Sie verlieh dem Unternehmen 5.000 Euro Preisgeld als „Best Industry Disruptor“.

Sixdof Space aus Israel widmet sich dem ultraschnellen optischen Tracking, das vor allem VR-Geräte unterstützen soll. Die drei Gründer erhielten den mit 5.000 Euro dotierten Preis in der Kategorie „beste technologische Innovation“.

Das US-amerikanische Start-up Airfox, das Finanzdienstleistungen für jedermann ermöglichen will, überzeugte die Jury. Das Start-up erhielt in der Kategorie „bestes Geschäftsmodell“ den mit insgesamt 20.000 Euro dotierten Hauptpreis.

 

In der Halle

Kein Holzweg; Foto: Stefan Burkhardt

 

Die Ambivalenz der KI

 

Sollten die Geschäftsmodelle und Visionen der hier versammelten Start-ups aufgehen, wird Künstliche Intelligenz künftig nicht nur die Arbeit von Experten vereinfachen, sondern als leistungsfähiger Ratgeber beachtlichen Einfluss auf unsere Lebensgestaltung ausüben. Ein rascher Gedanke blitzt auf: Zwang ist dann relativ. Wer kennt nicht das Bonmot modernen Managements, das gerne vermeintlich kooperativ agierenden Vorgesetzten in den Mund gelegt wird: „Sie unterschätzen den Befehlscharakter meiner Ratschläge“. Einige der versammelten Start-ups wollen die Unternehmenskommunikation durch den Einsatz von KI verbessern. So schaut immer der große Bruder dem eh bereits gestressten Call-Center-Mitarbeiter über die Schulter.

 

In der Halle der Möglichkeiten

 

VR

Virtuelle Ballonfahrt; Foto: Stefan Burkhardt

In der Halle findet sich dann noch ein breiteres Spektrum an Geschäftsideen, von der Parkraumbewirtschaftung durch AIRPARK aus Braunschweig, über die Straßenüberprüfung von vialytics aus Stuttgart (auf Zeitenvogel bereits im Interview), bis zu Fraunhofer mit seiner Roboterplattform und den Innovationslaboren und Ausgründungen der Großen der Branche, Daimler, Porsche, Kärcher und Bayer. Beim Gang durch die Messestände wird klar: Sicherheit ist ein großes Thema. Datensicherheit und Datenschutz werden darüber entscheiden, in welchem Maß mittelständische Unternehmen bereit sind, ihr kostbarstes Kapital, das eigene Wissen, in das Internet of Things einzubringen.

 

Förderung in einer schnellen Welt

 

Auch präsentieren sich eine Vielzahl von Förderinitiativen und Beratungsinstitutionen. Sie zeigen, was Baden-Württemberg bereits investiert. Um im Wettbewerb mit China und den USA standhalten zu können, wird jedoch noch viel mehr notwendig sein. Besuch aus Berlin wäre sinnvoll – vielleicht würden dann manche Prioritäten im politischen Diskurs anderweitig gesetzt und Energie sinnvoller investiert. Ulrich Dietz, der Verwaltungsratsvorsitzende des IT-Dienstleisters GFT Technologies, formulierte es deutlich: „Die Welt dreht sich unheimlich schnell und sie wartet nicht auf uns.“

 

Auch Mannheim war vertreten

 

Ein kleines Highlight am Abend soll nicht unerwähnt bleiben: Matthias Rauch von startup-Mannheim zeigte, welch bedeutenden Einfluss die Förderung von Start-ups auf die Entwicklung einer größeren deutschen Stadt ausüben kann (auf Zeitenvogel bereits im Interview).

 

Auch Mannheim

Blick von der Tribüne; Foto: Stefan Burkhardt

 

Beitragsbild: Stefan Burkhardt