Auf Augenhöhe

Es ist nicht immer einfach, eine passende Kommunikationsagentur zu finden.Gerade im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft sind individuelle Lösungen gefragt. Zeitenvogel sprach mit Julia Schönborn und Dirk Welz (LEADING EDGE) über Persönlichkeiten mit Ecken und Kanten, die Veränderungen der Agenturlandschaft und Frauen in der digitalen Welt.

Agentur

Foto: Julian Beekmann; HD_KW

ZV: Frau Schönborn, was ist LEADING EDGE?

JS: LEADING EDGE ist eine Kommunikations- und Kreativagentur, die es sich zum Ziel gesetzt hat, besonderen Menschen und besonderen Marken zu einer herausragenden Kommunikation zu verhelfen.

ZV: Inwiefern lieben Sie das Unbequeme?

JS: Im Kommunikationskontext schleifen Menschen ihr Profil heute viel zu sehr herunter bis auf Inhalte, von denen sie glauben, dass die Welt das so hören möchte. Dabei verstecken und retuschieren sie aber ihre Persönlichkeit. Wir bei LEADING EDGE glauben hingegen, dass es gerade die prägenden Erfahrungen und Brüche sind, die Menschen interessant machen. Wir tun gut daran, diese auf den ersten Blick unbequemen Inhalte nicht zu verstecken, sondern die Entwicklung der Menschen nachzuzeichnen und so auch transparent zu machen, was sie leisten können.

LEADING EDGE

Foto: Julian Beekmann; HD_KW

DW: Ein gutes Symbol für unsere Vorgehensweise ist Kintsugi. Kintsugi ist das traditionelle japanische Handwerk, Scherben auf kunstvolle Weise wieder zusammenzufügen und die Rissspuren mit Gold oder anderen Edelmetallen zu verzieren. Der Betrachter soll den Kunstwerken ihre Geschichte, die Brüche, das Unperfekte, ansehen. Das macht den besonderen Reiz dieser Objekte aus.

 

Auf Tuchfühlung mit den Kunden

 

ZV: Wie gehen Sie bei einem Auftrag vor?

JS: Auf uns kommen meist Menschen zu, die ihr Unternehmen aufbauen wollen oder Hilfe bei der Visualisierung oder Kommunikation eines bestimmten Projektes benötigen. Wir können einen großen Bereich abbilden, zum Beispiel die Erstellung einer Website, eines Flyers oder eines Buchsatzes, die Durchführung einer Kommunikationsanalyse, Hilfe bei der Markenbildung, Onlinemarketing oder Guerilla-Marketing, Pressearbeit und Crowdfunding-Beratung.

Wir gehen aber zunächst auf Tuchfühlung mit unseren Kundinnen und Kunden. Wir wollen erst einmal schauen, ob sie mit uns und wir mit ihnen gut zusammenarbeiten können. Wir wollen mehr über die Menschen erfahren, die zu uns kommen, was hinter ihren Wünschen steckt, wo sie hinwollen, weshalb sie sich ihre Ziele gesetzt haben und wie das, was sie machen, zu ihrer eigenen Persönlichkeit passt.

DW: Wir arbeiten nicht nur mit den Menschen, wir triezen sie. Auch da sind wir unbequem. Unsere Kundinnen und Kunden zahlen Geld dafür, dass sie selbst arbeiten müssen. Wir geben ihnen Hausaufgaben. Wir verschwinden nach dem Briefing nicht in der Versenkung, sondern unsere Beratung ist ein kontinuierlicher Prozess, in den die Kundinnen und Kunden immer wieder mit eingebunden werden.

 

Die Veränderungen der Agenturlandschaft

 

ZV: Wo verorten Sie sich in der Agenturlandschaft?

DW: In früheren Zeiten gab es nur klassische Werbeagenturen und klassische Kommunikationsagenturen. Dann kamen die 365-Grad-Agenturen, später die Digitalagenturen. Heute haben wir auch die Agenturen, die sich nur auf den Bereich Web spezialisiert haben. Das setzt viel Detailwissen voraus. Wir können bei LEADING EDGE nicht alles selbst machen. Wir wissen aber, welche Möglichkeiten es gibt, können das unseren Kunden vorschlagen und externe Dienstleister engagieren.

JS: Wenn man früher beim Unternehmensaufbau zu einer Agentur gegangen ist, wurde eine Checkliste auf den Tisch gelegt, auf der stand, was die Kunden alles zu tun haben. So verstehen wir uns nicht. Wir haben keine vorgefertigten Ideen in der Schublade. Wir arbeiten vor allem mit Selbständigen und kleinen Unternehmen im kreativen Bereich zusammen. Die Lösungen müssen hier sehr individuell sein und berücksichtigen, wieviel Zeit und Ressourcen zur Verfügung stehen. Wir schauen uns an, was die jeweiligen Personen selbst leisten können und schlagen entsprechende Maßnahmen vor. Das ist ein sehr kreativer Prozess, bei dem man auf ungewöhnliche Dinge kommt.

 

Besprechung

Besprechung bei LEADING EDGE; Foto: Julian Beekmann; HD_KW

 

ZV: Welchen persönlichen Hintergrund haben Sie?

DW: Ich komme ganz klassisch aus der Fotografie, die ich an einer Hochschule in Hamburg gelernt habe. Dann lernte ich mich auch in das Mediendesign ein. Als ich Julia kennengelernt und wir gut zusammengearbeitet haben, dachte ich mir: „Das ist es! Wir bauen eine Agentur auf!“

JS: Ich bin Doktorin der Literaturwissenschaften und habe viel im Bereich Social Media, als PR-Beraterin und als Texterin gearbeitet. Dirk und ich haben gemerkt, dass sich unsere Fähigkeiten und unsere Denkweisen ideal ergänzen. Unsere Dritte im Team, Lia Gänzler, ist ausgebildete PR-Beraterin und studierte Kommunikationswissenschaftlerin. Sie macht sehr viel im Bereich Pressearbeit und Content-Marketing. Mit unserem Team können wir auch größere Aufträge gut stemmen.

 

Gründerinnen in der digitalen Welt

 

ZV: Frau Schönborn, Sie sind im Rhein-Neckar-Raum vielfältig engagiert, etwa bei den Digital Media Women. Wie kann die Digitalisierung bei der Frauenförderung helfen?

JS: Frauen sind gerade bei Unternehmensgründungen und zu Beginn ihrer Selbstständigkeit stark in ihrer Sozialisation gefangen. Sie stellen ihr Licht oftmals unter den Scheffel, sie wissen nicht so richtig, wie sie kommunizieren sollen und wollen lieber ihre Taten für sich sprechen lassen. Dabei vergessen sie aber, dass wir in einer Welt leben, in der wir mit Informationen und Marketing geradezu zugemüllt werden. Wir müssen also alle ein bisschen Marktschreier sein um überhaupt wahrgenommen zu werden – auch wenn das der eigenen Persönlichkeit nicht entspricht. Ebenso wichtig ist das Netzwerken. Das gehört einfach dazu, wenn man sich selbständig macht.

Social Media und die Diskussion in Foren helfen gerade Frauen dabei, sich selbst zu präsentieren, sich als Expertin zu positionieren, sich mit anderen auszutauschen und zu vernetzen. Frauen müssen aber auch lernen, sich den Raum zu nehmen, der ihnen zusteht. Bei den Digital Media Women diskutieren wir, wie die Digitalisierung Frauen dabei helfen kann, sich auch einmal etwas ausufernder zu präsentieren und so auch potenzielle Auftraggeberinnen und Auftraggeber zu akquirieren.

ZV: Trotzdem hat man den Eindruck, dass Gründungen und Start-ups vor allem Männersache sind.

JS: Wir haben noch immer eine ziemlich geringe Quote von Gründerinnen. Im Bereich der Gründung von Sozialunternehmen ist diese Quote etwas höher. Meist werden Frauen als risikoärmer bewertet. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Ein anderer Punkt scheint mir wichtiger: Wenn Frauen neben ihrer Familie ein eigenes Unternehmen gründen, dann geschieht das oft aus einer existenziellen Situation heraus, in der sie zum Beispiel durch ihre Kinder am Arbeitsmarkt nicht mehr so viele Chancen haben. Das haftet dem Selbstwertgefühl und dem Auftreten der jeweiligen Frauen an.

Sicherlich gibt es viele tolle Angebote etwa durch die IHKs oder das gig7 in Mannheim, wo Frauen lernen, ihr Unternehmen bestmöglich zu präsentieren und wirtschaftlich auf tragfähige Grundlagen zu stellen. Viele Frauen nehmen sich dann aber doch wieder hinter den Mann zurück, der Hauptverdiener ist. Hier muss ein entsprechender Bewusstseinswandel auf die politische Agenda. Ein weiteres Problem ist das Geld: Investoren sind größtenteils männlich und investieren vor allem in Männer. Dass hier noch nicht mehr getan wird, ist sehr schade. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg, aber es geht zu langsam voran. Wir brauchen viel mehr Empowerment für Frauen.

ZV: Herr Welz, inwieweit empowern Sie Frau Schönborn?

DW: Ich glaube schon alleine dadurch, dass wir viel reden. Es muss nicht einmal um konkrete Projekte gehen. Wir tauschen uns sehr stark und oft aus. Ich denke, die Konstellation hier bei uns ideal. In reinen Männergruppen setzt sehr rasch ein Machtgerangel ein, wenn nicht durch starre Hierarchien die Struktur vorgegeben ist. Gerade in Dreiergruppen ist die Gefahr gegeben, dass sich zwei gegen einen zusammenschließen. Das ist hier nicht der Fall.

JS: Wir haben für uns beschlossen, dass wir auch gegenüber den Kunden komplett gleichberechtigt auftreten. Das ist nicht immer ganz einfach, da der eine oder andere Kunde einen Hauptansprechpartner bzw. eine Hauptansprechpartnerin erwartet. So etwas gibt es aber bei uns nicht: In unserem Team gibt es unterschiedliche Kompetenzen, aber keine Hierarchien. Wir schätzen die Leistungen, die unterschiedlichen Herangehensweisen und Ideen der anderen Teammitglieder. Uns ist Augenhöhe sehr wichtig – sowohl im Kundenkontakt als auch untereinander: So wie wir die Menschen, mit denen wir arbeiten, herausfordern und so wie wir uns als ihr Partner und als Begleitung verstehen, so verstehen wir uns gegenseitig als Partner und als Begleitung.

 

Ein engagiertes Gründerzentrum

 

ZV: Was schätzen Sie am Dezernat 16?

DW: Ich bin jetzt fünf Jahre im Dezernat 16. Ich mag das Entspannt-Lockere, dass man hier selbstbestimmt arbeiten kann. Man wird nicht eingeschränkt. Es gibt eine sehr illustre Mieterschaft, quer durch die Kultur- und Kreativwirtschaft von der Fotografie bis zur Restauration und Metall-Bildhauerei. Außergewöhnlich für ein Gründungszentrum ist das hohe Engagement der Mieter, sie sind immer für Kooperationen offen. Das zeigte sich zum Beispiel bei der letzten Nacht der Forschung oder bei den verschiedenen Bar- oder Literaturcamps.

JS: Das kann ich nur unterschreiben. Eine wichtige Voraussetzung für dieses Engagement ist, dass wir das Gefühl haben, uns als Mieterinnen und Mieter mit unseren Ideen einbringen zu können. Die Zentrumsleitung findet immer auch unkonventionelle Lösungen. Das wissen viele hier sehr zu schätzen und beteiligen sich auch an Projekten, die kein Geld einbringen. Die Bereitschaft, sich gegenseitig zu helfen und sich in das große Ganze einzubringen, ist im Dezernat 16 sehr hoch.

Ein tolles Beispiel war der Open-House-Day im Oktober 2017. Aus der Mieterschaft kam die Idee, mit einer Kampagne diese Veranstaltung und das Dezernat 16 bekannter zu machen. In diese Plakatkampagne haben sich Grafikerinnen, Fotografen und Texter eingebracht und sehr viel Arbeit investiert. Auf das Ergebnis sind wir alle sehr stolz. Das geht woanders gar nicht.

ZV: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Julia Schönborn

Dirk Welz

LEADING EDGE

Agentur für Kommunikation

Emil-Maier-Straße 18
69115 Heidelberg

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juliaschoenborn@leading-edge.info

dirkwelz@leading-edge.info

 

Beitragsbild: Renate Welkenbach