China I. Wirtschaftliche Herausforderungen

China beherrscht bereits seit Jahrzehnten als Faszinosum die Themenlandschaft der westlichen Medien. In den letzten 20 Jahren änderte sich die Wahrnehmung des Landes rasant: Vom zunächst belächelten, dann gefürchteten „Kopierladen“ der Welt und Billiglohnland hat sich die Volksrepublik zu einer ernstzunehmenden Wirtschafts- und Militärmacht entwickelt. Anlässlich des derzeit in Peking stattfindenden KP-Kongresses werfen wir einen Blick auf Wirtschaft und Gesellschaft.

Gewaltige Wirtschaftskraft

Drei Konzerne können als Sinnbild für die gewaltige Wirtschaftskraft des Landes stehen: Huawei ist mit seinem neuen Spitzenmodell Mate 10 seinen beiden Konkurrenten Samsung und Apple hart auf den Fersen. Alibaba ist einer der größten E-Commerce-Händler der Welt und die App Wechat des Konzerns Tencent nutzen 800 Millionen Menschen. Zugleich mehren sich die Nachrichten über die gewaltigen Investitionen Chinas entlang der sogenannten Neuen Seidenstraße, in Afrika oder jüngst in die saudi-arabische Ölindustrie. Viele dieser Projekte dienen heute auch dazu, den Ruf Chinas als Unterstützer der Globalisierung und ehrlichen Partner der internationalen Entwicklungszusammenarbeit zu fördern

Wachstum

Das Wirtschaftswachstum Chinas hat sich im Gegensatz zu den zweistelligen Zahlen in den Jahren zuvor bei circa 7% eingependelt. Der gewaltige Ausbau der chinesischen Infrastruktur ist nun weitgehend abgeschlossen und soll durch ein auf Konsum beruhendes Wirtschaftsmodell ersetzt werden. Bereits heute trägt der Dienstleistungssektor mehr zum Wachstum bei als die fertigende Industrie.

Herausforderungen

Gleichwohl steht das Land vor großen Herausforderungen: Das Wachstum im Bausektor und in den Staatsbetrieben beruht auf der Inanspruchnahme hoher Kredite, die Unternehmensschulden steigen. Hinzu treten Überkapazitäten in der Produktion und mangelnde Produktivität in einzelnen Branchen, Tendenzen einer Kapitalflucht und die Furcht vor einer Immobilienblase. Es besteht die Gefahr, dass der notwendige Strukturwandel durch die Aufnahme neuer Schulden verlangsamt wird, Wettbewerbsnachteile entstehen und sich möglicherweise der Anlass für eine neue Finanzkrise ergibt. Befürchtungen, die Europäern ja nicht allzu fremd sind.

Starker Staat

Dennoch ist zu erwarten, dass sich die staatlich finanzierten Konzentrationsprozesse der Staatsunternehmen – wie man sie im Energie- und Bahnsektor kennengelernt hatte – fortsetzen. Die Staatsunternehmen gelten der KP auch als Mittel wirtschaftliche Ungleichgewichte zwischen einzelnen Regionen auszugleichen. Einher gehen diese Tendenzen mit einer intensivierten Rückkehr zur Planwirtschaft und dem neuerlichen Ausbau der Parteiherrschaft. Partei und Staatschef scheinen stark wie lange nicht mehr.

Marktöffnung und Brandmauer

Inwiefern diese Tendenzen ein innovationsfreudiges Klima schaffen, gilt als umstritten. Digitalisierung und Internetwirtschaft Chinas erfolgen hinter der „Großen Brandmauer“, Experten und Investoren vermissen tragfähige Reformkonzepte und klare Bekenntnisse zu einem freien Wettbewerb, bislang unterblieb eine konsequente Marktöffnung, wird weiterhin die fehlende Rechtssicherheit beklagt. Hinzu treten die Verunsicherungen, die mit dem sich stärker krümmenden Spannungsbogen zwischen Taiwan und den aufgeschütteten Inseln im südchinesischen Meer einhergehen.