MatchRiderGO

Foto: Benedikt Krams

Mitfahrgelegenheiten vereinen auf sympathische Weise Digitalisierung, Social Media und Marktwirtschaft mit einem intelligenten Management begrenzter Ressourcen. Zeitenvogel sprach mit Benedikt Krams über MatchRiderGO als eine neue Form des Pendelns.

ZV: Herr Krams, was ist Match Rider?

BK: Match Rider ist ein Startup aus Heidelberg. Wir bieten mit unserem Produkt MatchRiderGO Mitfahrgelegenheiten an und fokussieren dabei auf Kurzstrecken und insbesondere auf Pendelverkehre. Wir haben so einen Ansatz gefunden, der es ermöglicht, dass das Mitfahren nicht nur auf der Langstrecke funktioniert. Mitfahrgelegenheiten auf der Langstrecke sind soweit ja auch etabliert.

ZV: Was ist das Besondere an Ihrem Ansatz?

BK: Bei Mitfahrgelegenheiten benötigt man zunächst ein Angebot, damit sich die Nachfrage darauf aufbauend kontinuierlich entwickeln kann. Wir bauen dieses Angebot auf, indem wir verbindliche Mitfahrgelegenheiten zu festen Zeiten gewährleisten. Wir bekommen so zum Beispiel morgens in einem Zwei-Stunden-Zeitraum einen Zehnminutentakt hin. Dieser Takt ist für die Mitfahrer gleich mehrfach attraktiv: Ich muss morgens nicht immer mit dem gleichen Fahrer zur Arbeit fahren, sondern habe eine Auswahlmöglichkeit. Und ich weiß sicher, dass ich Montag bis Freitag mit MatchRiderGO zur Arbeit komme und auch wieder nach Hause.

ZV: Also ist MatchRiderGO eine Art virtuelles Bussystem?

BK: Es ist in der Tat so, dass wir ein sehr ÖPNV-nahes Konzept haben. Wir bedienen feste Routen mit festen Haltepunkten, den Match Points, wie man das von einem Bussystem kennt. Gerade auf der Kurzstrecke müssen die Umwege für die Fahrer minimiert werden. Wenn ich als Fahrer zum Beispiel ohnehin nur 20 Kilometer fahre, dann sind fünf Kilometer Umweg um jemanden einzusammeln unverhältnismäßig. Mit den Routen und den Haltpunkten werden diese Umwege für die Fahrer minimiert. Die Haltepunkte liegen direkt an der Route, sodass ich als Fahrer auf dem Weg zur Arbeit kaum Zeitverluste habe.

ZV: Wie funktioniert MatchRiderGO technisch?

BK: Zu MatchRiderGO gibt es Apps für IOS und Android, sowohl eine Fahrer- als auch eine Mitfahrer-App. In diesen Apps sind die verschiedenen Routen hinterlegt, die wir anbieten. Als Nutzer wähle ich eine Route aus und teile mit, an welchem Haltepunkt ich ein- und aussteigen will. Der Fahrer erhält eine Bestätigung, dass er gebucht wurde und weiß so, wo er den Fahrgast abholen muss. Über die Ortung des Fahrers mit GPS können die Mitfahrer sehen, wo sich der Fahrer gerade befindet. Dies hat den Vorteil, dass der Mitfahrer bei Verspätungen des Fahrers die Verzögerung abschätzen und die verbleibende Zeit sinnvoll nutzen kann. Als Bezahlsystem haben wir in der App ein Lastschriftverfahren etabliert. Dies bietet den Kunden Sicherheit, da Lastschriften auch zurückgegeben werden können. Perspektivisch haben wir die Möglichkeit, weitere Zahlungsmöglichkeiten (Kreditkarte, PayPal) zu implementieren.

ZV: Nun kann es jedoch sowohl von Fahrer- als auch von Mitfahrerseite Bedenken geben, fremde Personen mitzunehmen oder bei fremden Personen einzusteigen.

BK: Hier hat sich bei den Mitfahrgelegenheiten die Registrierung der Mitfahrer bewährt: Die Mitfahrer melden sich bei MatchRiderGO an, daneben können sie ein kleines Profilbild von sich und etwas zu ihrer Person (etwa Motto, Hobbies usw.) einstellen, sodass sich der Fahrer einen Eindruck von seinen Mitfahrern machen kann. Darüber hinaus haben wir ein Bewertungssystem, bei dem die Mitfahrer ihre Fahrer bewerten können. So kann ein Mitfahrer grob einschätzen, wie sympathisch und zuverlässig der jeweilige Fahrer ist. Die Fahrer werden darüber hinaus auch durch uns persönlich ausgewählt. Wir führen mit potenziellen Fahrern ein Gespräch um ihnen MatchRiderGO zu erklären, aber auch um ein Gefühl dafür zu bekommen, ob das zuverlässige Fahrer sind, ob wir kooperieren wollen.

ZV: Aber kann es nicht auch sein, dass viele Pendler lieber alleine im Auto fahren?

BK: Selbstverständlich kann dies sein. Viele Menschen genießen die Komfortzone, die man im Auto hat, wenn man alleine unterwegs ist. Nichtsdestotrotz setzt bei vielen Pendlern, die im Stau stehen, ein Denkprozess ein: Vielen in Metropolregionen wird klar, dass sie einen aktiven Beitrag gegen Staus nur leisten können, wenn sie Fahrzeuge aus dem Verkehr nehmen. Bereits bei einer Reduktion der Fahrzeuge im Straßenverkehr um zehn Prozent hat man spürbare Effekte. Sie kennen das aus Zeiten der Schulferien. Hier bieten Mitfahrgelegenheiten wie MatchRiderGO neben anderen Verkehrsmitteln ein großes Potenzial.

ZV: Planen Sie auch eine Art „Monatskarte“ oder ähnliche Modelle, wie man sie aus anderen Bereichen des ÖPNV kennt?

BK: Eine „Monatskarte“ ist definitiv geplant. Wir möchten, dass die Nutzer regelmäßig mit uns fahren, uns wirklich als verbindliche Alternative wahrnehmen um zur Arbeit und zurück zu kommen. Momentan geben wir Gutscheine an gute Kunden aus, um das Angebot für sie attraktiver zu machen.

ZV: Sie bieten ja im Moment zwei Strecken an: Stuttgart-Tübingen und Heidelberg-Wiesental bzw. nach Neckarsteinach. Wie viele Fahrer sind bei Ihnen im Einsatz?

BK: Auf unserer aktiven Strecke zwischen Stuttgart und Tübingen haben wir zwölf Fahrer, die verbindlich für uns fahren. Die meisten davon sind Einpendler in die Region Stuttgart. In Heidelberg sind wir erst seit kurzem aktiv. Derzeit haben wir in Heidelberg fünf Fahrer. Wir möchten diese Zahl kurzfristig gerne noch verdoppeln und suchen derzeit weitere Fahrer.

ZV: Inwiefern ist das Modell für die Fahrer attraktiv?

BK: Interessant ist bei unserem Ansatz, dass die Bezahlung unabhängig davon erfolgt, ob ich einen Mitfahrer habe oder nicht. Das heißt, das reine Angebot der Fahrt auf unserer Plattform wird bereits vergütet, sodass ich als Fahrer einen festen Betrag im Monat erhalte, mit dem ich kalkulieren kann.

ZV: Planen Sie weitere Strecken im Rhein-Neckar-Raum? Ist die Verbindung zwischen Heidelberg und Mannheim für Sie auch interessant?

BK: MatchRiderGO sieht sich als Ergänzung zum ÖPNV. Wir glauben, dass wir in der Infrastruktur Lücken schließen können. In Zusammenarbeit mit der Stadt Heidelberg identifizieren wir solche Routen, die ein besonderes Potenzial haben. Zur Route Heidelberg-Mannheim kann ich sagen, dass dies eine sehr hoch frequentierte Route ist, die aber auch dementsprechend sehr gut durch den ÖPNV erschlossen ist. Regionen, die über einen sehr guten ÖPNV verfügen, sind nicht die Top-Regionen, die wir fokussieren. Nichtsdestotrotz stimmen wir die weiteren Ausbaupläne eng mit der Stadt Heidelberg ab.

ZV: Wie sieht Ihre Kooperation mit der Stadt Heidelberg genau aus?

BK: Für die Strecken, auf denen wir momentan in Heidelberg aktiv sind, haben wir einen städtischen Erschließungsauftrag. Wir haben die verschiedenen Haltepunkte der Routen mit der Stadt abgestimmt. Darüber hinaus werden wir mit Marketingmaßnahmen unterstützt, was für uns sehr wichtig ist. Wir freuen uns auch sehr darüber, dass die Fahrer durch die Stadt Heidelberg bezahlt werden. So können wir dieses, den ÖPNV ergänzendes Angebot aufbauen.

ZV: Planen Sie auch, Ihr Modell über die Metropolregion hinaus in den ländlichen Raum expandieren zu lassen? Dort erlebten wir ja in den letzten Jahren eine mitunter sehr starke Ausdünnung des ÖPNV.

BK: MatchRiderGO kann grundsätzlich auch im ländlichen Kontext funktionieren. Hier erreichen uns immer wieder Anfragen von Unternehmen und Landratsämtern, die versuchen, den Nahverkehr für die Menschen in ländlich geprägten Räumen auch künftig sicherzustellen. Aufgrund der geringeren Bevölkerungsdichte können dort zwar nur weniger Menschen feste Routen nach unserem Ansatz bedienen und in Anspruch nehmen. Man bekäme aber theoretisch immer noch einen Halbstundentakt hin. Das ist oftmals schon eine ganz erhebliche Verbesserung gegenüber den bestehenden ÖPNV-Angeboten im ländlich geprägten Raum. Besonders attraktiv ist für uns der Anschluss von Gewerbegebieten, die oftmals auf der grünen Wiese geplant werden. Dort gibt es mitunter noch keine Anbindung an den ÖPNV, aber viele Arbeitnehmer. Unser Ansatz kann dort sehr gut funktionieren.

ZV: Wer steht eigentlich hinter MatchRiderGO?

BK: Match Rider wurde durch unseren Geschäftsführer Alfred Swartzbaugh gegründet. Die Geschäftsidee kam ihm, als er einmal wieder im Stau stand: Er drehte seinen Kopf nach rechts und links und stellte fest, dass in allen Fahrzeugen nur eine Person saß. Tatsächlich ist es auch so, dass der durchschnittliche Besetzungsgrad von Fahrzeugen im Pendelverkehr bei 1,1 liegt. Alfred wusste, dass es für dieses Problem eine softwareseitige Lösung geben musste. Letztlich wurde so die Idee für MatchRiderGO geboren. Alfred holte sich dann tatkräftige Unterstützung von Katina Schneider, die bei uns für das Business Development zuständig ist und von Frank Anders, der die Finanzen verantwortet. Ich persönlich habe das Team 2017 in der Rolle des Partnermanagements ergänzt. Ich pflege Kontakte zu wichtigen Multiplikatoren in den jeweiligen Regionen. Wir vier bilden das Managementteam von Match Rider und werden darüber hinaus durch weitere Kolleginnen und Kollegen unterstützt.

ZV: Match Rider profitierte ja auch von einer wissenschaftlichen Kooperation mit der Universität Stuttgart. Worin bestand die Zusammenarbeit und wie wichtig war diese Kooperation für Sie rückblickend?

BK: In dieser Kooperation konnten wir insbesondere die Anwendung jener wissenschaftlich fundierten Instrumente erlernen, die uns bei der Identifikation von Routen helfen: Wir haben zusammen mit den wichtigsten Stakeholder-Gruppen einen Anforderungskatalog erarbeitet, um in Kombination mit den Verkehrsdaten der jeweiligen Regionen besonders attraktive Routen zu identifizieren. Einen ähnlichen Anforderungskatalog gibt es auch für unsere Match Points.

ZV: Welches der Förderprogramme war für Sie rückblickend das wichtigste?

BK: Hier muss man sicher die Unterstützung des Axel Springer Plug and Play Accelerators nennen. Durch die Mentoren und das Methodentraining wurde letzten Endes der Grundstein für MatchRiderGO gelegt. Ein wesentlicher Meilenstein war auch der Preis ShareBW vom Ministerium für Forschung und Kunst Baden-Württemberg. Dieser Preis stattete uns mit den finanziellen Möglichkeiten aus, um MatchRiderGO von einer Idee zu einem marktfähigen Produkt zu entwickeln.

ZV: Sie arbeiten ja im Dezernat 16. Inwieweit profitieren Sie von diesem Ort?

BK: Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass man hier kurze Wege hat zu Menschen, die gegenüber Kooperationen offen sind. Hier herrscht ein sehr freundschaftliches Klima. Man findet Partner, die die eigenen Ideen gut ergänzen können, sei es mit grafischen Arbeiten, sei es bei einer Website-Erstellung oder ähnlichem. Darüber hinaus profitiert Match Rider sicherlich davon, dass hier Büroräume zu sehr attraktiven Konditionen gemietet werden können, was insbesondere Unternehmen in frühen Entwicklungsphasen ungemein hilft. Auch von den medialen Veranstaltungen im Haus profitieren sicherlich alle Mieter.

ZV: Wo sehen Sie Verbesserungspotenziale bei der Startup-Förderung in Deutschland?

BK: Grundsätzlich haben wir in Deutschland eine recht verhaltene Investitionsbereitschaft, was zum einen die Förderhöhe angeht, zum anderen die Geschwindigkeit bis zu einer Förderentscheidung. Hier hätten wir uns in der Vergangenheit durchaus mehr Mut von den einen oder anderen Partnern gewünscht.

ZV: Was sind die wichtigsten Eigenschaften eines Gründers?

BK: Ich bin davon überzeugt, dass man die eigene Idee, an die man glaubt, hartnäckig verfolgen sollte. Das heißt nicht, dass man verbohrt vorgehen sollte, sondern dass man auch nach rechts und links schaut: „Wo kann ich Dinge verbessern?“. Durch etwaige Widerstände sollte man sich nicht entmutigen lassen: Oftmals bewegen sich Startups in einem sehr volatilen, einem sehr riskanten Umfeld, in Bereichen, in denen es noch keine Prototypen gibt, keine Anwendungsfälle, keine Piloten. Hier muss man konsequent sein Ding durchziehen und sich selbst und das eigene Projekt beweisen.

ZV: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Dr. Benedikt Krams

Partner Management

Match Rider UG

Dezernat 16

Emil-Maier-Straße 16

69115 Heidelberg

www.MatchRiderGO.de

benedikt@matchrider.de

Beitragsbild: Anette Cardinale